Bernhard Heinzlmaier: Das Elend der grünen Lichteraufmärsche
Marx hat einst die Religion als „Opium des Volkes“ bezeichnet. Nach ihm ist sie das Mittel, das die Herrschenden für das einfache Volk bereitstellen, damit dieses sich für den ihnen von den Eliten aufgezwungenen Triebverzicht durch die Anbetung von Geistern, Dämonen und Heiligen entschädigen kann. Der Plebs sollte materielle und körperlich-erotische Bedürfnisse mit Hilfe von transzendenten Fantasien und leeren Abstraktionen sublimieren.
Das weltfremde Prinzip „Beten statt Sex, fasten statt völlern“ hat aber nie so richtig funktioniert. Religiöse Mythen und Rituale konnten das Volk nicht von der Revolte gegen die Privilegierten abhalten. Bertolt Brecht hat den Grund dafür mit dem Bonmot „zuerst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ treffend auf den Punkt gebracht.
Daran hat sich nichts geändert. Auch heute lassen sich die einfachen Menschen nicht mit idealistischen Aufrufen, Protestsongs und ein paar aufwühlenden Reden von gut betuchten Staatskünstlern, hoch bezahlten Volkshilfe- und Caritas-Funktionären und linksgrünen Berufsagitatoren gegen die eigenen Interessen mobilisieren. Aus diesem Grund finden sich unter den Teilnehmern von Lichterlumzügen überwiegend grüne Träumer aus den Nobelbezirken innerhalb des Rings, Lastenradfahrer aus den Wienerwaldbezirken, Wohlstandskinder aus dem Akademischen Gymnasium oder die nach links abgedrifteten Spitzenfunktionäre der evangelischen und katholischen Jugend. Normale Menschen mit mittleren Einkommen, Lehrlinge und die Angehörigen der abgekoppelten Unterschichten gehen anstelle dessen lieber zu den Veranstaltungen der FPÖ. Die woken Salonkommunisten und die linken Befreiungstheologen, die dafür gesorgt haben, dass die Bezirksorganisationen der Wiener SPÖ und die Kirchen gleichermaßen weitgehend frei vom „gemeinen Volk“ sind, bleiben unter sich, werden immer weltfremder und volksferner.
Versteckte Agenden
Lichterlumzüge sind ein typisches Mittel der heute verbreiten symbolischen Politik, mit dem keine Probleme gelöst werden. Sie sind auch nicht dazu da. Vielmehr dienen sie den Eliten einzig und allein dazu, die öffentliche Meinung zu kanalisieren und in die gewünschte Richtung zu lenken. Sind Volkshilfe, Caritas, die Grünen oder die Diakonie unter den aufrufenden Organisationen, dann weiß man sofort, welche versteckte Agenda sich hinter der Fassade des traurigen Pathos des Mitgefühls verbirgt: offene Grenzen, freie Fluchtrouten, ungezügelter Zuzug von muslimischen Fundamentalisten, großzügige Ausschüttung der Wiener Mindestsicherung an nicht integrationswillige Wirtschaftsflüchtlinge und Weiterführung und Finanzierung von Projekten und dubiosen Hilfslieferungen für Gaza, die am Ende nicht der notleidenden Bevölkerung, sondern der Ausbildung von neuen Terroristen und der Kriegswaffenproduktion dienen. Vom Exxpress wurde bereits aufgezeigt, dass in einem staatlich finanzierten Projekt, welches auch von einer renommierten österreichischen NGO mitgetragen wurde, eine prononcierte Israelhasserin mit BDS-Hintergrund federführend mitgewirkt hat. Die Reaktionen darauf waren gleich null. 80.000 Euro wurden mutmaßlich für PLO- und Hamaspropaganda rausgeschmissen. Auch nachdem die Hamas 1400 Juden auf grausamste Art ermordet und 200 Geisel entführt hat, will die EU unter dem Applaus dieser NGOs weitere 75 Mio. Euro an „humanitären“ Hilfsgeldern nach Gaza senden, obwohl man weiß, dass dort die Mehrheit der Bevölkerung hinter den Mordbrigaden der Hamas steht.
Entlarvend ist auch der widersprüchliche Umgang der EU mit Russland und den Palästinensern. Während man die Russen mit Boykotten belegt hat, die primär die Bevölkerung getroffen haben, ist man mit der palästinensischen Zivilbevölkerung mitleidiger. Sie wird mit Hilfslieferungen und EU-Millionen unterstützt. Und während man die von den Russen überfallene Ukraine bis zum „Endsieg“ zu unterstützen beabsichtigt, versucht man Israel schon in einen Diktatfrieden hineinzuzwingen, während das Blut der ermordeten Kinder, Jugendlichen und der Familien von KZ-Opfern noch nicht trocken ist und israelische Geiseln noch immer in den Händen der Hamas- Bestien sind und dort mutmaßlich gefoltert werden. Diese Form von Ungleichbehandlung ist lupenreiner Antisemitismus. Das jüdische Opfervolk muss für den Frieden sorgen, während es von allen Seiten von muslimischen Terrorgruppen und dem klerikalfaschistischen Iran in die Zange genommen und weiterhin tagtäglich mit Raketen beschossen wird. Das Recht auf Selbstverteidigung wird Israel praktisch abgesprochen, obwohl es als diplomatische Formel in allen Sonntagsreden der handlungsunfähigen Symbolpolitik einen Fixplatz hat.
