Bernhard Heinzlmaier: Die SPÖ kann nicht mehr verrückt werden
Der Parteitag, auf dem der Niederösterreicher Babler gegen den Burgenländer Doskozil zum Bundesparteivorsitzenden der SPÖ gewählt wurde, war ein erstes Wetterleuchten des bevorstehenden Untergangs der SPÖ. Schon die Ästhetik dieser Veranstaltung war eine mittlere Katastrophe.
Karge Bühnendekoration, düstere Beleuchtung, einfältige Agitationsrhetorik, schlechtsitzende Anzüge am Körper von bierbäuchigen Gewerkschaftsfunktionären, stereotypes wokes Geschwätz in den Reden der Jugendfunktionäre, Brüllen und Johlen auf den Hinterbänken und am Ende die Unfähigkeit, ein paar Hundert Stimmzettel richtig auszuzählen, gaben den Blick frei auf eine Parteikultur, der selbst die basalen Alltagskompetenzen und Benimmregeln einer mitteleuropäischen Kulturgesellschaft verloren gegangen zu sein scheinen.
Sämtlichen auf der Vorderbühne der Veranstaltung handelnden Personen ermangelte es am Glamourfaktor, der für Politiker in einer Medien- und Selbstdarstellungsgesellschaft unerlässlich ist. Schon in den 1970er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts hat Italo Calvino proklamiert: Das Tiefste am Menschen ist die Haut. Damit war gemeint, dass wir im Zeitalter des Zaubers der Oberfläche leben. Die gehaltvollste Substanz kann keine Aufmerksamkeit und kein Interesse hervorrufen, wenn sie nicht umgeben ist von bezaubernden und faszinierenden Äußerlichkeiten.
Glamourfaktor der erfolgreichen Politiker
Erfolgreiche Politiker unserer Zeit haben den Glamourfaktor, man betrachte nur Emmanuel Macron oder Giorgia Meloni, ja sogar Donald Trump hat eine außergewöhnliche Ausstrahlung, die die Menschen zu ihm hinzieht. Im Gegensatz dazu geht von den sozialdemokratischen Spitzenleuten unserer Zeit keine magische Strahlung aus. Die meisten wirken eher vulgär, man nehme nur den Wiener Stadtrat Hacker als Beispiel. Eine gewinnende Aura umgibt den Mann nicht und auch seine Sprache umgarnt den Zuhörer nicht mit verführerischen Formulierungen. Wenn Hacker in Rage gerät, und das ist fast immer der Fall, wenn ihm eine Frage gestellt wird, dann kommt eher das Gefühl auf, als würde ein MMA-Kämpfer anstelle seiner Fäuste mit der Sprache einen Gegner bewusstlos schlagen wollen. Und wenn der Chef nicht austeilt, dann springt sein Pressesprecher ein. Gerne wirft er Kritikern auf X das Götz-Zitat nach. Auch ein sympathisches Kerlchen. Selbst Dandy-Figuren wie der Wiener Finanzstadtrat Hanke entfalten keine persuasive Wirksamkeit, weil sie keine ästhetische Kreativität widerspiegeln. Hanke erscheint eher wie eine Wachsfigur Madame Tussauds, die man achtlos aus einem Kaufhauskatalog eingekleidet hat. Und Michael Ludwig hat innerhalb einer ästhetischen Reflexion sowieso keinen Platz.
Hinzu kommt, dass das ästhetisch unattraktive Gefäß SPÖ mit den Jahren auch inhaltlich seltsam leer geworden ist. Weil es an allen Ecken und Enden an Kompetenzträgern fehlt, die zeitgemäße innovative Problemlösungsvorschläge hervorbringen könnten, greift man, wenn es um Programme geht, auf verstaubte Versatzstücke aus den Werken von Marx, Engels, Otto Bauer und Karl Kautsky zurück. Während diese groteske archivarische Technik die inhaltliche Gestaltung der Politik bestimmt, versucht man tatsächlichen, und für alle offensichtlichen, Problemen der Zeit mit Taschenspielertricks aus dem Arsenal der symbolischen Politik zu Leibe zu rücken. Breitet sich in den migrantisch dominierten Wiener Bezirken eine bisher beispiellose Gewaltkriminalität aus, so proklamiert der Wiener Bürgermeister die Stadt ohne Waffen. Dass der eigentliche Grund der sich ausbreitenden Gewaltkriminalität die feindliche Übernahme der Stadt durch präzivilisatorische, junge Männer und ihrer Gangs aus Afghanistan, Tschetschenien, Syrien, Somalia oder dem Irak ist und nicht die Ausbreitung von Waffen aller Art, wird verdrängt und unterdrückt.
