Das von der Bundesregierung angestrebte Kopftuchverbot ist, wie Integrationsministerin Plakolm selbst einräumt, auch ein Symbol. Allerdings ein wichtiges. Die  Verhüllung, welche sich unübersehbar immer öfter nicht bloß auf das Kopftuch beschränkt, ist ein zentrales Symbol des antisäkularen Islam, der seine den Alltag von Muslimen bis ins kleinste Detail bestimmen wollenden Regeln über die westliche Ordnung stellt.
Dagegen als säkularer Staat ein klares und unmissverständliches Zeichen zu setzen, ist die Pflicht einer jeden Bundesregierung, die den hiesigen Wertekanon ernst nimmt und auch zu verteidigen bereit ist. Diese Bereitschaft mit einem symbolischen Akt wie dem Kopftuchverbot zu bekräftigen ist wichtig und richtig, zumal da in den vergangenen Jahren berechtigte Zweifel an der Wehrhaftigkeit von Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft gegenüber islamistischen Tendenzen aufgekommen sind.

Toleranzmelange

Nur allzu oft vermengen sich Naivität und Gutgläubigkeit, Ignoranz und Unwissen  mit der Angst vorm Ins-rechte-Eck-gestellt-werden zu einer Melange der Toleranz gegenüber Intoleranten.
Diese Bundesregierung ist – wie freilich schon andere vor ihr – mit dem Bekenntnis angetreten, dem politischen Islam Paroli  bieten zu wollen. Der zweite Anlauf zum Kopftuchverbot – nun für unter 14-jährige Schülerinnen – wird vor dem Verfassungsgerichtshof Bestand haben, wenn das Höchstgericht das Kopftuch nicht länger mit Kippa und Kreuz in einen Topf wirft. Denn dieses ist nicht bloß Ausdruck individueller Frömmigkeit, sondern die Flagge einer religiösen Ideologie mit faschistoiden Elementen. Weder Kippa noch Kreuz sind mit Zwang und Extremismus kontextualisiert. Die islamische Verhüllung ist mehr als ein in der Kulturgeschichte Anatoliens oder Arabiens wurzelndes Textil. Das religiös aufgeladene Stück Stoff symbolisiert all jene Probleme, welche eine westlich-säkular-liberale Gesellschaft mit den antiwestlichen, antisäkularen und antiliberalen, in Summe: antidemokratischen Normen des Islamismus hat und haben muss.
Doch mit einem Verhüllungsverbot ist es nicht getan. Eine Beschränkung darauf verdiente in der Tat die negative Konnotation des Begriffes Symbolpolitik. Ein Hijabverbot kann nur der Einstieg in eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem politischen Islam sein, welche bisher bei keiner Parlamentspartei wirklich zu erkennen ist. Auch gelegentliche Buhrufe gegen Islamisten ersetzen nicht die Mühen der Ebene.

Konzertierte Aktion

Neben dem Integrationsministerium sind Innen- und Außenministerium sowie das Bildungsministerium gefordert, eine konzertierte Aktion gegen die auf allen Ebenen wirkenden Akteure des politischen Islams zu entwickeln.
Einige gute Ansätze im Regierungsprogramm harren der Realisierung: So soll „zur Bekämpfung von Organisationen, die die Grundprinzipien unseres demokratischen Staates und die daraus abzuleitenden Werte nicht anerkennen,
das Vereinsgesetz verschärft werden”. Auch  eine Liste der extremistischen Organisationen soll erstellt und veröffentlicht werden. Bislang gibt es eine solche Liste nicht nur nicht, das Innenministerium verweigert auf Anfragen zu Aktivitäten extremistischer Organisationen wie der türkischen Ismailaga-Sekte in Österreich sogar jegliche Auskunft.
Ob der Verfassungsschutz nichts weiß oder nur nichts sagen will, bleibt also eine offene Frage.

Lückenhafter VFS-Bericht

Ein Kandidat für einen Platz auf der Extremistenliste wäre auch die Islamische Föderation, die Österreich-Filiale der im deutschen Verfassungsschutzbericht 2024 erneut als „extremistisch” und „verfassungsfeindlich” eingestuften Milli-Görüs-Gemeinschaft (IGMG). Wenn die von Deutschland aus operierende Dachorganisation extremistisch ist, könnte dies auch für alle ihre Gliederungen außerhalb Deutschlands angenommen werden. Schließlich verbindet sie neben der organisatorischen Struktur das gemeinsame Bekenntnis zur Ideologie des Milli-Görüs-Gründers Necmettin Erbakan, der Zeit seines Lebens gegen die säkulare Ordnung und die vermeintlich seit 5700 Jahren währende Weltherrschaft der Juden gekämpft hatte. Im österreichischen Verfassungsschutzbericht liest man darüber ebenso nichts wie über den Verkauf von extremistischer Literatur inklusive der türkischen Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf” auf Veranstaltungen der Islam-Föderalisten.

Unzuständiges Außenamt?

Das Außenministerium wäre gefragt, mit dem türkischen Botschafter Tacheles zu reden über den sogenannten DIYANET-Strategieplan 2024 bis 2028. Das ist keine innertürkische Angelegenheit. Denn der von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Auftrag gegebene Fünfjahresplan sieht vor, dass die staatliche türkische Religionsbehörde unter Einsatz massiver Finanzressourcen im Ausland Einfluss auf NGOs nimmt und dort auch nichttürkische Staatsbürger anwirbt, um die islamistische, in Teilen auch antisemitische DIYANET-Ideologie über die Türkei hinaus zu verbreiten. We konkret dies Österreich betrifft, zeigt das im Mai zwischen DIYANET-Chef Ali Erbas und dem  Vorsitzenden der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Ümit Vural, geschlossene Kooperationsabkommen. Das NEOS-geführte Außenministerium erklärte sich für unzuständig.

