Daniela Holzinger: Die Mitte verschwindet
Der differenzierte Diskurs stirbt aus, kritisiert eXXpress-Kolumnistin Daniela Holzinger-Vogtenhuber. Genehm ist nur noch, was ins eigene Weltbild passt.
Nach 13 Jahren Politik, sechs davon im Nationalrat, bin ich einiges gewöhnt. Das emotionale Auf und Ab, die Leute, die dich am einen Tag als Heldin feiern und am nächsten als Verräterin – sozial medial – hinrichten.
Mit der Zeit wird man da unempfindlich. Muss man sogar.
Gelingt es nicht, sich emotional abzukoppeln, endet man als Süchtige am Tropf der Twitter-Blase und des Facebook-Mobs. Unfähig eine eigene Meinung zu formulieren – geschweige denn eine eigene Politik zu verfolgen. Das aber habe ich mir immer herausgenommen – meinen eigenen Weg zu gehen.
Den Stein aus der koalitionären Mauer herauszubrechen und damit den Weg frei für echte parlamentarische Kontrollrechte – Stichwort Minderheitenrecht U-Ausschuss – zu machen, beispielsweise. Aber nicht nur das, gemeinsam mit der Opposition habe ich für eine ausreichende Dotierung im Bildungsbereich gekämpft und dagegen gestimmt, als SPÖ und ÖVP beschlossen hatten, hier geborene Kinder in das Land ihrer Eltern abzuschieben. Von den Linken wurde ich dafür gefeiert, zur Revolutionsführerin erkoren. Bald, bald sollte der Sozialismus, die Diktatur des Proletariats, einkehren. Mit mir an der Spitze.
Dann aber kam doch alles anders. Ich habe mir erlaubt, die Entscheidung meines Ex-Genossen LH a.D. Hans Niessl, der mit der FPÖ koalierte, als taktisch klug zu bezeichnen und die Vranitzky-Doktrin als roten Sargnagel. Auch heute sehe ich das noch so. Denn wer seine Karten immer offen vor sich herträgt, der kann natürlich kein Spiel gewinnen – gemeint: den Koalitionspoker. Und wer 30 Jahre hindurch verliert, verliert am Ende alles. Heute sind wir ja fast so weit.
Blutverdünner Ibiza, Herzschrittmacher Corona-Pandemie, die alte Dame-SPÖ läge sonst wahrscheinlich schon in den letzten Zügen….
Aber gut, lange Rede kurzer Sinn. Die Linken nagelten mich ans Kreuz.
Ich müsse das sofort zurücknehmen, wie könne man so etwas sagen, die FPÖ, Pfui und Teufel. Ketzerei! Scheiterhaufen. Und dann auch noch meine Stimme fürs Verbot des islamfaschistischen Kopftuchs.
Meine Ikone würde am 1. Mai also keiner mehr hochhalten. So viel war klar.
Mir aber mittlerweile egal. Ich hab mein Ding durchgezogen. So wie auch Niessl und Doskozil, die damit den Grundstein für die heutige SP-Absolute im Grenzland des Ostens legten.
Und jetzt, nach der hohen Politik?
Der Einfall mit dem Trojanischen Pferd. Ein Facebook-Video, wie für Impfgegner gemacht und am Ende doch genau das Gegenteil. Mit über 5000 Kommentaren und fast 5000-mal geteilt, ging auch ich viral. Meine kleine private Pandemie. Die Linken feierten mich plötzlich wieder – „jaaaa super Dani“ – die Rechten Impfgegner genauso. Zumindest so lange bis sie mehr als nur die Überschrift gelesen und mehr als nur den ersten Satz gehört hatten. Dann hieß es schon wieder „Geh doch in Orsch“.
"Rette sich wer kann, der Shitstorm rollt an."
Es hört also nicht auf. Sobald man die Bühne betritt, fliegen Tomaten hoch und Hackln tief. Einmal von Links, einmal von Rechts, in der Mitte gibt’s nichts mehr. Der differenzierte Diskurs stirbt aus. Fakten: Irrelevant. Inhalt: Sekundär. Überschriften: Ausreichend, um zu wissen, was sich angenehm ins eigene Weltbild schmiegt.
Gut. Und jetzt schreibe ich eine Kolumne im eXXpress. Rette sich wer kann, der Shitstorm rollt an. Ich werde darin baden.
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