Daniela Holzinger: Wachsen oder weichen – warum das Volk zu Recht begehrt!
Lebensmittel werden immer mehr, schneller und billiger produziert, unter Bedingungen die Menschen, Tieren aber auch dem Klima kaum mehr zumutbar sind. Dennoch lässt der dringend notwendige Wandel auf sich warten, wie eXXpress Kolumnistin Daniela Holzinger meint.
Wenn ich an meine Zeit als Abgeordnete und Tierschutzsprecherin zurückdenke, dann oft mit gemischten Gefühlen. Denn einerseits war es natürlich eine großartige Aufgabe und Bereicherung, so vielen wichtigen Anliegen eine Stimme geben und sich für sie einsetzen zu können. Andererseits habe ich aber auch unschöne Erfahrungen mit einem System machen müssen, das vielfach der gemeinsamen und konstruktiven Arbeit für unser Land im Wege steht.
Die gegenwärtige Agrarpolitik zeigt dabei gut, was ich meine.
Wachsen oder weichen.
Im Schnitt sperren rund 4000 österreichische Bauernhöfe zu, jedes Jahr, seit mehr als 50 Jahren. Die Hälfte der Betriebe ist damit bis heute verschwunden – doch auch beim Rest stellt sich jeden Tag die Frage: Wachsen oder weichen?
So hat die Politik für unsere Landwirte Rahmenbedingungen geschaffen, die sie dazu zwingen, immer mehr, schneller und billiger zu produzieren. Wer da nicht mithalten kann, fliegt.
Und bis es so weit ist, leiden Mensch, Tier und Umwelt, wie ich beim Besuch eines Bio-Schweinemastbetriebes in Perg/ OÖ aus erster Hand erfuhr.
Masse statt Klasse und zurück.
Bevor auf Bio-Haltung umgestellt wurde, war die Landwirtschaft nur Nebenerwerb. Obwohl fast doppelt so viele Schweine auf Vollspaltenboden und engstem Raum gehalten wurden, musste der Bauer nebenbei noch arbeiten gehen, damit das Einkommen unterm Strich stimmte. Um seine Tiere kümmerte sich der Futterautomat, der unablässig Gen-Soja aus dem Regenwald in die Tröge pumpte, während Kot und Urin durch den perforierten Boden direkt in die darunterliegende Jauchegrube fielen.
Das Ergebnis waren verängstigte, gestresste und kranke Tiere, die ihr kurzes Leben in, nach Ammoniak stinkenden, kahlen Betonbuchten verbrachten und letztlich nur noch in der Masse Profit abwarfen. Diesen Stall für den täglich notwendigen Kontrollgang betreten zu müssen, das sei dementsprechend auch kein schönes Gefühl gewesen, wie mir die Bauersleute erzählten.
Seit der Umstellung auf Bio-Haltung wäre das aber ganz anders. Die Arbeit mit sichtlich gesunden und glücklichen Tieren würde Spaß machen und auch der Stolz aufs Bauer-Sein sowie auf die eigenen, hochwertigen Produkte sei zurück.
Der höhere Preis den Bio-Fleisch am Markt erzielt, sichere zudem, selbst mit weniger Tieren und höherem Aufwand, ein faires bäuerliches Einkommen. Nebenbei noch auswärts zu arbeiten ist nicht mehr notwendig. Stattdessen freut man sich Besuchern die Tiere zeigen zu dürfen und sie im eigenen Hofladen willkommen zu heißen.
Initiativen kontra Lobbys
Kein Wunder also, dass sich immer mehr Menschen, Bäuerinnen und Bauern wie auch Konsumentinnen und Konsumenten, für einen nachhaltigeren Umgang mit unseren Ressourcen, gerade im Bereich der Landwirtschaft, stark machen. Was nicht zuletzt auch der Blick auf aktuell zur Unterzeichnung aufliegende Volksbegehren zeigt: Man will einen „Stopp von Lebendtier-Transportqualen“, fordert die „Umsetzung der Lebensmittelherkunftskennzeichnung“ zur Förderung regionaler Produktion und macht sich stark für „Lebensmittelrettung statt Lebensmittelverschwendung“.
Allein die Politik dürfte immer noch nicht verstanden haben, dass hier ein positiver Wandel dringend geboten ist, ansonsten würden nicht ständig die Argumente der Lobbies wiedergekaut und jeder Fortschritt auf die lange Bank geschoben.
EU-Recht und der falsche Wettbewerb.
Ein wichtiges Totschlagargument dabei: Der EU-Binnenmarkt und die geltenden Wettbewerbsregeln. Sie würden beispielsweise die Kennzeichnung heimischer landwirtschaftlicher Produkte ganz oder teilweise verunmöglichen, weil die nationalstaatliche Herkunft nichts über die Qualität aussage, dafür aber den Wettbewerb verzerre. Aber ist das tatsächlich so?
Macht das echt keinen Unterschied, wenn die polnische Pute mit doppelter Besatzdichte, vierfachem Antibiotikaeinsatz aber halbem Preis auf unseren Tellern landet? Oder wenn trotz Verbot von Käfighaltung täglich 1,8 Mio. Käfigeier nach Österreich importiert und verarbeitet werden? Und wem nützen Gesetze, die dafür sorgen, dass der Konsument von alledem nichts mitbekommt, weil man etwa die Herkunft nicht ausweisen muss?
Hilfts dem Weltklima, wenn allein Österreich jedes Jahr 180.000t Schweinefleisch importiert, gleichzeitig aber fast 230.000t exportiert? Oder funktioniert unser System ausreichend gut, wenn jedes Jahr 40.000t tierischer Produkte sinnlos weggeworfen werden?
Ich meine, gemeinsame Regeln und ein gemeinsamer Markt, das macht Sinn, aber lasst uns die Rahmenbedingungen doch bitte so gestalten, dass wir uns und unsere Umwelt damit nicht ruinieren. So und jetzt unterschreib ich ein paar Volksbegehren…
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