Die Aufregung ist wieder einmal groß. „Durch Werbeschaltungen auf YouTube werden rechte Kanäle finanziert“, titelte jüngst die taz und schrieb weiter, dass „Lidl, Aldi, Amazon oder FitX mit ihren Anzeigen die Reichweite von rechten Influencern vergrößern“ würden.

Und schon war klar, wer schuld ist: die bösen Algorithmen, die gewissenlosen Marken, die Plattformen, die angeblich zu viel gewähren lassen – oder das „Falsche“ fördern.

Nur: Das stimmt so nicht. Als jemand, der Kampagnen entwickelt und digitale Reichweite und Wirkung optimiert, kann ich sagen: So funktioniert digitale Werbung, beziehungsweise das digitale Medien- und Monetarisierungsgeschäft, nicht.

YouTube ist kein rechtsfreier Raum.

Nur Inhalte, die die Community-Richtlinien erfüllen, dürfen überhaupt online bleiben. Nur Kanäle, die das Partnerprogramm durchlaufen und laufend bestehen, dürfen Werbung schalten. Das heißt: Wer dort wirbt, wirbt auf genehmigtem Terrain. Punkt.

Was manche Medien daraus machen, ist oft eine andere Nummer.

Da wird Empörung verkauft, weil sie gut klickt und weil es schwer ist, zu akzeptieren, dass Werbung heute anders funktioniert.

Marken wählen keine Lager, sie wählen Zielgruppen.

Und diese Zielgruppen bewegen sich frei – auch über politische und mediale Grenzen hinweg. Ja, es kann passieren, dass eine Supermarktwerbung vor einem Video läuft, das jemandem politisch nicht passt. Aber genauso läuft sie auf Kanälen, die man für „die eigene Seite“ hält.

Die Idee, dass Werbung automatisch Zustimmung bedeutet, ist ein Relikt aus der analogen Zeit. Damals bestimmten Redaktionen, wo Inserate stehen und wer dazugehören durfte. Heute entscheidet der Nutzer selbst, wo er hinsieht.

Natürlich tut dieser Kontrollverlust weh. Besonders jenen, die sich jahrzehntelang als Wächter der öffentlichen Meinung verstanden haben. Aber anstatt darüber zu klagen, dass Marken „falsche“ Umfelder bespielen, wäre es vielleicht sinnvoller, sich zu fragen, warum die eigenen Inhalte zu wenig Reichweite haben.

Denn eines gilt im Netz genauso wie im Markt: Wer gesehen werden will, muss relevant sein. Öffentlichkeit lässt sich nicht mehr verwalten. Sie muss verdient werden: mit Ideen, Haltung und Publikum.

Wer das nicht akzeptiert, wird weiter erklären, wie „gefährlich“ Werbung im Internet ist. Alle anderen wissen: Der Markt ist ehrlicher geworden. Er zeigt einfach, was wirklich interessiert.