Christian Ortner: Wo Trump recht hat, hat er recht.
Wir Europäer reagieren oft wie trotzige kleine Kinder auf Kritik aus den USA, ganz besonders, wenn der Kritiker Donald Trump heißt. Klüger wäre es, die Kritik dort ernst zu nehmen, wo sie berechtigt ist, also etwa bei der Migration, der Wirtschafts- oder Energiepolitik, und ganz besonders bei der ganzen Öko-Obsession, findet exxpress-Kolumnist Christian Ortner.
Donald Trump wird von den allermeisten europäischen Medien abwechselnd als Möchtegerndiktator, Vollidiot oder Raffzahn dargestellt, der jedenfalls und ganz besonders für Europa mehr Teil des Problems als der Lösung ist.
Nun gibt es ja tatsächlich einiges, das man an der Politik, aber auch am Stil und der Wortwahl des gegenwärtigen US-Präsidenten durchaus kritisieren kann. Dass Trump aber von den Europäern dermaßen dämonisiert, verachtet und verhöhnt wird, hängt meiner Meinung nach nicht zuletzt damit zusammen, dass er dem alten Kontinent und seinen Bewohnern einen Spiegel vorhält, in dem sie plötzlich ihr eigenes Versagen in vielen existenziellen Fragen erblicken, von der Migrationspolitik über die Sicherheitspolitik bis hin zu einer nicht nachhaltigen Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Trump adressiert diese Schwächen ungeniert, ohne jegliche diplomatischen Formulierungen und immer wieder auch durchaus derb.
Klar, so etwas hört niemand gerne.
Nein, der Bote ist nicht schuld
Nur leider verschwinden diese Defizite Europas nicht, indem man in bewährter Weise den Überbringer der schlechten Nachricht, diesfalls also Trump, dafür attackiert.
Genau das haben wir aber gesehen, nachdem der Präsident Anfang Dezember die neue Sicherheitsstrategie der USA öffentlich machte. Darin war, gerade was Europa betrifft, sehr viel unangenehm Wahres zu lesen, wie etwa: „Kontinentaleuropa verliert seit Jahren an Anteil am globalen BIP – von 25 Prozent im Jahr 1990 auf heute 14 Prozent –, teilweise aufgrund nationaler und supranationaler Regulierungen, die Kreativität und Fleiß untergraben.“
Oder: „Doch dieser wirtschaftliche Niedergang wird von der realen und deutlich sichtbarer werdenden Aussicht einer zivilisatorischen Auslöschung überschattet. Die größeren Herausforderungen für Europa umfassen Tätigkeiten der Europäischen Union und anderer transnationaler Institutionen, die politische Freiheit und Souveränität unterminieren, Migrationspolitiken, die den Kontinent verwandeln und Konflikte erzeugen, Zensur der freien Meinungsäußerung und Unterdrückung politischer Opposition, einbrechende Geburtenraten sowie den Verlust nationaler Identitäten und Selbstsicherheit.
Sollten sich die derzeitigen Trends fortsetzen, wird der Kontinent in zwanzig Jahren oder weniger nicht mehr wiederzuerkennen sein.“
Oder: „Wir wollen, dass Europa europäisch bleibt, sein zivilisatorisches Selbstvertrauen zurückgewinnt und seinen gescheiterten Fokus auf regulatorische Erstickung aufgibt.“
Ein Kontinent ist falsch abgebogen
Leider ist vielen, allzu vielen Europäern noch immer nicht bewusst, wie sehr sie sich in den letzten Jahrzehnten selbst ins Knie geschossen haben, indem sie eine in vielerlei Hinsicht selbstschädigende Politik gewählt haben, die zu den in der US-Sicherheitsstrategie aufgelisteten Problemen geführt hat.
Wenn etwa im Jahr 2008 die Wirtschaftsleistungen der USA und der EU nahezu gleich waren, die Amerikaner aber heute um ein Drittel mehr als die Union produzieren, dann ist das nicht schicksalhaft, sondern Folge falscher politischer Weichenstellung; Stichwort Überregulierung, Green Deal, Steuer-Horror. Eine Entwicklung, die sich noch beschleunigen wird, denn Europa hat in keiner der wichtigen Zukunftstechnologien besonders gute Leistungen vorzuweisen, von der Raumfahrt über autonome Autos bis hin zur künstlichen Intelligenz. Marktführer sind wir leider bloß noch in moralisierendem Hochmut, Besserwisserei und Wohlstandsverwahrlosung.
Und dass Europa infolge einer völlig perversen, gegen die eigenen Interessen gerichteten Migrationspolitik die „zivilisatorische Auslöschung“ droht, mag eine etwas zugespitzte Formulierung sein, ist aber deswegen inhaltlich nicht so falsch. Gerade die Weihnachtszeit zeigt augenscheinlich, wie sehr sich die europäische Zivilisation von dem entfernt, was sie einmal war: Denn weder der Umbau der Weihnachtsmärkte zu Hochsicherheitszonen, die israelfeindlichen Kundgebungen und Demos rund um diese Märkte, der um sich greifende Antisemitismus im öffentlichen Leben noch die immer wieder publik werdenden Anschlagspläne sind ja nicht wirklich Teil der „europäischen Zivilisation“ und ihren christlich-jüdischen Wurzeln.
Der Kontinent der Heulsusen
Und was bitte soll falsch daran sein, wenn die USA wollen, „dass Europa europäisch bleibt, sein zivilisatorisches Selbstvertrauen zurückgewinnt und seinen gescheiterten Fokus auf regulatorische Erstickung aufgibt“?
Dass Europa der Tod durch regulatorische Erstickung droht, ist auch in Europa eine Binsenweisheit, die von niemandem bestritten wird, der einigermaßen klar bei Verstand ist. Eine Binsenweisheit, die nur leider nicht dadurch falsch wird, dass Donald Trump das auch so sieht.
Erwartungsgemäß reagierten die Spitzen Europas auf die Kritik aus Washington wie ein trotziges kleines Kind, dem ein Erwachsener sagt, es möge jetzt bitte seine Schuhe zubinden, die Jacke anziehen und die Fäustlinge überziehen, bevor es in die Kälte hinausläuft. „Wir verbitten uns jedwede Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten“, lautete der Tenor des vielstimmigen empörten Gackerns aus dem Brüsseler Hühnerstall.
Den richtigen Ton hingegen fand, wie so oft, die Neue Zürcher Zeitung, indem sie in Bezug auf Europa schrieb: „Statt nur darüber zu jammern, was die Amerikaner falsch machen, könnte sich der Kontinent der Heulsusen überlegen, was er selbst besser macht.“
Ein guter Vorsatz für 2026, den sich jetzt nur noch eine der Heulsusen aneignen muss. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
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