Bernhard Heinzlmaier: Infantile Sklaven dieser Welt, vereinigt euch unter der roten Fahne
Eine Psychologin hat zuletzt einer Mitarbeiterin von mir empfohlen, bei der Personalakquisition verstärkt auf die Vierzig- bis Sechzigjährigen zurückzugreifen. Sie wären aufgrund ihrer „autoritativ-partizipativen“ Erziehung besser geeignet, sich in vorgegebene Strukturen einzufügen und würden sich als resilienter erweisen, wenn sie auf Probleme und Widerstände treffen. Von der Generation Z sollte man vorerst die Finger lassen. Aufgrund des „laissez-fairen“ Erziehungsstils ihrer Eltern wären sie wehleidige Schneeflöckchen, die sich, bildlich gesprochen, beim geringsten Gegenwind auf den Boden werfen und das Opfer mimen würden. Alleine die elterliche Erziehung wird aber nicht dafür verantwortlich sein, dass unsere Jugend empfindlich und gleichzeitig unselbständig ist. Auch der übermächtige Nanny-Staat, der seine Bürger mehr besachwaltert als er sie fördert, wird daran seinen Anteil haben. Mitmachdiktat und Unterwerfungslogik haben ein gesellschaftliches Klima geschaffen, in der das Erwachsensein nach und nach verschwunden ist und einer lebenslangen, infantilen Unselbständigkeit Platz gemacht hat.
Selbstständig werden viele Menschen heute nie, vielmehr sind sie von der Jugend bis ins hohe Alter durchgehend auf der Suche nach einer Autorität, die sie führt, lenkt und leitet und in deren mächtigen Schatten sie sich vor den Widrigkeiten des Lebens immer geschützt wissen. Die große österreichische Lehrlingsstudie, die ich regelmäßig seit Jahren mit meinem Unternehmen durchführe, zeigt diesbezüglich schon unter den ganz Jungen in Österreich bedenkliche Ergebnisse. Die große Mehrheit ist auf der Suche nach Lehrlingsausbilder, die neben ihren fachlichen Qualifikationen gleichzeitig Mutter- oder Vaterersatz sind und wollen, wenn es geht, möglichst wenig Verantwortung übernehmen und ihre größte Angst ist es, im Alltag psychische Verletzungen davonzutragen. Aus Konflikten, egal ob in der Familie oder in der Arbeit, hält man sich heraus und wenn es darum geht, sich durchzusetzen, wählt man lieber den hinterhältigen Weg der Intrige als den Kampf mit offenem Visier. Wenn es keine klaren Regeln und Vorschriften gibt, erweisen sich viele junge Menschen kaum handlungsfähig. Weil sie immer auf der Suche nach einer Kombination aus Anweisungen (Befehlen) und liebevollem Verständnis sind, können sie sich ein Leben ohne Vorgesetzte gar nicht vorstellen. Ihr Ideal ist es, gleichzeitig beherrscht und geliebt zu werden. Das Berufsbild des Unternehmers weisen die meisten dieser Jugendlichen von sich. Risiko und Eigenverantwortung sind ihnen dabei viel zu hoch.
Verantwortlich dafür ist der postmoderne Nanny-Staat
Was ist passiert, dass die Menschen zu dermaßen schreckhaften und hinterhältigen Duckmäusern geworden sind? Verantwortlich dafür ist der postmoderne Nanny-Staat, der ihnen vom Kindergarten an zur Seite steht und in ihnen jeden Hang zur Eigenverantwortung unterdrückt. Schon in den Kindergärten ist heute nämlich im Prinzip alles verboten, lediglich in Ausnahmefällen sind autonome Entscheidungen erlaubt. So dürfen die Kinder im Kindergarten meiner Tochter keine Kuscheltiere mitnehmen, selbst ein kleiner Rundgang im Garten, bevor man sie der Obhut der kleinkindpädagogischen Autoritäten überantwortet, ist verboten. Natürlich ist es auch verboten, dass die Kinder ein paar Bonbons mitnehmen. In Deutschland geht man in den Grundschulen sogar schon so weit, dass man die „Brotdosen“ der Kinder kontrolliert und ihnen zu süße Joghurts oder das eine oder andere Stück Kinderschokolade abnimmt. So geht unsensibler Ernährungstotalitarismus. Zuckerhaltige Getränke sind natürlich auch verboten und kauft man dem Kind einmal, hinter dem Rücken der Staatsmacht, eine kleine Flasche Fanta, so bemerkt man, dass dort seit Neuestem die Verschlüsse am Flaschenhals fixiert sind, das heißt, das Kind hat sie dauernd störend vor dem Mund, wenn es trinken will. Man muss den Verschluss abreißen, damit das Kind ungestört trinken kann. Selbstverständlich dürfen Kinder auch in Kindergarten und Schule nicht mehr die Kleidung tragen, die sie wollen. Ein Kind nimmt im Spiel gerne die Rolle eines Piraten an. Das T-Shirt von St. Pauli mit Totenkopf, das es deshalb gerne trägt, ist natürlich, wie könnte es anders sein, im Kindergarten „nicht gerne gesehen“, also verboten.