Die sogenannten "Talahons"
Die jungen Männer, die man widerstandslos nach Österreich einsickern ließ, verstehen sich heute als sogenannte „Talahons“. Die Talahon-Kultur ist eine Art Revival der aus den 1990er Jahren bekannten Jugendkultur der „Krocher, Styler und Zerleger“. Damals trug man echte oder gefälschte Designerkleidung und Palli-Tücher, rasierte sich zur Freude der Firma Gillette den ganzen Körper, cremte sich mit wohlriechenden Salben ein und übernahm das Style-Kommando über die proletarisch geprägten Großraumdiskotheken der Stadt, wie das Nachtwerk.
Die Talahons begnügen sich aber nicht mehr mit der Style-Hoheit. Sie sind keine Style-Rebellen wie die „Krocher“, vielmehr sind sie ein symbolisch-kultureller Bestandteil des Kulturkampfes, den die Muslime gegen die postmoderne, liberale aufgeklärte mitteleuropäische Gesellschaft führen. Neuartig ist auch, dass in der Talahon-Kultur die Trennlinie zwischen einer Jugendkultur und mafiösen schwerkriminellen Clans verschwimmt. Eines der Kultobjekte der Talahons ist neben den schon immer in migrantischen Kreisen begehrten Designer-Klamotten oder deren Fälschungen, das Messer. Im Songtext TA3AL LAHON des Rappers Hassan, sozusagen die Hymne der Talahon-Gang-Kultur, heißt es: „Ta3al Lahon, ich geb´ dir ein´n Stich, ich bin der Patron.“ Die gesamten Lyrics des Songs durchziehen Gewaltfantasien. Die soziale Welt, in der die Kernszene und die Kulturproduzenten der Talahons leben, ist manichäisch. Gut und Böse stehen sich unversöhnlich gegenüber. Die Guten, das sind die Starken, die Bösen sind die Schwachen, die unmännlichen eierlosen Humanisten und Allesversteher, die vor der in ihren Augen ekelhaften und abnormalen Queer-Bewegung den roten Teppich der Toleranz ausrollen. „Queers for Palestine“ sind für Talahons der größte Lachschlager. Natürlich werden sie diese Leute am Tag der Machtübernahme genauso behandeln, wie sie heute schon im Iran oder von der Hamas behandelt werden.
Welt ohne Talahons, ohne Kulturkampf
Die SPÖ Wien lebt in einer anderen Welt. In dieser Welt gibt es keine Talahons, keinen Kulturkampf, keine migrantische Gewaltkriminalität, keinen Islamismus, keine fundamentalistischen Moscheen, keinen Salafismus, keine Muslimbrüder, keine Kulturvereine, die die Wiener Kulturförderung großzügig bedient und die nichts anderes als Kaderschmieden der Muslimbrüder sind. Die Vermutung ist durchaus statthaft, dass die SPÖ in der Zwischenzeit schon ihr eigenes Narrativ von der Integrierbarkeit der muslimischen Parallelgesellschaften glaubt. Ursprünglich war es ja nur eine humanistische Ideologie zur Moralisierung der durch und durch eigennützigen Strategie der türkischen und arabischen Wähler-Akquisition.
Niedergang des Gesundheitswesens, Zusammenbruch des Schulsystems, Deindustrialisierung des Wiener Raums, akkumulierte Teuerung, Kriminalität in den Städten, alles egal, die SPÖ hat dazu wenig zu sagen. Hingegen fordert sie jetzt einen kostenlosen Banktermin für alle einmal im Monat und, das ist kein Witz, eine Preisdeckelung für Pommes. Das muss sie aus Deutschland haben, denn dort führt die SPD gerade den Klassenkampf um die Verbilligung des Döners. Alles in allem kann man nur einen Schluss ziehen: Die SPÖ kann nicht mehr verrückt werden, denn sie ist es bereits.
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