Daniela Holzinger: Neuwahlen oder eh wurscht?
Warum der Ruf nach Neuwahlen verständlich ist, dem Land in der aktuellen Situation aber nichts bringt und was es stattdessen dringend brauchen würde, erklärt eXXpress Kolumnistin Daniela Holzinger.
Pah – schaut man einmal nicht hin, sind schon wieder zwei Ministerinnen weg.
Überhaupt scheint es mehr Sinn zu machen die Regierungsbüros mit Drehtüren auszustatten, als sich Namen, Gesichter und – Gott bewahre! – die Ressorts der Neuen zu merken. Wozu auch?
Zwei Kanzler, neun MinisterInnen und eine Staatssekretärin – geholt, getauscht, gegangen und das in nur zwei Jahren! Zieht man die 100 Tage Schonfrist und das Sommerloch ab, blieb den meisten wohl kaum Zeit sich ihr Büro ordentlich einzurichten. Aber klar, Kurz „musste weg“, die Aschbacher entschied sich, obwohl „nicht einverstanden, dann doch zu rollen“, Blümel war es beim Finanzministern ohne den Sebastian zu langweilig, der Lunacek hatten die Staatskünstler einmal zu oft ins Buffet gespuckt, Rudi wollte statt Krise managen, dann doch lieber Buch schreiben – übers Krise Managen – und dem Fassmann wurde wahrscheinlich einfach sein Büro zu klein.
Ja und jetzt haben auch noch Margarete und die Elli den Hut draufgehauen.
Vielleicht weil sie endlich auf den lässigen Managerinnen-Job im Silicon Valley gebucht wurden oder doch einfach nur um VP-Trümmerfrau Nehammer den Neustart etwas zu vermiesen. So freudestrahlend und dankbar wie sich Frau Köstinger zeigte, ihr Ministerium endlich los zu sein, tippe ich auf beides.
Das Neuwahlgespenst
Kein Wunder also, dass man sich in den Reihen der Opposition mit Neuwahl-Forderungen überschlägt: „Das Volk müsse endlich die Möglichkeit erhalten für stabile Verhältnisse zu sorgen“, erklärte Wiens SP-Strippenzieher Ludwig und meinte wohl, „jetzt würden‘s uns sogar die Pam wählen.“
Bei den Freiheitlichen sieht man überhaupt den Bundespräsidenten in der Ziehung: „VdB müsse dem jämmerlichen ÖVP-Schauspiel ein Ende setzen,“ fordert Obmann Kickl, während der blaue General selbstkritisch anmerkt, dass die Regierung ihre „Krisenuntauglichkeit“ bewiesen habe.
Pah, als ob die FPÖ Regierungskrisen für sich gepachtet hätte! Ich meine Knittelfeld war gut und Ibiza sowieso der Oberhammer österreichischer Innenpolitik, aber wenn Schnedlitz bei den Fakten bleibt, dann muss er sich ganz einfach eingestehen, Türkis-Grüne Chaostage sind auch nicht ohne.
Cui bono?
Aber Scherz beiseite und ganz ehrlich: Was und vor allem wem nützen Neuwahlen? Cui bono? Und das meine ich jetzt ganz unironisch. Wem nützen sie?
Wird „heute“ gewählt macht die SPÖ Platz Eins (28%) und PRW wird Anspruch auf die Kanzlerinnenschaft stellen. Mit wem sie allerdings koalieren soll, steht in den Sternen. Ein Tandem ginge sich maximal mit der geschlagenen Volkspartei aus (24%), die es wohl machen würde, aber auf die gute alte Art. Mit Hackln tief und sehr viel „das habt ihr jetzt davon!“. Stabil geht definitiv anders.
Ich meine, gab‘s da nicht mal einen jungen Mann, dessen Predigten vom neuen Stil und einer neuen Politik abseits trister Rot-Schwarzer-Zwangsehen, ihn in messianisch lichte Höhen katapultierten?
Also, back to the roots? Statt Messias, lieber „the devil I know”? Das geht nicht lange gut.
Auch ein realer Dreier ist, mal ganz abgesehen von der Stabilitätsfrage, unwahrscheinlich. Rot und Blau verträgt sich nicht. Den Kogler-Grünen ist mittlerweile zwar alles wurscht, die würden‘s nach heutigem Stand vielleicht sogar machen. Aber dann fehlt immer noch was und Blau-Grün-Türkis? Da können sie gleich so weitermachen und sich den Kickl schenken.
Mit 11% neos geht sich auch nix aus, schon gar nicht mit Blau, da können die nicht drüber. Bleibt noch die MFG – möglicherweise. Würde im Herbst, rechtzeitig zum Beginn der 25. Corona-Welle gewählt, könnte sich ihr Einzug vielleicht noch ausgehen, aber Rolle spielen die sowieso keine. Cui bono? Demnach: Blau und Rot, so wie sie aktuell nach Neuwahlen rufen. Die einen schielen auf Platz Eins (und das Jammertal der Regierungsbildung), die anderen auf ein kleines Plus und die Trendumkehr nach Ibiza. Fürs Land und seine Menschen hießen Neuwahlen aber, außer Spesen nix gewesen.
Ist Österreich unregierbar?
Doch was soll das heißen, ist unser Land unregierbar und bringt wählen wirklich nichts?
Jetzt, da man uns in internationalen Demokratierankings gerade zur „Wahldemokratie“ zurückstufte, wäre letzteres ein noch tieferer Schlag in die Schnitzelgrube.
First things first: Unsere Alpenrepublik ist natürlich regierbar, nur machen das nicht die Parteien, die wir teuer für ihre Show bezahlen, sondern in Wahrheit ein Heer an Beamten. Sie sorgen dafür, dass es einigermaßen rund läuft. Wäre dem nicht so, man hätte als Bürger wohl irgendetwas von all dem politischen Tam-Tam mitbekommen. Ich meine, so richtig mitbekommen. Mit Mülltonnen, die nicht geleert werden, Bussen, die nicht fahren, Löhnen im öffentlichen Dienst, die nicht gezahlt werden usw.
All das ist aber nicht passiert und wie eingangs angemerkt, gäb‘s keine Medien, man würde nicht einmal einen Regierungswechsel spüren – so „enormen“ Einfluss hat die Politik auf unser reales Leben.
Ein Beispiel: Der einzige sichtbare Unterschied beim Wechsel von Türkis-Blau auf Türkis-Grün, war das Abmontieren von 140km/h-Schildern auf der Westautobahn. Punkt. Und das, obwohl beide Seiten vom Weltuntergang reden, würde die jeweils andere regieren…
Doch bevor jetzt jemand hergeht und sagt: „Die Holzinger ist demokratiefeindlich und sagt, wählen bringt nix“ Halt! Wahlen sind wichtig, enorm wichtig. Zumindest theoretisch könnten wir nämlich was ändern! Viel wichtiger als jetzt aber eine sinnlose vorgezogene Wahl mit absehbar suboptimalem Ausgang vom Zaun zu brechen und das Land inmitten multipler Krisen erneut zu blockieren, wäre es dringend angeraten, endlich einen neuen „Österreich-Konvent“ zu starten um notwendige, tiefgreifende Reformen anzugehen: Minderheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht für klare Entscheidungen und Verhältnisse + Stärkung der direkten Demokratie als Korrektiv etwa.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Parteienförderung halbiert gehört!
Kommentare