Jason Turner: Die Champagne-Coupe und das Automobil-Coupé
Eine Sprache ist faszinierend. Das Wort “couper” ist das französische Verb für “schneiden”. Im Partizip Perfekt bedeutet es auf Deutsch “geschnitten” oder “abgeschnitten”, und daraus ergibt sich das Wort “coupe”, das wir mit der Champagnerschale assoziieren. Fügt man jedoch dem Wort “Coupe” den l’accent aigu hinzu, erhält man “Coupé”, was in der Automobilwelt “die hinteren Türen/Sitzen herausgeschnitten” bedeutet, und voila, Sie haben das Coupé und einen geschlossenen zweitürigen Personenwagen im eleganten und sportlichen Erscheinungsbild.
Neben edlen Weinen und Champagner habe ich eine Leidenschaft für Automobile. Vor kurzem führte meine Reise zum Goodwood Estate in der Nähe der historischen Kathedralenstadt Chichester in Südengland. Goodwood ist nicht nur die Heimat vom noblen Rolls Royce Motor Cars, sondern auch das Standort des jährlichen Festival of Speed: Einer Veranstaltung für Supercar-Enthusiasten, bei der einige der seltensten und schnellsten Fahrzeuge der Welt ausgestellt und gefahren werden. Es ist auch eine Gelegenheit, neue Trends im Autodesign zu sehen, und dieses Jahr war ich von der großen Anzahl fantastisch aussehender Coupés beeindruckt. Ich war ebenfalls überrascht zu sehen, wie beliebt Champagner unter den Gästen war. Und das brachte mich zum Nachdenken. Wenn das Coupé in der Autowelt wieder so beliebt ist, ist es vielleicht an der Zeit, ein anderes Coupe für unsere Haushalte wiederzubeleben? Ja, ich meine die Champagnerschale, oder wie ich ihn jetzt nennen möchte, das Champagner-Coupe-Glas!
“Die ursprüngliche Form des Coupe war wie die Brüste einer Frau geformt und wurde angeblich im antiken Griechenland als Mastos-Becher bezeichnet. Mastos (bzw. μαστός) ist das griechische Wort für Brust”
Es gibt eine romantische Legende, die besagt, dass die Frankreichs letzte Königin, Marie Antoinette, ein neues, kleineres Glas für Champagner entwerfen ließ. Die Geschichte besagt, dass das Design auf der Form ihrer linken Brust basierte, und voila, wir haben das Champagner-Coupe-Glas. Natürlich ist diese Geschichte ein völliger Irrtum: Das erste Coupe-Glas wurde vor etwa 360 Jahren, im Jahr 1663, erfunden, und die jüngste Tochter von Kaiserin Maria Theresia, Maria Antonia, wurde erst 92 Jahren später im November 1755 geboren, (und wurde später angeblich für einen ähnlich aussehenden Trinkgefäß für Milch verantwortlich gemacht).
Tatsächlich ist das Jahr 1663 das Geburtsdatum des Coupe-Glases, also etwa zur gleichen Zeit wie die Entdeckung des Champagners als prickelndes alkoholisches Getränk. Es mag wohl sein, dass die menschliche Anatomie im Laufe der Jahrhunderte einige Glasformen beeinflusst hat, wie auch die längliche Sektflöte…. Erst kürzlich, im Jahr 2014, feierte Kate Moss ihren vierzigsten Geburtstag, indem sie ihre linke Brust für die Herstellung eines Champagnerglases für ein berühmtes Londoner Restaurant zur Verfügung stellte, und im Jahr 2007 vermaß Karl Lagerfeld die Oberweite von Claudia Schiffer für ein exklusives Trinkgefäß eines gereiften Dom Pérignon Oenothèque Champagners.
Erleben Sie Champagner bei einer Feier oder Hochzeit mit einer Pyramide aus Champagnerschalen und sehen Sie, wie der Schaumwein nach unten fließt und die Gläser unten füllt
Das Champagner-Coupé-Glas war lang (und ist teilweise noch) eine beliebte Wahl bei Hochzeiten, um eine große Pyramide von Gläsern gleichzeitig auszuschenken, wie zahlreiche Online-Videos zu diesem Thema zeigen. Das Coupe wird zudem für zahlreiche Champagnercocktails verwendet. Jedoch bleib
das Coupe-Glas nur bis zu den 1920er Jahren beliebt, und es wurde schnell von neuen und frischen Designs wie der Tulpen- oder Flötenform verdrängt. Die langstielige Sektflöte mit dem sogenannten Moussierpunkt (französisch: >>mousse<< für die Perlage oder den Schaum) hat dafür gesorgt, dass die feine Luftblässchen lang anhalten. Gemeint ist hier ein kleiner Knubbel an der Innenseite des Glasbodens, und das schmale Form hat dafür gesorgt, dass der Sekt oder Champagner möglichst gekühlt blieb. Das Tulpenglas ist hingegen eine Verbesserung gegenüber der Flöte, die die Aromen einschränkt, und daher wählen Weinprofis heute die breiteren Tulpen- oder Weißweingläser, um das volle Spektrum und die Qualitäten der Champagneraromen zu erleben. Das Weinglas wölbt sich über der Mitte leicht nach außen, so dass man die Edeltröpfe etwas Platz zum Schwenken bleibt, und wölbt sich dann oben wieder nach innen, so dass die Aromen in die Nase geleitet werden.
Größe, Form und Gestalt des Glases beeinflussen die Wahrnehmung der Farbe, der Perlage, des Geschmacks und des Mundgefühls. Im Coupe kommen die Farbe und gereifte Champagneraromen besonders gut zur Geltung, auch wenn die Perlage dezenter vorkommt. Jüngere Champagner und Sekte schmecken hingegen erfrischend in den länglichen, hohen Flötenform; der Sekt bleibt gekühlt, die Bläschen steigen stets auf und es ist einfacher, nachzuschenken, was sie bei Banketten und Caterings so beliebt macht. Wenn man nur Weingläser vorrätig hat, dann eignet sich das Weißweinglas mittlerweile für beinah alle Schaumweine.
Ich persönlich bin ein großer Fan des Coupe-Glases – die Champagnerschale, – weil ich die gereifte, fast >>weinige<< Textur eines Champagners auf der Zunge schätze und trinke es gerne ein Paar Grad wärmer. Die Champagnerschale macht zudem ein angenehmes Klingelton beim Anstoßen. Für mich bleibt es daher ein zeitloses und elegantes Glas, um Champagner zu genießen. Salut und zum Wohl!
Haftungsausschluss: Meine Empfehlungen beruhen ausschließlich auf meinen eigenen Vorlieben und meiner langjährigen Verkostungserfahrung. Ich kaufe alle in dieser Kolumne vorgestellten Flaschen und stehe in keiner geschäftlichen Beziehung zum Hersteller oder Importeur.
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Flaschenabbildung: Femme de Champagne 2002 brut nature Champagne, Duval-Leroy, Vertus im Herzen der Côte des Blancs in der Champagne.
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