Bernhard Heinzlmaier: Die Bauern werden den Leviathan nicht stürzen
„Es ist nun das natürliche Bestreben der Machthaber, den legalen Widerstand und selbst die Nichtannahme ihrer Ansprüche als verbrecherisch darzustellen, und diese Absicht bildet besondere Zweige der Gewaltanwendung und ihrer Propaganda aus. Dazu gehört auch, dass sie in ihrer Rangordnung den gemeinen Verbrecher höher stellen als jenen, der ihren Absichten widerspricht.“ Dieses Zitat entstammt einem verfemten Buch, dem „Waldgang“ von Ernst Jünger. Jünger wird, wie Friedrich Nietzsche oder Friedrich II. von Preußen, von linksradikalen Extremismusforschern, als Wegbereiter des Hitlerfaschismus diffamiert. Dabei hat Jünger den Nationalsozialismus, insbesondere seinen Rassismus und Antisemitismus, gehasst und Hitler in seinen Tagebüchern den Namen „Kniébolo“ gegeben und dieserart zu einem lächerlich-konformistischen Zwangscharakter umfrisiert.
Übrigens wurde vor ein paar Jahren in Österreich eine Debatte über Ernst Jünger geführt, leider von zwei Personen, die beide behaupteten, sein Buch „Der Waldgang“ gelesen zu haben, tatsächlich aber über den Klappentext des im Klett-Cotta-Verlag erschienenen Werkes nicht hinaus gekommen sind, Heinz-Christian Strache und Armin Wolf. Zweiter hat damals verbreitet, in dem Buch würde es um den „Anarchen“ gehen. Dieser Typus wird von Jünger aber erst in seinem späten Roman „Eumeswil“ eingeführt. Im Text „Der Waldgang“ kommt das Wort „Anarch“ kein einziges Mal vor. Warum es der Verlag in den Klappentext geschrieben hat? Wir wissen es nicht. Vielleicht, um postmodernen Hochstaplern der Kultiviertheit eine Falle zu stellen? Wir erinnern uns, dass vor gar nicht langer Zeit der verurteilte Kriminelle Julian Hessenthaler von den Linken wegen seiner lächerlichen Ibiza-Posse gleichsam als Befreiungsheld gefeiert wurde. Besonders unter den Kultureliten, deren politisch-moralischer Kompass schon seit Jahren wie unter Kokain hochnervös im Kreis rotiert, wird der Mann verehrt und deshalb wurde der aasige Drogist sogar auf die Bühne eines hochsubventionierten Staatstheaters gebeten, um dort seine absurde Heroengeschichte vor Publikum auszubreiten. Während der Ganove in den Heldenstand erhoben wurde, werden gerade die deutschen Bauern, ganz wie Jünger es beschreibt, zu Verbrechern stilisiert, nur weil sie im Interesse ihres wirtschaftlichen Überlebens Widerstand leisten.
Die Dämonisierung der brav arbeitenden Bauern, die eine durchschnittlich längere Wochenarbeitszeit haben als andere Berufsgruppen und dafür einen geringeren Stundenlohn bekommen, wird besonders vom sich immer stärker radikalisierenden linken Flügel der deutschen Ampel, den Grünen, betrieben. Vom Leben gravierend gezeichnete Gesichter erscheinen in den Abendnachrichten der deutschen Staatsmedien und sondern einen destruktiven Sprachbrei ab, aus dem Worte wie Extremisten, Gewalt, Umsturzversuch, Aufstand und rechtsextrem bedrohlich herausragen. Besonders melodramatisch die Inszenierung von Robert Habeck, der nicht Manns genug war, von Bord eines Schiffes zu gehen, um mit den Leuten zu sprechen, auf deren Rücken er 900 Millionen Euro einsparen wollte, nur um dem Anhang rund um die Millionenerbinnen des Reemtsma-Clans und den woken Lastenradfahrern aus den Cottage-Vierteln der deutschen Städte zu gefallen. Und das alles, während er und seine Kollegin Annalena Baerbock Milliardenbeträge für Kimaschutzprojekte und ähnliches nach Afrika transferieren und Unsummen für illegale Zuwanderer ausgeben, die über die porösen EU-Außengrenzen und über etliche Drittstaaten nach Deutschland kommen und an der Grenze die Asylkarte zücken, nachdem sie ihre Reisepässe weggeworfen haben. Den vergifteten Fruchtgenuss für diesen politischen Irrsinn haben nicht nur die Bauern, sondern alle normalen Bürger aus den gesellschaftlichen Mittelschichten. Bei ihnen kürzt man nicht nur Subventionen, man plündert auch die Rücklagen zur Arbeitslosenversicherung der Bundesagentur für Arbeit, die aus den Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer gebildet werden und bürdet ihnen Energiesteuern auf, die Mieten, Heizen und Autofahren immer unerschwinglicher machen. Das Geld fehlt auch an allen Ecken und Enden, weil man zum Beispiel in den sinnlosen Ukraine-Krieg in den letzten zwei Jahren bereits 30 Milliarden Euro gesteckt hat, die EU-Programme, die mitfinanziert werden, nicht mitgerechnet.
