Bernhard Heinzlmaier: "Fairytale Of New York" und die bedrängten Nationalkulturen
Am 26. Dezember beginnt sich Österreich zu entspannen, weil Weihnachten de facto vorbei ist. Ausgenommen ein paar wenige Ausläufer des Ärgernisses, späte Glückwünsche per Telefon oder per SMS, die keiner braucht und will, die aber stoisch abgehandelt werden.
Man ist einfach erschöpft und fühlt sich leer, obwohl man sich zwei Tage lang bis zur Halskrause vollgefressen hat. Wie gerne hätte man das alte, das vertraute Weihnachten gehabt, wie es auch in meiner Familie in Hausleiten am Wagram, im sogenannten „Russenzimmer“, gefeiert wurde. Nach dem verlorenen Krieg war dort ein russischer Kommandant einquartiert, von daher der Name, ein netter Mensch im Übrigen, an den sich meine Mutter noch gerne erinnert. Er hat den Kindern Süßigkeiten zugesteckt und meiner Großmutter von dem Gräuel erzählt, das wir als Herrenvolk in der Sowjetunion angerichtet haben. Wohl auch ein wenig darum, um die eigenen Übergriffe gegen die österreichische Bevölkerung zu rechtfertigen. Ein gutes Beispiel dafür, dass sich im Krieg Grausamkeiten auf allen Seiten der Fronten ereignen, weil sie zum Wesen des Krieges gehören. Es gibt keine gerechten Kriege, kein Krieg entschuldigt seine, wenn auch noch so hehren Ziele, allesamt sind sie Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wenn sie Machthaber unbedingt haben müssen, dann sollte man ihnen auf einem abgegrenzten Terrain Waffen in die Hand geben und sie aufeinander loslassen. Die normalen Menschen könnten dann mit Popcorneimern in der Hand und in Sicherheit zusehen, wie sich Putin und Biden, in Begleitung ihrer Generäle und Waffenlobbyisten gegenseitig niedermetzeln. So manchen würden die Kampfhandlungen wahrscheinlich an den Wettbewerb um den Meistertitel unter den „Idioten der feinen Gesellschaft“ aus Monty Python‘s Flying Circus erinnern.
Aber zurück zu Weihnachten und zu den besseren Zeiten, in denen das Fest noch Magie und ein Charisma hatte, das den Menschen tatsächlich ein ehrlich entzücktes Lächeln ins Gesicht zu zaubern imstande war. Im Russenzimmer der 1960er und 1970er Jahre gab es keine Sensationen. Geschenkt wurde bescheiden aber mit Herz und Verstand. Unter dem Weihnachtsbaum glänzte nicht eine von der Kulturindustrie erzeugte hohle Fülle, sondern eine mit Bedacht ausgewählte Sammlung von Geschenken, die die Empfänger erfreuten, weil sie ihre Seele berührten. Jedem Präsent war anzumerken, dass sich der Schenkende lange Gedanken bei der Auswahl gemacht hatte. Und in einzelnen Fällen wurde auch Selbstgemachtes verschenkt, wie Gebasteltes oder Gemaltes. Selbst große Teile des Christbaumschmucks waren eigenproduziert, zum Beispiel die Weihnachtssterne aus glänzenden, folierten Kunstpapier. Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, das Radio oder den Schwarz-Weiß-Fernseher anzudrehen. Was heute zur unerträglichen Dauerberieselung depraviert ist, das Weihnachtsliedgut, wurde selbst gespielt und gesungen. Und nicht einmal Zeitungen und anderes gedrucktes tagesaktuelles Zeug gab es. Gelesen wurden Märchen, Sagen, Peter Roseggers Erzählungen oder lehrreiche Kinderbücher aus der Serie „Was ist was“. Am Ende saß man bei mit Sardellen, Eiern, Schinken und Käse selbst belegten Brötchen zusammen. Und nach dem „Festmahl“ ging es gemeinsam in die Christmette. Am schönsten war es, wenn tiefer Schnee lag, durch den man stapfen musste und man den Atem in der kalten Luft sehen konnte.
Weihnachten ist kulturell entkernt
Heute ist Weihnachten kulturell entkernt. Die Kinder hören K-Pop aus Südkorea, an den Hauswänden klettern Weihnachtsmänner hoch, die digitalen Medien überziehen das Land mit pathetischen Hollywood-Schinken, die Weihnachtskekse kommen aus Bulgarien, die Walnüsse aus Griechenland und im Radio laufen glattgebügelte Schnulzen aus den Manipulationslaboratorien der Kulturindustrie. Der ORF, den wir mit unserem Steuergeld zu finanzieren gezwungen werden, ist zu einer Ausspielstation der Kulturindustrie herabgekommen. Der amerikanische Serienmüll läuft in Dauerschleife, unterbrochen nur von immer wiederkehrenden manipulativen Nachrichten. Es geht im Staatsfernsehen nicht mehr darum, was in der Welt sich wirklich ereignet. Zurecht frisiert wird nur mehr gezeigt, wie die Eliten des links-liberalen polit-medialen Blocks die Welt gerne hätten.
