Bernhard Heinzlmaier: Das Umschlagen progressiver Politik in moralischen Furor und tobende Selbstgerechtigkeit
Beängstigend ist, dass sich das gehässige linke Meinungssegment immer stärker radikalisiert. Man hat das Gefühl, gerade etwas mitzuerleben, was man seit der Französischen Revolution gut kennt, das Umschlagen von progressiver Politik in moralistischen Furor und menschenverachtenden Terror, findet eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier.
„Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“ Diesen Spruch habe ich in den letzten Tagen häufig gehört. Es ist das zynische Statement von Defätisten, von Menschen, die seit Monaten jeden Morgen mit der Erwartung erwachen, dass ab heute alles besser wird und die immer wieder erleben, dass sie von der Politik in Abgründe gestürzt werden, von denen keiner je gedacht hätte, dass es sie überhaupt gibt. Das Beängstigendste von allem aber ist, das sich das gehässige linke Meinungssegment immer stärker radikalisiert. Man hat das Gefühl, gerade etwas mitzuerleben, was man seit der Französischen Revolution gut kennt, das Umschlagen von progressiver Politik in moralistischen Furor und menschenverachtenden Terror. In seiner Phänomenologie des Geistes schreibt Hegel vom „Herzklopfen für das Wohl des Menschen“, das „in das Toben des verrückten Eigendünkels“ übergeht, “weil es sich in das Gefühl hineinsteigert, nicht nur Recht, sondern das Recht der Menschheit zu haben, was jeden Widerstand zu einem Widerstand gegen die Menschheit macht.” Hegel spricht vom „Toben der Selbstgerechten“ und von „fanatischen Priestern“, die die Menschheit betrügen, indem sie, anstelle des versprochenen Glücks, Erniedrigung, Unterdrückung und Elend in die Welt bringen. Psychisches Elend und materielle Armut hat die seit Jahren anhaltende Teuerung ins Leben vieler Menschen gebracht. Österreich ist einer der Teuerungshotspots in Europa. Und wie zur Verhöhnung der Bürger jubelten die von der Politik durch Presseförderung und Inseratenjobs bestochenen Medien zuletzt darüber, dass im Februar die Inflationsrate so niedrig wie schon lange nicht mehr war. Lediglich um 4,3 % sind die Preise gestiegen, die Lebensmittel zwar noch um 5,4 %, aber insgesamt, so wird suggeriert, sehe man Licht am Ende des Tunnels. Diese Art der Berichterstattung ist nicht Schönfärberei, es ist viel schlimmer, sie ist Bürgerbetrug. Vor allem die Mittelschichten haben die Teuerungswellen der letzten Jahre noch nicht verkraftet, weil sie von der Regierung im Stich gelassen wurden. Wenn jetzt die Preise moderat weiter steigen, bringt das für diese nicht die Wende zum Guten, sondern die Fortsetzung der sozialökonomischen Strangulation, die für viele bürgerliche Familien ein langsames und deshalb besonders qualvolles Sterben bedeuten wird.
Neu ist, dass man eine ruinöse Politik nicht mehr kritisieren darf
Die Politik hat die Menschen immer schon beschissen, das ist keine Neuigkeit. Aber neu hinzugekommen ist, dass man ihnen nun auch noch verbietet, über eine Politik, die offensichtlich ihr Leben ruiniert, kritisch oder ironisch zu sprechen. Mit der repressiven Coronapolitik sind die Mächtigen offensichtlich auf den Geschmack des Totalitarismus gekommen. Seit damals werden die Bürger mit polizeilicher Bespitzelung, neuen Gesetzen zur Einschränkung der Meinungsfreiheit, Mobilisierung der linken Teile der Zivilgesellschaft gegen das Lager rechts der Mitte und der hemmungslosen Etikettierung jeder Gegenmeinung als Verschwörungstheorie oder als „rääächts“ bedroht und malträtiert. Die neue Meisterin des Kampfes gegen die bürgerlichen Freiheitsrechte ist die deutsche Innenministerin Nancy Faeser, in satirischen Magazinen auch „DDR-Nancy“ genannt, weil ihre Konzepte des Staatsschutzes an die rigide Unterdrückung der Bürgerkritik im DDR-Staat erinnern. Letzte Schnapsidee der Ministerin ist es, die „Verhöhnung“ des Staates zu verbieten. Ihr Geheimdienstchef setzt das respektlose Sprechen über die Obrigkeit mit dem Versuch gleich, den Staat als Ganzes zu „delegitimieren“. Damit fällt der rezente Sozialdemokratismus hinter den Aufklärungsphilosophen Immanuel Kant zurück, der schon im 18. Jahrhundert das Recht des Bürgers, in seiner Freizeit über den Staat zu „räsonieren“, postuliert hat. Aber nicht nur die Meinungsfreiheit gefährdet „DDR-Nancy“ mit ihrer halbstarken Machtpolitik, sie vergiftet auch das gesellschaftliche Klima. Die Wirkungsweise dieser für Sozialdemokraten typischen rüpelhaften Politik beschreibt das „Diener-Narrativ“ von Max Scheler. Einem schlecht behandelten Diener, so Scheler, muss man zumindest die Möglichkeit geben, sich im „Vorgemach auszuschimpfen“. Dadurch verfällt er nicht in die „innere Giftigkeit“, die Hass und Ressentiments erzeugt. Wenn man ihm das Räsonnement untersagt und ihn quasi dazu zwingt „gute Miene zum bösen Spiel zu machen“, dann graben sich feindselige Affekte in seine Psyche ein, und er wird zu einem hasserfüllten und hinterhältig bösartigen Menschen. Die unsensible rüde Staatspolitik, die mit den Coronamaßnahmen und der sie begleitenden repressiven Diskurskultur nach einer Phase des Tauwetters und der Toleranz, in die europäische Politik Wiedereinzug gehalten hat, erreichte gerade in den letzten Tagen wieder neue Höhepunkte.
Vorausblick in die kommende Diktatur
Zuerst ein Beispiel aus Deutschland. In einer kleinen Stadt in Mecklenburg-Vorpommern hat ein Schuldirektor ein 16-jähriges Mädchen von drei Polizisten aus der Klasse holen und sie zu einer „Gefährderansprache“ ins Lehrerzimmer bringen lassen. Das Mädchen wurde, wie in einer mittelalterlichen Schandwagenfahrt zum Gerichtsplatz, vor aller Augen durch die ganze Schule geleitet. Was war ihr Vergehen? Sie hat sich in einem TikTok-Video über die Politik der Ampelregierung beschwert und Sympathien für die AfD zu erkennen gegeben. Offenbar breitet sich schon jetzt, obwohl die Faeser-Gesetze zur Unterdrückung der freien Meinungsäußerung noch gar nicht beschlossen sind, eine zivilgesellschaftliche Kultur aus, die wir aus allen totalitären Gesellschaften kennen, seien diese nun kommunistisch oder faschistisch, die Kultur der Bespitzelung, des Verrats und der systematischen Erniedrigung von Andersdenkenden, in der DDR nannte man sie Dissidenten. Das besondere Pech der Opfer des totalen „Nancy-Staates“ ist aber, dass sie nicht einmal, wie früher in der DDR, „rübermachen“ können, denn es gibt kein Drüben mehr. Alle gehören wir heute zu „Flinten-Uschis“ Europazone und wenn man da wegwill, reichen keine kurzen Wege mehr, die Flucht ist lang und beschwerlich, wie die der Afrikaner und Araber, die heute zu uns kommen. Vielleicht werden auch wir einmal mit dem Schlauchboot über die Meerenge zwischen Griechenland und der Türkei rudern, aber in die andere Richtung. Auch in Österreich gab es einen Vorfall, der uns einen Vorausblick in die kommende Diktatur der tobenden Selbstgerechten Hegels gewährt. In den Medien wurde, natürlich im Gestus der höchsten Empörung, darüber berichtet, dass Funktionäre der FPÖ und „Rääächts-Radikale“ bei einer Demonstration einen Kameramann eines Privat-TV-Senders gewalttätig angegangen wären. Es wurde gar so getan, als hätte der Parteichef Herbert Kickl diesen Übergriff höchstpersönlich angeordnet. Tatsächlich war es aber so, dass die FPÖ-Funktionäre sogar versucht haben, den Kameramann vor einer aufgebrachten Menge zu schützen, die deshalb so eskalierte, weil dieser seine Kamera als Waffe gegen einen alten Mann benutzte, der mit linksradikalen Gegendemonstranten die Diskussion gesucht hat. Die Fernsehbilder, die nun vorliegen, zeigen deutlich, wie der Kameramann seinem Gegenüber mit dem Objektiv seines Monstergerätes immer wieder ins Gesicht fährt, solange, bis der Mann stolpernd zurückweicht. Bis heute haben die Mainstreammedien diesen Skandal nicht an die Öffentlichkeit gebracht. Man kann das auch Lügen durch das Verschweigen von Tatsachen nennen. Übrigens scheint der Kameramann aus dem politischen Milieu der Antifa zu kommen. Stolz ließ er sich mit dem stramm linken Vorsitzenden der SPÖ, man nennt ihn hinter vorgehaltener Hand in der Partei den „österreichischen Jeremy Corbyn“, fotografieren. Es ist nicht unmöglich, dass die extreme Linke nun die Strategie fährt, die privaten TV-Sender zu unterwandern. Beim Staatsfernsehen ist das nicht mehr notwendig. Es ist ja schon seit Jahrzehnten ein Ort, an dem Kommunisten, Trotzkisten und Linkssozialisten unbehelligt ihrem Propagandageschäft nachgehen können.
