Bernhard Heinzlmaier: Die Politik entgleist völlig, der Bürger wendet sich kopfschüttelnd ab
Unlängst ist mir eine Anekdote über Sigmund Freud untergekommen. Die geht so: Freud wurde einmal gebeten, den Unterschied zwischen einer Neurose und einer Psychose in volkstümlicher Art zu erklären. Dazu ließ er sich folgende Geschichte einfallen. Eine Frau steht am Totenbett ihrer Schwester. Sie ist in den Mann der Schwester unsterblich verliebt. Kurz denkt sie: “Jetzt ist der Weg frei. Ich hole mir den Mann.“ Schnell aber verdrängt sie den Gedanken. Er erscheint ihr geschmacklos. Sie versenkt deshalb die ungehörige Idee in den tiefsten Tiefen ihres Es. Das wäre neurotisch. Psychotisch hingegen ist Folgendes. Die Frau steht am Totenbett ihrer Schwester. Das Begehren nach dem Mann der Schwester ergreift sie. Um dem pietätlosen Drang zu entkommen, redet sie sich ein, dass ihre Schwester gar nicht tot ist. Ihr unstatthafter Wunsch ist damit gar nicht realisierbar. Und schon ist sie das Problem los. Das wäre nach Freud psychotisch. Psychotische Menschen erfinden sich eine eigene Realität, weil sie damit zum Beispiel, wie in dem geschilderten Fall, einem moralischen Widerspruch oder einer unerträglichen Spannungssituation entkommen.
Der psychotische Umgang mit der Realität ist gegenwärtig in der Politik weit verbreitet. Besonders bei den österreichischen Grünen. Um den katastrophalen Folgen der „Lena-Stories“ zu entkommen, erfindet die Partei alternative Wirklichkeiten am laufenden Band und versucht so, das tatsächliche Geschehen aus den Medien zu verdrängen und in bedeutungsloses „Gefurze“ zu verwandeln. Nachdem die Führung der grünen Partei die Nähe zu Schilling zu meiden begonnen hat, um nicht selbst etwas von der giftigen Aura der Märchenerzählerin abzubekommen, schickte man zuletzt die unglückliche Generalsekretärin Olga Voglauer mit der Spätpubertierenden vor die Journalisten. Offenbar bereits infiziert von Schillings radikalem Wahrheits-Konstruktivismus, spann die Frau Seemannsgarn vom Feinsten. So beschuldigte sie die SPÖ und die KPÖ ein Komplott gegen Schilling und die Grünen geschmiedet zu haben. Der Beweis, der dazu vorgetragen wurde, war so einfach wie einfältig. Weil Sebastian Bohrn Mena einst in Penzing Volkshochschuldirektor war, ein Bezirk, in dem auch der rote Europaspitzenkandidat Andreas Schieder politisch tätig ist und zudem auch noch Bohrn Menas Frau SPÖ Mitglied ist, müsse man davon ausgehen, dass dieser rote Klüngel das „Gerücht“ über Lena Schilling und die Gewaltbeziehung der Bohrn Menas in Umlauf gebracht hätte. Das müsse so sein, weil die SPÖ jene Partei wäre, die den größten Nutzen von einer Wahlniederlage der Grünen hätte. Sie versuche auf diese Art, die Wähler der Grünen zur Abwanderung zu animieren, um sie sich am Ende billig einverleiben zu können.
Letzter Gedankengang macht deutlich, wessen Geistes Kind die Grünen inzwischen geworden sind. Dem politischen Handeln wird einzig und alleine das Nutzenmotiv zugrunde gelegt. Dass man auf einen Vorteil auch verzichten könnte, wenn das Mittel zu dessen Erreichung moralisch nicht zu rechtfertigen wäre, auf eine solche Idee kann eine grüne Generalsekretärin gar nicht mehr kommen, weil die Parteikultur schon längst in Richtung des moralischen Nihilismus abgebogen ist, bei dem es am Ende nur mehr um die Frage „Cui bono“ geht. Damit hat sich die grüne Partei radikal von ihrem Ursprungsmythos abgesetzt, der um den Menschentypus des sanftmütigen, immer ehrlichen und selbstlosen Philanthropen herumgebaut war, der moralischer ist als der größte protestantische Pietist.
Letzter Gedankengang macht deutlich, wessen Geistes Kind die Grünen inzwischen geworden sind.
Den psychotischen Umgang mit der Wahrheit findet man gegenwärtig auch bei den deutschen Medien. So war dort am Tag nach der Kommunalwahl in Thüringen flächendeckend zu lesen, dass die AfD einen „Rückschlag“ erlitten und einen „schweren Dämpfer“ bekommen hätte. Tatsächlich hat die AfD dort fast 9% dazugewonnen und lag nach Auszählung von 80 % der Stimmen bei 26,5%, knapp hinter der CDU, die auf 27,5% kam. Den Dämpfer hat in Thüringen die Ampel bekommen. Nachdem die Grünen und die FDP total abgeräumt wurden und die SPD gerade einmal 11% erreicht hat, stehen nun nicht einmal mehr 20% der Wähler in Thüringen hinter den Parteien der Bundesregierung.
