Kolumne Bernhard Heinzlmaier: Geschichten aus dem Leben in eisernen Zeiten
Am Naschmarkt gab es schon vor 40 Jahren das Wirtshaus „Zur eisernen Zeit“. Damals, bevor der ganze Markt zum Lifestyle-Kulturbetrieb für Bobos mit einem Durchschnittseinkommen von über 5000 Euro verkommen ist, war das Marktareal in den Abendstunden der Treffpunkt von Alkoholikern, verirrten Nachschwärmern, Rotlichtgesindel, Kleinkriminellen und depressiven Studenten, die sich täglich besaufen mussten, weil ihnen die biedere, konformistische, einfältige und tumbe kleinbürgerliche Gesellschaft kein gutes Leben und keine attraktive Zukunftsperspektive bot. Wir linken Melancholiker wollten damals eine gerechte, solidarische und vor allem egalitäre Gesellschaft. Und natürlich waren wir totalitär, selbstgerecht, überheblich und zu keinerlei Kompromissen bereit. Unsere Weltideen, die wir von Karl Marx und Lenin übernommen hatten, sollten um jeden Preis mit allen Mitteln durchgesetzt werden.
Natürlich war uns der Staat auf den Fersen. Jeder hatte eine dicke Stapo-Akte und bei der Opernballdemo gab es einmal im Jahr ordentlich was auf die Mütze. Die Aussichten auf die Durchsetzung linker Ideen waren gleich null. Kein Mensch hat uns ernst genommen. Man hatte aber trotzdem ein Auge auf uns, weil Palmers-Entführung und deutscher Herbst noch nicht lange zurücklagen und unter linken Fanatikern sich erfahrungsgemäß immer ein paar Idioten finden, die es nicht dabei belassen, bei Demos Mülleimer anzuzünden oder Auslagen einzudreschen. Sie gehen weiter, gehen in den Untergrund, nehmen den bewaffneten Kampf auf und am Ende gibt es Tote, wie die Ermordung von Alfred Herrhausen oder Detlev Rohwedder in Deutschland gezeigt haben.
Aus all diesen Gründen empfanden wir unsere Zeit als eisern, weil die radikale Linke festgefahren war, den Anschluss an die Bevölkerung verloren hatte, ohne Perspektive auf Einfluss und Anerkennung blieb. Die Medikamente gegen die politische Depression waren Alkohol und Cannabis. Der Alkohol wurde im Gasthaus „Zur eisernen Zeit“ angeboten und wenn man etwas zum Rauchen brauchte, konnte man es auch ganz in der Nähe noch zu später Stunde bekommen.
Betrachtet man heute die Linke, dann fällt einem sofort auf, dass sich vor allem die Ästhetik des Widerstandes geändert hat. Ihre Ideen sind noch immer unverschämt, illusionär, realitätsuntauglich und vor allem entgegen die menschliche Natur. Schon zu unserer Zeit wollte kein Mensch den linken Kollektivismus praktizieren, denn, und da hat Alexander Grau völlig recht, er ist ein Produkt der Not. Denn nur solange die Menschen aufeinander angewiesen sind, kultivieren sie eine Ideologie des Wir. Aber wenn die ökonomische Entwicklung es zulässt und der gesellschaftliche Reichtum zunimmt, drängen sie danach, sich „aus sozialen Hierarchien, festgelegten Rollenmustern und von tradierten Verhaltenscodices“ zu emanzipieren.
Hätte er Rilke gelesen, so wüsste er, dass „das Schöne immer des Schrecklichen Anfang ist …
Kehren wir zur Ästhetik des Widerstands zurück. Meine These ist, dass die Linke heute noch im Prinzip genau dasselbe denkt und will, wie vor 40 Jahren und noch genauso gefährlich ist wie damals. Sie wird aber nicht mehr als gefährlich wahrgenommen, weil sie sich einfach umgezogen hat. Die Linken sind heute adrette Männer und Frauen, die Männer mit messerscharfer Frisur und die Frauen geben im Monat, siehe Annalena Baerbock, einen Haufen Geld für kosmetisches Styling und Klamotten aus. Auch die jungen Nachwuchskader der Szene sind so, wie sich unsere Eltern ihren Schwiegersohn oder ihre Schwiegertochter gewünscht haben, bürgerlich und adrett durch und durch. Aber nur der Form nach, im Inneren lauert der Wille zur Diktatur. Ein gutes Beispiel dafür ist Lena Schilling. Ihr Habitus ist der einer gehobenen Tochter aus einem links-bürgerlichen Gymnasium, wie der AHS Rahlgasse in Wien. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass die biederen links-bürgerlichen Familienväter aus dem grünen Parlamentsclub und diverse bürgerlich-konformistische Spitzenjournalisten so auf sie abgefahren sind. Eine radikal-linke Feministin aus den 1980er Jahren hätten die einen wie die anderen keines Blickes gewürdigt. Die Habitusdifferenz wäre zu groß gewesen.