Wiederkehrs To-Do-Liste

Das Bildungsministerium wäre gleich in mehrfacher Hinsicht gefordert. So heißt es im Regierungsprogramm auf Seite 187: „Zur Sicherstellung der Durchführung des Religionsunterrichts gemäß den Grundsätzen des österreichischen Schulwesens (§ 2 SchOG) wird eine religions-unabhängige Schulaufsicht durchgeführt.” Das wäre ein wichtiger Ansatz, der hoffentlich nicht am Widerstand christlicher Kirchen scheitert, welche die IGGÖ gern vor ihren Karren spannt. Oder ist es nicht fragwürdig, wenn etwa der islamische Religionsunterricht in Vorarlberg vom dortigen Milli-Görüs-Landeschef als – noch dazu mit Steuergeld entlohnter – Fachinspektor beaufsichtigt wird? Ob Funktionäre einer in Deutschland offiziell als extremistisch und verfassungsfeindlich bewerteten Organisation überhaupt an öffentlichen Schulen als Religionslehrer tätig sein können, wäre eine Diskussion wert. Man stelle sich nur vor, welchen Proteststurm die Aufnahme eines Identitären-Funktionärs in den Schuldienst zur Folge hätte.

Hitlers Muslimkomplize

Ebenfalls in die Zuständigkeit von NEOS-Minister Wiederkehr fällt die im Koalitionspakt festgeschriebene „verpflichtende Auseinandersetzung mit Gedenkstätten”. Die dafür angekündigte „Übernahme der Kosten für Gedenkstättenbesuche von Schulklassen zur geschichtlichen Bildung” könnte angesichts der Sparzwänge allerdings überdacht werden. Schließlich lassen sich Milli-Görüs-Funktionäre schon jetzt gern in Mauthausen ablichten, weil es dort ja um Nazi-Verbrechen geht, mit denen Muslime vermeintlich nichts zu tun hatten. Anstatt steuerfinanzierte Ausflüge ins KZ zu organisieren könnte kostengünstiger der Lehrplan für den Geschichtsunterricht entsprechend der demografischen Veränderungen adaptiert werden. Wenn in immer mehr Schulklassen Muslime die Mehrheit stellen, sollte im Unterricht der – wohl selbst Geschichtelehrern kaum bekannte – muslimische Anteil am Holocaust nicht unterschlagen werden. Österreichs Jungmuslime sollten erfahren, wer am 4. März 1944 über einen von den Nazis finanzierten Propagandasender die Araber zu folgendem Tun aufgefordert hatte: „Tötet die Juden, wo immer ihr sie findet. Das gefällt Gott, der Geschichte und der Religion. Es dient Eurer Ehre. Gott ist mit Euch.“ Das war der SS-Gruppenführer und Hitler-Bewunderer  Amin al-Husseini. Der in Berlin in einer arisierten Villa lebende Großmufti von Jerusalem gründete auf dem Balkan muslimische SS-Divisionen und intervenierte bei den Nazi-Granden erfolgreich gegen Eichmanns Plan, tausende Juden gegen Kopfgeld nach Palästina ausreisen zu lassen. Dank al-Husseinis Einsatz landeten diese Menschen in den Gaskammern.
All das ist nicht bloß Geschichte, sondern hat einen sehr realen Gegenwartsbezug: Amin al-Husseini ist bis heute ein Säulenheiliger der Palästinenser, insbesondere der Hamas-Terroristen. Ihre Anführer, auch der als gemäßigt geltende Präsident Mahmud Abbas, pilgern regelmäßig an sein Grab in Beirut. Für Abbas ist al-Husseini „unser Vorkämpfer“.

Verschleiertes Versagen?

Es gäbe also durchaus einiges mehr zu tun für die Bundesregierung. Dabei geht es nicht nur um das, was muslimische Mädchen auf dem Kopf tragen (müssen), sondern vor allem darum, was in den Köpfen junger Muslime vor sich geht.
Da ein konsequentes Vorgehen auch maßgebliche IGGÖ-Kräfte wie Islam-Föderation oder ATIB betreffen und in weiterer Folge auch eine Konfrontation mit dem türkischen Regime bedeuten würde, stellt sich die Frage, ob die Koalition dazu wirklich willens und fähig sind. Schließlich ist die SPÖ eng verbandelt mit Islamisten, mindestens zwei rote Gemeinderäte sind auch Milli-Görüs-Funktionäre. Eine ähnliche Schlagseite offenbarte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig im Wahlkampf mit der Einladung von AKP-Bürgermeistern in die Bundeshauptstadt bei gleichzeitiger Ignoranz gegenüber der Verfolgung türkischer Sozialdemokraten durch das Erdogan-Regime.  Auch die ÖVP ist seit geraumer Zeit auffallend zurückhaltend mit Kritik an der türkischen Politik im Allgemeinen und türkischen Islam-Verbänden im Besonderen, was wohl auch geopolitische Ursachen hat: Der Ukraine-Krieg und die Eskalation in Nahost haben Erdogans regionalpolitischen Stellenwert erhöht, ganz zu schweigen von seiner Rolle als überbezahlter Gatekeeper an einer der wichtigsten Flüchtlingsrouten nach Europa.
Wer allerdings diese Konfrontationen scheut, wird irgendwann einräumen müssen, vor dem politischen Islam kapituliert zu haben. Mit allen Konsequenzen für dieses Land und seine Bürger. Das Kopftuchverbot wäre dann nicht mehr gewesen als die Verschleierung eines politischen Versagens.