Heinzlmaier: SPÖ: Die Partei der narzisstischen Warlords
In seinem Text „Richard Wagner in Bayreuth“ befasst sich Friedrich Nietzsche mit einem Menschentypus, den zwar ein mächtiges Streben antreibt, der aber trotz ständiger Bemühungen nicht zum Erfolg kommt. Solche Menschen werden, so Nietzsche, am Ende böse, sie werden zu „durch Misslingen ausgehöhlte und zerfressene Menschen“.
Ein von genau solchen Menschen aufgeführtes bürgerliches Trauerspiel war der letzte Parteitag der SPÖ. Schon die Worte zum Geleit, gesprochen vom amtierenden Geschäftsführer der Partei, waren deprimierend. Im DDR-Funktionärs-Anzug stand er vor den Delegierten und nuschelte träge und lustlos ein paar Pflichtworte durchs Mikrophon.
Die danach folgenden Grußworte europäischer Spitzenrepräsentanten des roten Lagers illustrierten den emotionalen Zustand der Bewegung mit Vortrefflichkeit. Fast ausnahmslos wurden hohle Phrasen mit monotonen Stimmen vorgetragen, herausragend dabei der deutsche Vizekanzler Olaf Scholz, dessen Phlegma das Innenleben eines Menschen widerzuspiegeln schien, der sich von seinem kommenden Leben nicht mehr viel zu erwarten wagt.
Rendi wettert gegen das System Kurz
Danach betrat die Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner die Bühne. Ihre verkrampfte Fröhlichkeit und ihr entseelter Optimismus ließen die Mehrheit der Zuhörerschaft in eine ungute Trance kippen, die manchmal nach der Einnahme eines Schlafmittels entsteht. Man fällt in einen Zustand des panischen Schwebens zwischen Wachsein und Schlafen, aus dem man sich lange nicht befreien kann.
Mit manchmal zitternder Stimme entwarf Rendi-Wagner das Höllenszenario einer in Scherben liegenden Welt. Massenarbeitslosigkeit beherrscht das Land, Pflegekräfte, Ärzte und Krankenhausbedienstete werden wie Sklaven gehalten und gleichzeitig gibt sich die herrschende Klasse ihrem zügellosen Treiben hin und blickt dabei höhnisch und hochmütig auf das Elend der geschundenen Massen herab. Der Verursacher dieses Purgatoriums ohne jeder Heilsaussicht, der Dämon Sebastian Kurz, nahezu allmächtig, hat ein lückenloses und bösartiges System der Herrschaft errichtet. Er hat sich geschickt in die Köpfe der Menschen durch persuasive Kommunikation eingeschlichen und manipuliert seine Opfer mit süßen Versprechungen und der bösen Drohung vor der Flüchtlingsflut.
Spätestens an dieser Stelle hätten besonders die zahlreichen Gewerkschaftsfunktionäre im Saal nachdenklich werden müssen. War ihnen die angespannte Stimmung in ihrer Kollegenschaft entgangen? Waren sie schon soweit abgestumpft, dass sie das Massenelend im Land übersehen hatten? Irgendjemanden trügt hier die Wahrnehmung, die Parteivorsitzende oder die Gewerkschaften?
Trügerische Wahrnehmungen
An diesem Tag war die Wahrnehmung vieler trügerisch. Vor allem von denen, die eine gute Stimmung auf dem Parteitag wahrnahmen. Denn in Wirklichkeit schwankte diese zwischen passiver Gleichgültigkeit, versteckter Wut und der Bösartigkeit von Erfolglosen und Verletzten. Das offenbarte jedenfalls das Ergebnis der Wahl der Vorsitzenden. Ohne auch nur ein Wort der Kritik zu artikulieren, strichen satte 25% die erste Frau an der Spitze der Partei.
Viele mutmaßten sofort einen Flügelstreit. Aber welche politisch wie beschaffenen Flügel sollten miteinander in Widerstreit treten? In einer seit Vranitzky völlig entideologisierten Partei kann es keine politischen Strömungen mehr geben, sieht man einmal von den paar linken Spinnern der postmodernen und Islam-Linken ab, die keinen Unterschied zwischen dem europäischen und dem muslimischen Patriarchat wahrnehmen und die den Sozialismus wieder von den Füßen auf den Kopf gestellt haben und folglich die Welt beherrscht von toxischen Diskursen sehen, die es zu neutralisieren gilt.
Der Kampf um Macht und Einfluss
Die Streichungen von Rendi-Wagner sind in Wirklichkeit die Folge einer weitgehend unpolitischen Provinzialisierung und Tribalisierung der SPÖ. Die Partei ist in einem ähnlichen Zustand wie Libyen, es kämpfen verschiedene narzisstische Warlords um Macht und Einfluss. Ludwig und Bures, die knallharten Machtmenschen aus Wien, der immer schwankende Schnabel aus Niederösterreich, Doskozil, der emotionale und streitbare Burgenländer, Kaiser, der stille Taktiker aus Kärnten und ein unbekannter Apparatschik aus der Steiermark. Zwischen ihnen läuft ein unbarmherziges und verbissen-bösartiges Gezerre und Geschiebe um Macht und Einfluss.
Diese Leute eint nichts, außer der Wille zur Macht. Sie sind in der SPÖ, weil sie gelernt haben, dass man persönliche Ziele besser in Gemeinschaft mit anderen durchsetzen kann. Die Gemeinschaft selbst aber bedeutet ihnen nichts, sie ist ihnen lediglich und ausschließlich Mittel zum persönlichen Zweck. Nicht zuletzt deswegen ist die SPÖ heute ein Trümmerfeld.
Der Jugendforscher und eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier untersucht seit mehr als zwei Jahrzehnten die Lebenswelt der Jugend und ihr Freizeitverhalten. Er kennt die Trends, vom Ende der Ich-AG bis zum neuen Hedonismus und Körperkult, bis zu Zukunftsängsten im Schatten von Digitalisierung und Lockdown. Heinzlmaier ist Mitbegründer und ehrenamtlicher Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung. Hauptberuflich leitet er das Marktforschungsunternehmen tfactory in Hamburg.
Kommentare