Hier zeigt sich eine Tendenz, die Max Weber schon in den Anfängen des 20. Jahrhunderts beschrieben hat und die jetzt im neuesten Buch von Wendy Brown mit dem Namen „Nihilistische Zeiten“ wieder aufgegriffen wurde. Wendy Brown ist eine der wichtigsten öffentlichen Intellektuellen der USA und besitzt eine Professur in Princeton. Sie nennt eine Politik nihilistisch, die alle Werte und moralischen Prinzipien aufgibt und in der es nur mehr um die individuellen Interessen der Politiker, persönliche Vorteile und die Lust an der Macht geht und der jedes Mittel recht ist, um den Gegner aus dem Feld zu schlagen. Auf Max Weber verweisend spricht sie von der Herrschaft der instrumentellen Vernunft, die von „riesigen Machtapparaten“ verkörpert wird und zu einem „stahlharten Gebäude“ geworden ist, das uns Menschen einschließt. Ohne den humanistischen Werten, die zu Opfern der Säkularisierung und Rationalisierung geworden sind, ist die Politik nicht mehr am Allgemeinwohl orientiert, sondern erbarmungslos parteilich geworden. Gruppeninteressen und gewissenlose Machtspiele dominieren den politischen Alltag und lassen die Politik, so Max Weber, als „diabolische Macht“ erscheinen. Der Nihilismus, der auf der politischen Bühne vorgeführt wird, erfasst in der Folge auch das Wahlvolk, das ebenso egozentrisch und gewissenlos zu handeln beginnt, wie ihre dekadenten „Volksvertreter“. Am Ende breitet sich eine Stimmung aus, die dem Gemeinschaftlichen gleichgültig gegenübersteht und an das endzeitliche Treiben der 1920er Jahre erinnert, das von Fatalismus, Zynismus, Frivolität, Narzissmus und der Entfesselung der Gewalt im öffentlichen Raum geprägt war. Der Verlust der Gemeinschaftlichkeit und das Schwinden des Vertrauens in das politische System werden durch die immer manieristischer werdenden Ego-Inszenierungen der Politiker, die offensichtlich manipulative politische Kommunikation und die Ersetzung einer handelnden durch eine symbolische Politik befördert.
Was hier passiert, ist psychotische Wahrheitsverdrehung und Wirklichkeitsverachtung.
Anstelle zu versuchen, mit ehrlicher Politik im Interesse der Bürger zu punkten, lassen die politischen Eliten Narrative durch den Äther schwirren, die kein Mensch mehr glaubt, weil sie so hanebüchen gestrickt sind. Zuletzt der Rassismus-Skandal auf Sylt. Ein paar Besoffene grölen zu den stupiden Noten eines mechanischen Dance-Tracks „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ und schon wird das debile Ereignis zur faschistischen Gefahr hochstilisiert, die ganz Deutschland zu ergreifen und in den Abgrund zu ziehen droht. Alle, die sich noch nicht ganz dem nun in Deutschland legalen Cannabis-Delirium hingegeben haben, erkennen sofort, worum es hier geht, um das Niedermachen der AfD mit einer rein emotionalen Kampagne, weil das den Ampelparteien mit politischen Mitteln nicht gelingt. Höhepunkt der Idiotie ist dabei zweifellos ein Historiker, der die besoffene Geschichte auf Sylt mit dem „Reichstagsbrand 1933“ verglich. Das ist nihilistische Kommunikation, die selbst nicht davor zurückscheut, NS-Staat, Antisemitismus und Judenvernichtung zum billigen Mittel für den tagespolitischen Zweck zu machen. Was hier passiert, ist psychotische Wahrheitsverdrehung und Wirklichkeitsverachtung, wie sie sonst nur ein postpubertärer Teenager mit Entwicklungsverzögerung zustande bringt.
Und während dieses ganze unehrliche Schauspiel abläuft, eskaliert der Konflikt im Nahen Osten, übernehmen antisemitische, muslimische Hamas-Anhänger die Macht der Straße, explodiert die Gewaltkriminalität unter Migranten, wird für das Kalifat demonstriert, stagniert die Wirtschaft, wütet weiter die Teuerung und erklärt der deutsche Wirtschaftsminister die Bevölkerung offen zu Versuchstieren, an denen er die Akzeptanz von Maßnahmen der grün-kommunistischen Transformation ausprobiert. Nihilistischer geht es nicht mehr, liebe Eliten.
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