Bürgerliche Mitte und FPÖ-Lager auf dem Rückzug in das Privatleben
Während viele Linke schon jetzt triumphieren und fix davon ausgehen, dass die Medien und die Links-Parteien den „braunen Kickl“ und die „Huren-Partei der Reichen“ noch vor den Wahlen mit Hilfe der üblichen Skandalpropaganda fertig machen werden, sind alle, die der bürgerlichen Mitte oder dem FPÖ-Lager zuneigen, pessimistisch und auf dem Rückzug ins Privatleben. Sie haben Angst um die Familie und ihren Job. Und tatsächlich hat schon längst für jene eine bleierne Zeit begonnen, die sich nicht für bigotte Sprechverbote, Regenbogenflaggen, Debatten über Unisextoiletten, das ekstatische Trommeln der Omas gegen rechts, die Sprengung von Stromleitungen zum Tesla-Werk oder die Einladung aller Flüchtlinge der Welt nach Europa öffentlich ereifern. Zudem ist es deprimierend, wenn man sich tagtäglich mit vulgären Anwürfen, aufgestochenen Reifen, beschmierten Hausfassaden und hinterhältigen Denunziationen am Arbeitsplatz herumzuschlagen hat. Bürgerliche und rechte Parteien haben den Linken wenig entgegenzusetzen, weil sie einerseits strukturell benachteiligt sind, so sitzen in den Schulen, Medien und der öffentlichen Verwaltung überwiegend geschickt eingeschleuste Linke, und andererseits auch ein Energiedefizit haben. Denn nichts bringt so viel dynamisches Handeln und Fanatismus hervor, wie ein destruktiver Charakter, der durch Selbstunterdrückung entstanden ist. Die Linken müssen sich heute selbst in ein kleinbürgerliches Leben des Triebverzichts, der Verdrängung und eine lustlose, konformistische Diskursordnung hineinzwingen. Schon Erich Fromm hat festgestellt, dass wer dazu gezwungen wird, mehr zu unterdrücken, als er verdrängen kann, neurotisch wird. Ein Schuldirektor, der eine 16-Jährige wegen eines Meinungsvergehens von der Polizei abholen lässt, der Kameramann, der auf einen Opa mit seinem Arbeitsgerät losgeht und Staatsjournalisten, die gegen jeden geifern, der nicht ihrer Meinung ist, sind neurotisch gewordene Opfer ihrer überwertigen Selbstdisziplin. Von der Neurose getrieben, springen sie allen ins Gesicht, die nicht so beschädigt sind wie sie selbst. Denn diese Lemminge hassen alle Menschen, die ihnen frei erscheinen. Weil diese so sind, wie sie nicht zu sein vermögen, bekämpfen sie sie wütend mit all der toxischen Energie, die sich in ihnen über viele Jahre des Verzichts und der Selbstunterdrückung aufgestaut hat. Wie einst gegen die monströse Kreuzzugsbewegung, gibt es gegen verbissene linke Fanatiker wenig zu gewinnen. Das wissen viele und halten lieber die Füße still und die Klappe geschlossen und warten darauf, dass sich die Stürme des Wahnsinns wieder legen.
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