Bence Bauer: Personenkult – damals und heute
Auf Weisung von Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) soll in den mehr als 200 Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland zusätzlich zum bereits jetzt schon hängenden Porträt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) nunmehr auch das Bild des Außenministers hängen. Kritiker bemängeln diese Entscheidung, eine solche sei in Europa ganz und gar unüblich.
Bei uns in Ungarn wäre es völlig unvorstellbar, Politiker mit Porträts in Behörden oder Amtsstuben zu finden. Zu sehr wirken die dunklen Erinnerungen aus der Diktatur nach, in der Personenkult und Verehrung von wahren oder vermeintlichen Staatsmännern immer hochgehalten wurden. Jeder Ungarn hat ein schales Gefühl, wenn er an die nationalsozialistische oder kommunistische Zeit denkt. Aus gutem Grunde sind solche Anflüge von Personenkult heute nicht mehr vorstellbar – zumindest in Ungarn. Die Erfahrungen aus der Diktatur ließen in den Ländern Mittel- und Osteuropas eine natürliche Abneigung gegen obrigkeitsstaatliche Handlungen, zweifelhafte Ehrungen von Politikern oder Bedrohungen der Freiheit aufkommen.
Eine Werteverschiebung
In Deutschland hingegen verfügt nur der Osten über zweierlei Diktaturerfahrung. Oftmals ist wahrnehmbar, dass vor allem im Westen Deutschlands ein prinzipielles Grundvertrauen in staatliche Einrichtungen und Entscheidungen besteht, für viele Ungarn ist dies kaum nachvollziehbar. So ist es in Deutschland eben Usus, ein Bild des Bundespräsidenten in den Botschaften hängen zu haben. Eine christliche Stiftung aus Deutschland lässt ihren Vorsitzenden in ihrer Bildungsstätte an der Wand mit einem Porträtfoto abbilden. Bemerkenswerterweise hängt dort aber kein Kreuz. Während der leidende Jesus Christus am Kreuz nicht an der Wand hängen darf, lächelt ein Sterblicher den Besucher freundlich an.
Sehr bezeichnend für diese Werteverschiebung ist auch der im Frühjahr 2021 neu eingeführte Paragraf 188 des deutschen Strafgesetzbuches, der die Beleidigung, die übliche Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens unter Strafe stellt. Damit werden derartige Handlungen gegen Politiker schärfer sanktioniert als gegen gewöhnliche Bürger. Hiervon zeugen auch die zahlreichen Hausdurchsuchungen bei unbescholtenen Bürgern wegen eines harmlosen Internet-Posts – etwa die Bezeichnung von Robert Habeck als „Schwachkopf“. Selbst Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat noch in seiner Zeit als Oppositionsführer zahlreiche derartige Strafanträge gestellt.
Einschüchterung und ein Klima der Angst
Während Personen, die im politischen Leben tätig sind, wohl eher eine dicke Haut haben und mehr ertragen müssten als Otto Normalverbraucher, ist es in Deutschland nunmehr gerade andersrum. Politiker zeigen mit diesen Schritten, dass sie überempfindlich sind, die kleinsten Lappalien verfolgen lassen und somit bewusst oder unbewusst für Einschüchterung und ein Klima der Angst sorgen. In Ungarn sind solche Tendenzen völlig ausgeschlossen, die politische Auseinandersetzung ist beinhart und nichts für schwache Nerven. Politiker müssen einiges aushalten können, dieses Schicksal ist aber selbstgewählt. Darüber hinaus ist die ungarische Sprache martialisch geprägt, was bisweilen von ausländischen Kommentatoren falsch interpretiert wird. Dass in Deutschland ein längst überwunden geglaubter Personenkult und ein besonderer Schutz von Politikern um sich greift, stimmt nachdenklich. Vielleicht lassen sich die Irritationen durch eine weitere Weisung an die Botschaften und Konsulate dadurch auflösen, dass zukünftig die Porträts der Politiker alle in einem Wechselrahmen abzubilden seien.
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