Daniela Holzinger: Videofalle - warum die ÖVP Nehammer jetzt halten muss
Man tut sich schon schwer dieser Tage. Roter-Widmungsskandal am Badeteich, Freiheitlicher Freundschaftsbesuch bei den Taliban, Strategiepapiere und U-Ausschussanschläge die „versehentlich“ verschickt werden und als Krönung des Ganzen – das Nehammer Video. eXXpress Kolumnistin Daniela Holzinger über eine Spitzenpolitik im Mad-Max Modus.
“In a not too distant future, there will only be mad men”, heißts im Trailer des 1979er brutalo-Klassikers „MadMax“. Einer dystopischen Vision des gesellschaftlichen Zerfalls. Marodierende Banden und Wild-West-Gesetzeshüter zerlegen im PS-starken Schlagabtausch, was auch immer ihnen in die Quere kommt.
Innenpolitisch scheinen wir jetzt endgültig in dieser „nicht allzu weit entfernten Zukunft“ angekommen zu sein.
Allein in den letzten beiden Wochen gabs den roten-Widmungsskandal am Badeteich, ein freiheitliches Handshake mit Taliban-Schlächtern, es wurden geheime Strategiepapiere an hunderte Empfänger verschickt, dann noch koalitionsinterne U-Ausschuss-Bomben gezündet und last but not least, blamierte sich und uns der Kanzler beim Kamingespräch mit „gelernten ÖVP-lern“.
Warum nur tun sie uns das an? Liebe Spitzenpolitiker, liebe Parteichefs, liebe Abgeordnete, Hobbyspekulanten und bettflüchtige Politpensionisten (und -innen).
Tauscht doch bitte – zumindest für eine Woche – den Feuerstuhl mit dem Schaukelstuhl. Lasst mal fünfe gerade sein. Greifts nix an. Habt kein schlechtes Gewissen wegen den 10 oder 20-Tausendern, die man euch monatlich aus der Staatskasse überweist. Aber bitte, bitte hörts auf unser Land lächerlich zu machen. Können wir uns darauf einigen?
Burgergate und Nehammers letzte Aufgabe
Aber gut, das ist Geschichte. Jetzt geht’s darum, was die Zukunft bringt und vor allem die des Noch-Kanzlers dürfte da am seidenen Faden hängen. Nicht aber, weil der in weinseliger Runde über Frauen und allgemein Menschen herzieht, die es im Leben schwerer haben. Nicht weil er fragwürdigste Ernährungstipps in die geifernde Runde türkiser-Leistungsträger wirft. Auch nicht wegen seiner abgesoffenen „Österreich 2030“ Kampagne, dem abnormalen Versuch eine mehr als skurrile Normalitätsdebatte vom Zaun zu brechen oder wegen fortgesetztem Regierungsversagen im Kampf gegen die Teuerung.
Bei Mr. 100% geht’s um alles und um alles zusammen. Denn was immer er angreift, bleibt irgendwie komisch. Hat einen befremdlichen Beigeschmack. Schau ich mir das Video an – ich glaube bis auf Werner Kogler dürfte es jeder kennen – dann kommen da bei mir ganz viele unterschiedliche Gedanken und Emotionen auf. Eines aber steht über allem drüber: „Ich möchte wirklich nicht in diesem Raum sein“.
Obwohl – wie der BK selbst sagt – da lauter Parteifreunde vulgo „leidensfähige gelernte ÖVPler“ zusammenstehen, ein Gläschen heben und vermeintlich gemütlich auf Augenhöhe plaudern, kann man sich der Aggressivität und negativen Spannung nicht entziehen.
Für einen Parteichef ist das nicht optimal, für einen Kanzler und potenziellen Spitzenkandidaten aber vernichtend. Der nämlich, muss in der Lage sein genau das Gegenteil zu erreichen: Er muss Menschen ermutigen, für die positive Vision einer besseren Zukunft motivieren und sie lächelnd einladen ein Stück des Weges mit ihm zu gehen. In seiner Umgebung muss man sich wohl fühlen, wertgeschätzt fühlen. Mit zusammengebissenen Zähnen geht sich das aber nicht aus.
Nehammer selbst redet davon „die besseren Argumente“ auf seiner Seite zu haben, nicht jedoch die „Emotionen“. Genau so gut, könnte er auch sagen: „Leute, mit mir werdet ihr diese Wahl verlieren“. Und weil die Volkspartei natürlich genug Strategen in ihren Reihen hat, die das ganz genauso sehen stellt sich nur noch eine Frage:
Warum hält die ÖVP am Kanzler fest?
Aus meiner Sicht scheint das alles eine Frage des Timings zu sein. Bleibts beim regulären Wahltermin im Herbst nächsten Jahres, dann kommt ein erneuter Wechsel an der Regierungsspitze jetzt ganz einfach nicht in Frage. Der (möglicherweise ja die) Neue müsste sich freiwillig den Kanzler-Malus umhängen. Würde verantwortlich gemacht für all das, was der amtierenden Regierung vorgeworfen wird, ohne Chancen die Energien und Hoffnungen eines Neubeginns in die Wahlbewegung hinüberzuretten. Genau deshalb hatte es Sebastian Kurz vermieden, Reinhold Mitterlehner als Vizekanzler nachzufolgen.
Auch könnte in den Reihen des handzahmen grünen Koalitionspartners die Idee aufkeimen einen aufgelegten Elfer zu versenken. Würden Kogler und Co. bei einem allfälligen Nehammer-Rücktritt das Land in Neuwahlen schicken, ließe sich ein Teil der verlorenen Glaubwürdigkeit („Wen würde der Anstand wählen?“) wohl wieder restaurieren…
Lange Rede kurzer Sinn. Sehr wahrscheinlich wird der/die zukünftige ÖVP-Spitzenkandidatin nicht Nehammer heißen, der Wechsel jedoch erst kurz vor Beginn des Wahlkampfes stattfinden. Bis dahin bleibt der Amtierende. Prügelknabe – soll ein- und wegstecken was kommt und dem/der Neuen eine saubere Bühne hinterlassen.
Mein Tipp: Laura Sachslehner steht auf der Shortlist.
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