Auch dass die ÖVP in Österreich und die CDU in Deutschland so auf die Grünen abfahren, liegt im linken Habitusbetrug begründet. Die Konservativen verwechseln die Form mit dem Inhalt. Wenn ihnen rein äußerlich die gediegene Bürgerlichkeit entgegenkommt, fühlen sie sich sicher und aufgehoben. Dass im Inneren dieser Akteure der Linkstotalitarismus lauert, musste die ÖVP bei Gewesslers Renaturierungsalleingang schmerzlich erfahren, hat aber nichts daraus gelernt. Noch immer sind die Grünen für Nehammer ein durchaus akzeptabler Partner. Und in Deutschland ist Friedrich Merz ja förmlich in die süße Annalena Baerbock verschossen. Und macht deshalb kein Geheimnis daraus, dass die Grünen sein idealer Regierungspartner wären. Hätte er Rilke gelesen, so wüsste er, dass „das Schöne immer des Schrecklichen Anfang ist“, und würde die Finger von der grünen Sirene lassen. Rilke wäre auch für viele Männer der österreichischen Grünen ein guter Ratgeber gewesen. Insider wissen warum.
Die adretten Links-Grünen haben still und leise die Macht in den Apparaten übernommen.
War früher die Zeit für die Linken eisern, so ist sie es heute für die Rechten. Denn die adretten Links-Grünen haben still und leise die Macht in den Apparaten übernommen. Bei den letzten AK-Wahlen stimmten in Österreich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk 84 % der Beschäftigten für SPÖ, Grüne Listen und Kommunisten. Und in Deutschland sind Schulen, Medien, der Justizapparat und zum Teil auch schon die Bundeswehr mit linken Aktivisten förmlich durchflutet. Aus den Tiefen der Institutionen heraus agiert die linke Ordnungsmacht im Sinne der Habecks, Baerbocks, Faesers und des alten Stamokapsozialisten Scholz.
Österreich hinkt den Deutschen immer etwas nach. So ist die Zeit bei unseren Nachbarn schon weitaus eiserner für Menschen, die sich mitte-rechts verorten, als in Österreich. In Österreich ist man als FPÖ-Wähler noch gesellschaftsfähig, in Deutschland wird man als bekennender AfD-Wähler gemobbt, ausgegrenzt, in Geschäften nicht bedient, mit Demokratiekursen bedroht und im schlimmsten Fall wird das Bankkonto gekündigt. Selbst wenn man in einem Medium wie dem eXXpress publiziert, wird man als Referent von einer norddeutschen Kommune ausgeladen, weil die Leute dort Angst haben, beim „Familienministerium“ in Ungnade zu fallen. Und wehe du willst bei der Bundeswehr als Soldat auf Zeit anheuern und hast kein lupenreines politisches Profil, dann fliegst du raus. Jemand, der zum Beispiel Björn Höcke folgt, zwei seiner Kommentare geliked hat und dann auch noch offen bekennt, dass er den Krieg in der Ukraine ablehnt und für Friedensverhandlungen eintritt, der wird aus der Bundeswehr rausgeworfen. Und für seinen weiteren Lebensweg wird ihm mitgegeben, lieber statt der AfD die CDU zu wählen, wenn er schon unbedingt rechts-konservativ sein zu müssen glaubt.
In den 1970er und 1980er Jahren hatten in Deutschland die Kommunisten Berufsverbot und trotz formaler Pressefreiheit wurden ihre Medien benachteiligt und behindert, heute sind es die AfD-Funktionäre und Wähler, die der Bannstrahl des totalen Leviathans trifft. Hannah Arendt hat gesagt, dass der Totalitarismus dort beginnt, wo die Freiheit des offenen Diskurses nicht mehr gewährt wird. Sie wäre empört darüber gewesen, wie heute in Deutschland eine ganze politische Richtung administrativ behindert oder gar zum Schweigen gebracht wird, man denke nur an das Compact-Verbot. Offenbar wohnt in den Tiefen unserer Demokratie noch immer der Totalitarismus. Und seine Zielgruppen wechseln. Früher waren es die Kommunisten, heute sind es die Rechten, wer wird es morgen und wer übermorgen sein?
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