Christian Klar: Wie viel Sexualkunde braucht es in der Volksschule?
Erotikszenen aus einem Sexfilm und richtiges Anlegen von Kondomen in der Volksschule, dazu Kondome mit Geschmack, damit es besser schmeckt, wenn man den Penis in den Mund nimmt. So soll der Sexualkundeunterricht in einer Volksschule in Oberösterreich ausgesehen haben. Ein darauf eingeleitetes Disziplinarverfahren wurde eingestellt. Soweit die Fakten laut Medien.
Ohne den Fall genau zu kennen, sollte man vorsichtig mit Anschuldigungen und Verurteilungen sein, es ist jedoch eine Gelegenheit, sich zu fragen, wie viel Sexualaufklärung es in der Volksschule braucht. Was findet man dazu im Lehrplan der Volksschule?
„…sich seiner eigenen Neigungen, Fähigkeiten und Schwächen bewusst werden…
…kindliche Wahrnehmungen und Erlebnisse (wie Schwangerschaft, Geburt, Partnerschaft, Nacktsein) sowie die damit verbundenen Gefühle und sozialen Erlebnisse besprechen und reflektieren…
…gegenüber Sexualtätern schützende und rettende Verhaltensweisen kennenlernen…
…elementares Wissen und eine positive Einstellung zur menschlichen Sexualität anbahnen…
…Informationen über die menschliche Sexualität gewinnen: Geschlechtsunterschiede von Mädchen und Buben, Frau und Mann, Liebe und Partnerschaft zwischen Mann und Frau, die Tatsache der Elternschaft (Mutterschaft, Vaterschaft)…“
Man findet also nicht viel, Schwerpunkt scheint dieses Thema in der Volksschule nicht zu sein, ganz ausgelassen wird es jedoch auch nicht. Beides finde ich gut.
Zurück zum konkreten Fall:
Erotikfilme haben eine gesetzliche Mindestaltersgrenze, diese ist in der Schule unbedingt einzuhalten. Dazu ein viel harmloserer Fall aus meiner Schule: Eine Lehrerin fragte mich, ob sie sich mit einer dritten Klasse (Mittelschule, Kinder zwischen 12 und 14) „Fuck you Goethe“ ansehen könne, obwohl der Film erst ab vierzehn Jahren freigegeben sei. Neben der Frage nach dem pädagogischen Mehrwert eines “Klamaukfilms” lehnte ich dies mit dem Hinweis auf die Altersgrenze ab. Konkrete sexuelle Aufklärung ist offenbar in der Volksschule nicht vorgesehen, Erklärungen über Verhütung und sexuelle Praktiken logischerweise nicht notwendig, da es auch für Sex und Geschlechtsverkehr gesetzliche Mindestaltersgrenzen gibt, über die sich die Schule als öffentliche Einrichtung nicht hinwegsetzen darf. Hier hätte also der schlichte Hinweis „dazu seid ihr noch zu jung“ genügt, um das Thema abzuschließen.
Interessant finde ich, dass es im Lehrplan weder Hinweise auf mehr als zwei Geschlechter noch auf die Möglichkeit von Geschlechtsumwandlungen gibt. Ohne hier eine generelle Diskussion über diese Themen führen zu wollen: Im Lehrplan der Volksschule ist darüber nichts zu finden, es hat also in der Volksschule keinen Platz, ist nicht altersadäquat. Weder die Buchung von externen Sexual- bzw. Aufklärungsworkshops noch die Behandlung im Unterricht durch die Lehrperson entspricht also den Lehrplanvorgaben.
Fassen wir zusammen:
In der Volksschule sollte sich der Sexualunterricht auf die biologische Unterscheidung zwischen Mann und Frau, Schwangerschaft und Geburt, sowie ein Rüstzeug, um sich gegenüber sexuellen Übergriffen schützen zu können, beschränkt sein. Alles Weitere hat später noch genug Raum, sobald die Kinder ein entsprechendes Alter erreicht haben. Das ist richtig und gut, alle Volksschulen des Landes und deren Lehrpersonen sollten sich daran halten.
INFO
Christian Klar (61) ist Schuldirektor in Wien
– Lehrer in verschiedenen Schulen
(Hauptschule, jüdische Privatmittelschule, Polytechnische Schule, Pädagogische Hochschule)
– Seit elf Jahren Schulleiter einer öffentlichen Wiener Mittelschule („Brennpunktschule“)
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