Seit Jahren beobachten wir hierzulande eine gefährliche Umdeutung des Kopftuchs. Aus einem Symbol der Unterdrückung von Frauen und des politischen Islams wird seitens einiger Feministinnen immer öfter ein Symbol der Selbstbestimmung und Wahlfreiheit gemacht. Beinahe wird das Kopftuch schon als angesagtes Modeaccessoire inszeniert. Noch perfider ist die jüngste Umdeutung einiger Forscher im Zusammenhang mit der brutalen und lebensbedrohlichen weiblichen Genitalverstümmelung. Auch hier sprechen nun augenscheinlich links ausgerichtete Wissenschaftler von kultureller Praxis, die man von einem europäischen Standpunkt aus nicht einfach so verteufeln dürfe.

Von Verstümmelung zu „genitaler Praxis“

25 Autoren – darunter Soziologen, Psychologen, Kultur- und Sozialanthropologen sowie Philosophen – kritisieren in einem Bericht im „Journal of Medical Ethics“ das Verbot weiblicher Genitalverstümmelung. Sie fordern einen neuen Blick auf die sogenannte „Vielfalt der Praktiken und Erfahrungen“ bei dieser Form kultureller Gewalt an Frauen. Die Autoren kritisieren den westlichen Blick als „rassistisch“ und „stigmatisierend“. Ihrer Meinung nach wirkt er vor allem überheblich und ignoriert die kulturellen Hintergründe dieser „Beschneidung“. Der Westen würde damit seine eigene Kultur über andere stellen und die kulturellen Gegebenheiten, die diese grausame Form der Mädchenbeschneidung bedingen, außer Acht lassen. Ganz generell sprechen sich die Wissenschaftler in diesem Zusammenhang eher für den Begriff der „genitalen Praxis“ aus.

Frauen sterben oder leiden ein Leben lang

Die hier formulierte Kritik der Forscher könnte vermutlich nicht zynischer sein. Denn hier kommt ganz offensichtlich eine Gruppe an Akademikerinnen zusammen, die in ihrem geschützten Bereich abstruse Gedankenexperimente betreibt und dabei mit dem Leid und der Unversehrtheit von Millionen Mädchen weltweit spielt. Völlig außen vor gelassen wird in diesen Überlegungen nämlich auch der Umstand, wie gefährlich diese „Praxis“ für Frauen ist. Viele sterben dabei oder leiden ein Leben lang an den Folgen der Verstümmelung. Ärzte berichten seit Jahren von den schmerzhaften und komplizierten Nachwirkungen, unter denen Frauen noch Jahrzehnte später leiden. Nicht ohne Grund haben wir in Europa eigentlich seit vielen Jahren den gesellschaftlichen Konsens, dass wir solche Praktiken nicht tolerieren und derartige angebliche „Traditionen“ auch mit aller Härte des Rechtsstaates ahnden. Dass dieser Konsens nun von diesen Forscherinnen wieder aufgebrochen werden möchte, ist entweder mit völliger Ignoranz oder purer Idiotie gleichzusetzen.

Akademisch gefärbter Unsinn

Solche Berichte offenbaren allerdings nur zu gut, wie wenig sich der moderne Feminismus und eine Vielzahl solcher „Genderforscherinnen“ um die tatsächliche Lebensrealität von Frauen schert. Denn während Überlebende und Betroffene von Genitalverstümmelung wie die „Wüstenblume“ Waris Dirie davon berichten, wie folgenschwer das Trauma und das Leben nach solch einem Übergriff ist, negieren diese „postkolonialistischen“ Wissenschaftlerinnen, welch unvorstellbares Leid mit dieser barbarischen Praxis einhergeht. Vielleicht könnte man noch darüber hinwegsehen, wenn solcher Unsinn lediglich in isolierten Seminarräumen europäischer Universitäten diskutiert wird. Wenn daraus jedoch politische Handlungsempfehlungen abgeleitet werden sollen – wie es zuletzt immer häufiger der Fall war – wird es brandgefährlich. Letzten Endes zeigt dieser Bericht, wie kaltherzig moderne Feministinnen werden können, wenn es um ihre eigene Ideologie geht. Plötzlich spielt die Sicherheit und der Schutz von Frauen nur noch eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist dann vor allem nur, dem „bösen Westen“ seine angebliche Voreingenommenheit vorzuwerfen. Dass man dabei gleichzeitig auch den unfassbaren Horror von über 200 Millionen Mädchen weltweit verharmlost, scheint die Autoren nicht zu kümmern.

Dieser Kommentar ist ursprünglich auf unserem Partner-Portal NiUS erschienen.