"Auch die Moral kommt an ihr Ende, sie wird „durch eine Untergattung der Technik, der Propaganda ersetzt."
Natürlich kann man das alles so machen, handelt es sich dabei am Ende um nichts anderes als weltanschaulich-ideologisch getragene Entscheidungen, die, je nach Machtverhältnissen, so oder so getroffen werden. Ob sie gut oder richtig sind, ist eine Frage der Perspektive. Das Problem, das sich für die Regierungen in Deutschland und in Österreich aber nun stellt, ist, dass ihnen die Mehrheiten abhandengekommen sind. In Deutschland unterstützen die Ampel gerade noch 33 Prozent, in Österreich ist die Situation ganz ähnlich, auch ÖVP und Grüne können gerade einmal ein Drittel der Stimmen zusammenkratzen. Am Zug wären nun die nicht-repräsentierten zwei Drittel des Wahlvolkes. Von ihnen müsste durch außerparlamentarische Aktionen Druck auf die Regierungen ausgeübt werden, auf dass diese den Weg frei machen für Neuwahlen und für eine Anpassung der Machtverhältnisse in Regierung und Parlament an die in der Bevölkerung. Dass eine solche Taktik aber zu einer Veränderung der politischen Verhältnisse führt, darf bezweifelt werden. Nach Neuwahlen in Deutschland würde die CDU wahrscheinlich eine Koalition mit den Grünen, den Roten oder mit beiden eingehen und alles würde, vielleicht mit kleinen Abschwächungen, so weitergehen, wie es heute ist. Und in Österreich? Der Tiroler ÖVP-Vorsitzende macht sich schon für Schwarz-Rot stark, wenn notwendig zieht man auch hier die Grünen oder die billigen und immer willigen Neos hinzu. Damit sitzen alle heiligen Kühe am Trog und alles geht weiter wie bisher. 23 % AfD- und 35 % FPÖ-Wählern bleibt dann nur das offen, was Ernst Jünger den Waldgang nennt.
Für Ernst Jünger ist die Gesellschaft einem Termitenhügel vergleichbar, in dem alles nach dem Automatismus der Macht abläuft. Selbst wenn der Einzelne offenen Widerstand gegen diese Macht leistet, bleibt er Bestandteil der Systemlogik und damit dem universellen Zugriff der Verwaltungsapparate und der Medien unterworfen. Der Mensch glaubt nur, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, tatsächlich wird er von Propaganda und manipulativen Techniken der Macht gelenkt. Der neue Begriff dafür ist Nudging. Der Bürger wird geduldig so lange gestupst, bis er das Richtige tut. Auch die Moral kommt an ihr Ende, sie wird „durch eine Untergattung der Technik, der Propaganda ersetzt“. Ganz ähnlich haben auch die Theoretiker der linken Frankfurter Schule die Situation analysiert. Die allmächtige politische Propaganda und die Kulturindustrie formieren das Bewusstsein der Menschen so, dass sie am Ende mit ihrem kleinen Konsumglück zufrieden sind und Politik und Kapital schalten und walten lassen, wie diese wollen.
"Und in zwanzig Jahren werden nur mehr wenige wissen, dass es einst so etwas wie freie Bauern gegeben hat."
Die elitäre Perspektive des Waldgangs ist ein möglicher Ausweg, aber nur für wenige Intellektuelle. Der Waldgang folgt auf die Ächtung. Der Verachtete besinnt sich auf seine Freiheit als Einzelner und unternimmt den Versuch, sich aus eigener Kraft zu behaupten. Er erhält seinen Widerstand gegen die verwaltete Welt aufrecht, dieser Widerstand ist intellektueller Natur, aber absolut. Der Waldgänger erwartet sich vom Gegner keine Gerechtigkeit oder gar intellektuelle und soziale Redlichkeit. Geduldig und unbeirrt wird er nach der Stelle suchen, an der der Leviathan zu gefährden ist und er weiß, dass es am Ende nur einer winzigen Zahl von entschlossenen Menschen bedarf, um die Verhältnisse zu ändern. Das ist die Hoffnung, die ihn aufrechterhält. Über die Bauerndemonstrationen wird in zwei Wochen niemand mehr reden. Es wird einen Kompromiss geben, der die Existenz der Bauern nicht mit einem Schlag, sondern scheibchenweise zerstört. Und in zwanzig Jahren werden nur mehr wenige wissen, dass es einst so etwas wie freie Bauern gegeben hat. Und in den ländlichen Wäldern und im Dschungel der Großstadt werden die wenigen Waldgänger unterwegs sein und über den wunden Punkt des Kolosses sinnieren. Aber vielleicht gibt es einen solchen gar nicht. Literaturtipp: Lesen sie die „Strahlungen“ von Ernst Jünger, Tagebücher von 1939 bis 1948. Ein gigantisches literarisches Werk.
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