Bence Bauer: Wehrpflicht und Wehrbereitschaft
In Österreich gilt die allgemeine Wehrpflicht für die ganze Bevölkerung. Auch in Deutschland ist die Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht wieder auf der Tagesordnung. In Ungarn hingegen ist eine solche politisch völlig unvorstellbar, vielmehr wird an einer stärkeren Akzeptanz der Wehrbereitschaft gearbeitet.
Nach dem geplanten deutschen Wehrdienstgesetz müssen ab dem 1. Juli 2027 alle volljährigen jungen Männer ab 18 mit dem Geburtsdatum 1. Januar 2008 und später verpflichtend zur Musterung erscheinen. Ziel dieser im November 2025 beschlossenen Reform ist es, durch verpflichtende Ziehung der jungen Geburtsjahrgänge die Truppenstärke der deutschen Bundeswehr von gegenwärtig etwa 180.000 Soldaten auf 260.000 Mann zu steigern wie auch die Zahl der Reservisten auf 200.000 Personen zu erhöhen. Damit wäre eine Gesamttruppenstärke von 460.000 Soldaten zu bewerkstelligen, etwas niedriger als der historische Höchststand Ende der 1960-er Jahre. Zum Vergleich: Österreich verfügt über 14.000 aktive Soldaten und 17.000 Rekruten, das etwa gleich große Ungarn in der Summe 40.000 Mann. Abgesehen von diesen deutschen Planzahlen mag man sich die Frage stellen, wie eine dem Dienst an der Waffe entwöhnte, saturierte und verwöhnte junge Generation zu solch einem Kraftakt bereit wäre. Nach jüngsten Umfragen würden nur 16% der Deutschen „auf jeden Fall“ ihr Vaterland verteidigen wollen. Dabei spielen Bekenntnis zur Heimat, zur Nation, zur Verteidigung des eigenen Landes für viele junge Leute eher eine untergeordnete Rolle. Eine deutsche Wehrpflicht stößt auf eine wenig erbauliche allgemeine Lebenseinstellung der jungen Generation.
Gesunder Patriotismus
In Ungarn hingegen gibt es ein allgemeines Gefühl des Ausgeliefertseins, der Bedrohung von außen und der Notwendigkeit der Verteidigung des Eigenen – nicht nur seit dem Krieg im Nachbarland Ukraine. Dabei denken die Ungarn nicht, dass sie aktuell von Russland bedroht werden, sondern für sie ist Verteidigung eine Voraussetzung der staatlichen Existenz und Souveränität, der Selbstbehauptung und der Bewahrung der eigenen nationalen Kultur und Identität. Die Nationalhymne wird dabei überall im Land bei verschiedenen Anlässen gespielt und schon kleine Kindergartenkinder kennen das berühmte Kossuth-Lied aus dem ungarischen Vormärz in- und auswendig. Dabei kommt dem Nationalstolz und einem gesunden Patriotismus eine große Rolle zu. Ein Verständnis für eine wie auch immer geartete Landesverteidigung ist ein selbstverständliches Lebensgefühl von Jung und Alt. Dabei gilt es für die politische Führung, die Wehrbereitschaft der Bevölkerung zu steigern – ohne Pflicht oder Zwang anzuwenden. Die Ungarn empfinden immer große Skepsis vor staatlichen Zwangsmaßnahmen. Sie möchten aus eigenem Antrieb selbstverantwortet die für sie notwendigen Entscheidungen treffen. Daher kann ein Dienst an der Waffe in Ungarn immer nur freiwillig sein. Es gilt also, ein allgemeines Bewusstsein zu schaffen. So konnten bereits 50.000 junge Menschen in das Erziehungs- und Bildungsprogramm der ungarischen Streitkräfte involviert werden, ab September nehmen an 174 Schulen 13.000 ungarische Sekundarschüler am Landesverteidigungskadettenprogramm teil. An über 400 Schulen partizipieren 30.000 Schüler im Fach „Landesverteidigungskenntnisse“. Bereits ab der dritten Klasse werden im Programm „Fahnenjunker“ Fähigkeiten und Fertigkeiten spielerisch kulturell-sportlich vermittelt. In der Nationalen Universität für den Öffentlichen Dienst werden Offiziere und Unteroffiziere ausgebildet. Die dortigen Studenten sind parallel zum Studium im Bataillon „Ludovika“ im aktiven Bestand der ungarischen Streitkräfte. Mit diesen Angeboten kann die Wehrbereitschaft nachhaltig gestärkt werden, ohne Zwang und Verpflichtung – für viele ein attraktives Modell.
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