Instrumentelle Vernunft und Moralverfall
Was sind nun die Gründe dafür, dass sich kaum einer hinter Israel stellt, das das letzte Rückzugsgebiet des über Jahrhunderte verfolgten Volkes der Juden ist? In Österreich zuerst die israelfeindliche Politik der Sozialdemokraten unter der Führung von Kreisky, Fischer und Gratz in den 1970er Jahren. Kreisky hat die Juden als mieses Volk bezeichnet und den Juden Wiesenthal als Nazi-Kollaborateur verleumdet. Fischer wollte gar einen Untersuchungsausschuss gegen Wiesenthal im Parlament initiieren und Leopold Gratz bezeichnete Wiesenthals Dokumentationszentrum, dem es immerhin gelang, den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann ausfindig zu machen und dem israelischen Geheimdienst am Silbertablett zu servieren, als „private Femeorganisation“ und als „private Spitzel- und Staatspolizei“. Nur eine Partei, die niemals den Antisemitismus in ihrem eigenen Inneren aufgearbeitet hat, konnte mit einem der wichtigsten Rechercheure der Nazigräuel, dem es gelang, viele Naziverbrecher auszuforschen und vor Gericht zu bringen, dermaßen schändlich und niederträchtig umgehen.
Der weitaus gewichtigere Grund für die grassierende Israelfeindlichkeit ist aber die sich mit dem Neoliberalismus ausbreitende instrumentelle Vernunft und der allgemeine Moralverfall. Hannah Arendt sprach sogar von einem „Zerbrechen der Moral“ und ihre Ersetzung durch einen Kanon von Manieren, Sitten und Konventionen, die „man beliebig ändern kann“. Im Zuge dessen verkam der Antifaschismus zu einem Manierismus ohne Tiefgang, oder um es mit Rudolf Burger zu sagen, zur „Staatsfolklore“.
Der Antifaschismus als leerer Signifikant, als symbolische Form ohne Inhalt, ist zum heuchlerischen, weil seelenlosen Spektakel verkommen. Er ist amoralisch, weil er keine stabilen individuellen und kollektiven Identitäten mehr ausbildet, sondern lediglich oberflächliche Konventionen hervorbringt, die das außengesteuerte postmoderne Subjekt zum eigenen Vorteil dreht und wendet, wie es zur Erreichung des eigenen Vorteils gerade opportun ist.
Wenn nun in einem Keller ein Nazi-Liederbuch gefunden wird oder in der biographischen Geschichte eines Politikers ein antisemitisches Flugblatt, so löst ein solches Ereignis bei den sogenannten Antifaschisten unserer Tage keine ehrlichen Emotionen und Reaktionen aus, sondern in Gang gesetzt wird die Maschinerie der instrumentellen Vernunft, die sofort mit der Erarbeitung eines Plans darüber beginnt, wie der größtmögliche eigene Vorteil daraus gezogen und dem (politischen) Gegner der maximale Schaden zugefügt werden kann. Das kommt daher, dass in unserer verderbten Zeit nicht moralische Werte, sondern der sterile Geldwert und der persönliche Vorteil regieren.
Antiisraelische Kreisky-Nostalgie
Der postmoderne Antifaschismus und seine Aufmärsche sind Spektakel, die allein den Zauber der Oberfläche feiern. Politische Manifestationen, wie die Lichterlumzüge oder auch die Greta- Happenings sind nichts weiter als Pseudoereignisse oder die Parodien von politischen Bewegungen. Nichts an ihnen ist echt, nichts geht ihren Teilnehmern tiefer als unter die erste Hautschicht. Die Spektakel und ihre narzisstischen Organisatoren, meint Guy Debord, wollen es zu nichts anderem bringen als zu sich selbst. Spektakel sind das hohe Fest des Narzissmus, der immer gewinnen will, egal ob es um Geld, Aufmerksamkeit oder Wählerstimmen geht. Sie sind nicht mehr als Verkaufsshows für Konsumgüter, wie die imaginären Bühnen der Social Media-Plattformen, auf denen es um das narzisstische Gut der Aufmerksamkeit geht, oder wie Wahlkämpfe, wo entpolitisierte Beutegemeinschaften unter den alten Parteinamen um die Privilegien Macht und Einkommen pokern.
Israel und der Antisemitismus kommen heute unter die Räder, weil Marktwirtschaft und Wertrelativismus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in ein narzisstisch-nihilistisches Spiel um den eigenen Vorteil verwandelt haben. Wie kann jemand glauben, dass ein Robert Habeck, der den Terrorfürsten von Katar – welcher den IS und die Muslimbrüder weltweit finanziert – um Flüssiggas auf Knien angebettelt hat, noch ehrlich auf der Seite Israels stehen kann? Habeck braucht wie viele andere die Islamofaschisten, um dem energiepolitischen Totalfiasko zu entgehen.
Nur die österreichischen Sozialdemokraten sind nicht nutzenorientiert. Sie taumeln unter der Führung eines nostalgischen kommunistischen Heurigenwirtes im Banne der antiisraelischen Kreisky-Nostalgie dahin. Das ist für Israel auch ungünstig, läuft aber unter dem Motto „Denn sie wissen nicht, was sie tun“. Das entschuldigt die Roten aber auch nicht, denn bekanntlich ist es ist den Fröschen egal, ob sie vom Storch gefressen oder von den Steinen spielender Kinder erschlagen werden.
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