Infantilisierung und Kleinmachen so weit der Blick reicht. Auch Erwachsene werden wie kleine Deppen behandelt, indem man sie von der Politik aus mit Kindersymbolen und einer Kindersprache eindeckt. Der neue „grüne Transformationsfonds“ der Bundesregierung, mit dem den Bürgern von einer inkompetenten Politik weiteres Geld zum Verpulvern für die sogenannte Energiewende abgeknöpft werden soll, heißt nun „Staatsschatz“. Ein dermaßen, bis an die Grenzen der Verblödung heranreichender, weichgezeichneter Begriff für eine Kapitalakquisition kann nur jemanden einfallen, der seinen Kindern zu viel aus Grimms Märchen vorgelesen hat oder mit dem Gesamtwerk des romantischen Dichters Novalis unter dem Kopfkissen schläft. Martialisch wird es in letzter Zeit immer, wenn es um den Staat geht. Er wird mehr oder weniger zur Nährmutter hochstilisiert, der man immer dankbar sein muss und die man nicht kritisieren darf. Wer es tut, der ist ein Volksverräter oder gar ein Staatsleugner. Wie ein Kleinkind soll man sich dem immer mehr zum totalitären Ungetüm werdenden Herrschaftsapparat unterwerfen, der im Zuge seiner autoritären Corona-Politik wohl auf den Geschmack gekommen ist, was die diktatorische Herrschaft betrifft.
Rutschen einem Worte wie Schwarzmarkt, Eskimo, Indianer, Flüchtling, Farbiger oder gar Schwarzfahrer heraus, dann ist man jedenfalls erledigt.
Während der Staat immer übergriffiger und bar jeder Responsivität auftritt, ist das gesellschaftliche Kommunikationsideal die „Sensibilität“ geworden. Svenja Flaßpöhler hat dazu ein wunderbar ausgewogenes und höchst instruktives Buch geschrieben. Der Begriff „Sensibilität“ ist durchgehend positiv besetzt, obwohl er auch eine Schlüsseleigenschaft von Gaunern wie Betrügern, Schwindlern und Wahrsagern ist. Nur wer sich in sein Gegenüber einfühlen kann, also empathisch ist, ist in der Lage, sein Opfer so richtig zu betrügen und auszunehmen. Damit sind wir auch schon bei der Politik. Sie instrumentalisiert Sensibilität und Einfühlungsvermögen geschickt und verwandelt es in ein schnödes Herrschaftsinstrument. Plötzlich gibt es eine Flut von verbotenen Worten und Floskeln, die jeden, der sie verwendet, umgehend zum Schwerverbrecher machen. Flaßpöhler wagt es in ihrem Buch nicht einmal mehr das Wort Mohr auszuschreiben. Aus Angst vor der allzeit bereiten Hetzmeute wird es zum M-Wort umcodiert und so für die Scheeflöckchen-Gesellschaft verdaulich gemacht. Eine verabsolutierte Sensibilität liegt wie eine schwere Daunendecke über der Alltagskommunikation der Menschen. Unter ihr wird jede noch so kleine Abweichung von einer vorgegebenen korrekten Sprachnorm erstickt. Wie Schulkinder fürchten sich nun tagtäglich auch erwachsene Menschen, von Sprachoberlehrern bei einer unbewussten Normabweichung ertappt zu werden. Rutschen einem Worte wie Schwarzmarkt, Eskimo, Indianer, Flüchtling, Farbiger oder gar Schwarzfahrer heraus, dann ist man jedenfalls erledigt. Gruppen von Pseudo-Opfern werfen sich sogleich theatralisch zu Boden, geben sich verletzt, erniedrigt, entwürdigt, für immer verwundet ohne Aussicht auf Heilung. In Wirklichkeit ist natürlich keiner verletzt. Vielmehr ist die politisch-korrekte Sprachüberwachung eine Herrschaftstechnik, mit der eine neue rot-grüne Leitkultur durchgesetzt werden soll.
Es wird vor allem über die Gleichschaltung der Zeichen- und Symbolverwendung versucht, ein gleichförmiges Denken der Unterwerfung zu etablieren.
Ziel dieser Leitkultur ist es, das gesamte Staatsvolk in einen Haufen leicht formbarer Kleinkinder zu verwandeln. Es wird vor allem über die Gleichschaltung der Zeichen- und Symbolverwendung versucht, ein gleichförmiges Denken der Unterwerfung zu etablieren. Die geistige Klammer, die alle diese heterogenen Uniformierungs- und Unterwerfungstechniken zusammenhält, ist die Sklavenmoral. In der Sklavenrolle fühlen sich alle jene wohl, die wenig selbstbewusst und schwach sind und neidisch auf alles blicken, was ihnen überlegen ist. Ihr größtes Glück ist es, ein autonomes Individuum zu packen und aus seiner gehobenen Stellung in die gleichförmige Masse hinabzuziehen. Denn der Massenmensch will nicht den Aufstieg, vielmehr will er den Abstieg derer, die mutiger, selbstständiger und freier sind, wie er selbst. Er will nichts Besonderes sein oder hervorbringen, er will bloß ein Gleicher unter Gleichen sein, dem täglich pünktlich um 12 Uhr mittags seine „woame Moizeit“ gereicht wird.
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