Obwohl wir bei uns zu Hause Weihnachtstraditionalisten sind, zur Gitarrenbegleitung Weihnachtslieder selbst gesungen werden, wir mit den Kindern die Weihnachtsmette besuchen und sogar aus dem Weihnachtsevangelium gelesen wird, habe ich schon seit meiner Jugend einen absoluten Weihnachtsliedfavoriten, der nichts mit dem österreichischen Kulturgut im engeren Sinn zu tun hat und den ich jedes Jahr so lange rauf und runter höre, bis ich vor Melancholie und Traurigkeit nicht mehr aufrecht stehen kann. Es ist dies der Song „Fairytale Of New York“ der Band The Pogues. Die elegische Stimmung, die das Lied verbreitet, wurde heuer noch durch den Tod von Shane MacGowan, dem Sänger der Pogues und Autor des Songs gesteigert. Mindestens fünfzigmal habe ich mir sein Begräbnis auf YouTube angesehen, bei dem der Song live von seinen Weggefährten aufgeführt wurde. Was hat mich dabei so fasziniert? Es war die Stimmigkeit, Reinheit und Authentizität des Ereignisses. Shane MacGowan war Ire. Und er war gläubiger Katholik mit einer ganz engen Beziehung zur irischen Kultur. Viele seiner Lieder, so kann man auf Wikipedia lesen, befassen sich mit irischer Geschichte, der irischen Migration nach Amerika, knüpfen an irische Literatur an und sind erfüllt vom Stolz auf die irische Nation. Vom irischen Geist und der irischen Kultur war die gesamte Kirche erfüllt, in der das Begräbnis stattfand. Und die Trauergemeinde hat am Ende zu „Fairytale Of New York“ getanzt und der Kirchenraum war erfüllt von der Stimmung von Zusammengehörigkeit und kultureller Harmonie.
Verbundeneheit mit den Menschen
Das Gefühl der Zugehörigkeit und der kulturellen Verbundenheit mit den Menschen, die in diesem Jahr mit mir und meinen Kindern in der Christmette waren, habe auch ich gespürt, und das, obwohl ich nicht einmal richtig in die Kirche hineingekommen bin, weil sie so voll war. Eng an eng sind die Menschen gestanden, um dem Gottesdienst beizuwohnen und das Weihnachtsevangelium zu hören. Und es war ein gutes Gefühl, unter Gleichgestimmten und kulturell verwandten Menschen zu sein. Ob Iren oder Österreicher, viele unter ihnen fühlen sich vertraut und aufgehoben in ihrer angestammten kulturellen Umgebung und wollen diese schützen und erhalten. Und viele, besonders die Jungen, sind stolz darauf, Österreicher zu sein. Bei den unter 30-Jährigen 80 %. Große Teile der Eliten, die sich gerne beim World Economic Forum treffen, um dort im eigenen Interesse zu klüngeln, sehen diese nicht ausrottbaren kulturellen und nationalen Bindungen nicht gerne. Alles Traditionelle und Überlieferte ist ihnen ein Dorn im Auge und mit Hilfe der von ihnen ferngesteuerten Medien soll die Bevölkerung „globalisiert“ werden. Heute gilt es unter den links-liberalen Globalisten als Common Sense, jeden als Faschisten oder Nazi an den Pranger zu stellen, der ein intaktes Nationalbewusstsein hat und der seine Herkunftskultur verteidigt. Wer von der Politik die Priorisierung der Interessen der Österreicher fordert – Faschist, wer sich gegen die Umbenennung von Weihnachtsmärkte in „Wintermärkte“ sträubt – Faschist, wer den heiligen Nikolaus in Kindergärten empfangen will – Faschist, wer die Grenzen des Landes und damit auch die eigene Kultur schützen will – Faschist, wer von Zuwanderern das Erlernen der deutschen Sprache verlangt – Faschist. Alles soll zu einem globalen Einheitsbrei ohne Konturen, Ecken und Kanten werden, dann ist das Ziel der Lobbyisten der totalen Gleichschaltung erreicht.
Wer wissen möchte, welche Taktiken und Strategien bei den Machenschaften der Superreichen und den Chefideologen des Globalismus am Werk sind, dem sei das Buch „Umgekehrter Totalitarismus“ von Sheldon S. Wolin anempfohlen. Der in der Wolle gefärbte Linke und Lehrer von Judith Butler konstatiert knochentrocken, dass ein Projekt der „ideologischen Homogenisierung der Bevölkerung“ läuft. Hat der klassische Totalitarismus „rohen Terror“ (Hannah Arendt) zur Durchsetzung seiner Interessen angewendet, so geht es heute darum, den politischen Raum geistig zu entleeren und die Massen durch subtile Manipulationstechniken zu beeinflussen. Der neue Totalitarismus zielt auf die Psyche, nicht mehr auf den Körper. Seine Gewalt ist kaum noch bemerkbar. Durch kontrollierte Medien werden die Menschen indoktriniert, durch Neutralisierung von Dissens soll der öffentliche Diskursraum frei von abweichenden Meinungen gehalten werden. Wir kennen das vom Vorgehen der Nazis gegen das Hören von Feindsendern und der roten Faschisten der DDR gegen das Westfernsehen. Die Fähigkeit, auch mit „roher Gewalt“ zu agieren, behält man sich jedoch in der Hinterhand. Bei den Corona-Maßnahmen hat man dies gesehen. Da war dann auf einmal Schluss mit dem Totalitarismus mit Smiley-Gesicht.
P.S.: Nationalismus ist aber nicht jedem verboten. Wenn man Palästinenser ist und Juden massakriert, weil man partout dort einen eigenen Staat hinbauen will, wo das auf aller Welt über Jahrhunderte bedrängte Opfervolk ein Stück Land gefunden hat, dann bekommt man von den antisemitischen universitären Linken für sein borniertes Nationalprojekt die volle Unterstützung.
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