Mehr als 100.000 Tote sind auf beiden Seiten des Konflikts zu beklagen. Obwohl nicht direkt Kriegspartei, beklagt Ungarn mehr als 100 Tote – ethnische Ungarn ukrainischer Staatsangehörigkeit, die als reguläre Teile der ukrainischen Verbände ihr Leben ließen. Auch Europa ist nicht direkt Kriegspartei, hat sich aber dennoch für die Ukraine verschrieben. Rechtlich, moralisch und politisch mag das richtig sein – doch die langfristigen strategischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Folgen werden Europa schwächen.

Dennoch gibt es eine Möglichkeit, trotz dieser Entwicklung aus dem Krieg möglichst herauszubleiben. Dafür legte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ein Rezept vor, das sich auf andere Länder anwenden lässt. Dieses umfasst fünf Säulen. Ungarn wendet diese Strategie schon seit Jahren an und intensiviert seine Bemühungen, die negativen Folgen dieses Großkonflikts zu umschiffen. Dabei kann es nicht nur zu Deklarationen politischer Art kommen, es müssten vielmehr konkrete Schritte unternommen werden.

Das Prinzip der Konnektivität

Erstens gelte es, sich nicht anderen gegenüber einseitig und hoffnungslos auszuliefern. Es gelte, mit den sechs relevanten Machtzentren der Welt gute Beziehungen zu etablieren, also mit den USA, mit China, mit Russland, mit Indien, mit der türkischen Welt und mit der Europäischen Union. Ungarn komme mit Ausnahme der EU mit fünf von sechs gut zurecht.

Zweitens müsse man die Kraft haben, sich militärisch selbst zu verteidigen und nicht von anderen abhängig zu sein.

Drittens müsse jedes Land es schaffen, Resilienz gegenüber Krisen zu entwickeln, mit anderen Worten Kapazitäten der Selbstversorgung aufzubauen. Dies müsse in den Bereichen Verteidigung, Energie, Lebensmittelindustrie und Digitalisierung erfolgen. Insbesondere müsse die Arbeit auf nationalstaatlicher Ebene geleistet werden, denn etwa im Bereich künstliche Intelligenz habe die EU erheblichen Nachholbedarf.

Viertens sei es prävalent, im Bereich der Humanressourcen Vorreiter zu sein, seine eigenen Köpfe zu fördern und Exzellenz zu schaffen. Dafür sei es notwendig, besonders viel in Bildung und Begabung zu investieren.

Fünftens schließlich komme man nicht umhin, sich selbst einen langfristigen Plan zurechtzulegen, der eine diesbezügliche Stabilität sicherstellen kann. Dieser Plan fundiert darauf, sich aus der gefährlichen weltweiten Tendenz der Blockbildung herauszuhalten. Zwar ist man als EU-Mitgliedsstaat integraler Teil des westlichen Bündnissystems und der Wertegemeinschaft, doch müssen Wirtschafts-, Handels- und sonstige Beziehungen mit allen anderen relevanten Machtzentren der Welt gut und belastbar sein.

Davon handelt das Prinzip der Konnektivität. Wir Europäer können uns immer weniger den Luxus erlauben, nur mit denen zu kooperieren, die dieselbe Weltsicht wie wir haben. Dies bedeutet keine Offenheit, sondern Ausgeglichenheit. Diese Großstrategie ist für Ungarn überlebensnotwendig, kann aber auch ein Plan für andere Länder der EU sein, sich durch die Wirren der Zeit zu behaupten und einen eigenen Weg zu gehen, der ihre langfristige Handlungs- und Zukunftsfähigkeit sicherstellt. Die relativen Erfolge Ungarns, das diesen Weg geht, sind auch anderen nicht verborgen geblieben. Damit ist auch der Weg zur Selbstbehauptung und strategischen Autonomie des Kontinents geebnet.