1957 wurde das Musical „West Side Story“ uraufgeführt, darin geht es um eine Liebesgeschichte mitten in einem Bandenkrieg rivalisierender ethnischer Jugendbanden. Selbst hier ist die Geschichte nicht neu, sie basiert auf Shakespeares „Romeo und Julia“.

Vor dreißig Jahren, als meine Kinder klein waren, haben wir im fünften Bezirk gewohnt. Es gab zwei Parks in der Nähe und es war allgemein bekannt, dass einer zum „Jugopark“ und der andere zum „Türkenpark“ erklärt wurden. Meine österreichischen Kinder konnten beide Parks besuchen, ohne Gefahr zu laufen, angepöbelt zu werden. Für türkische Jugendliche war es aber nicht ungefährlich, in den „Jugopark“ zu gehen und umgekehrt.

Seither ist viel Zeit vergangen. Als ich vor mehr als zehn Jahren Schulleiter wurde, war klar, welcher Park in der Umgebung der Schule der „Tschetschenerpark“ und welcher der „Afghanenpark“ ist. Als immer mehr afghanische Jugendliche nach Wien kamen, versuchten sie, ihr Revier zu erweitern. Die Folge waren Auseinandersetzungen im Bereich des Handelskai zwischen diesen beiden rivalisierenden Gruppen. Damals prägten ein paar afghanische Schüler von mir folgenden Satz: „Herr Direktor, wir akzeptieren Ihre Regeln, wir bringen keine Messer mehr in die Schule mit. Aber bevor wir in den Park gehen, holen wir die Messer von zu Hause, um uns zu verteidigen, wenn „Tschetschener“ kommen.“ Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die Gruppe, der immer mehr werdenden syrischen Jugendlichen, um ihr Revier kämpfen würden. Auslöser dafür waren gewaltsame Ausschreitungen durch Türken gegen Syrer in der Türkei. Seither gibt es Gegengewalt gegen Türken durch sogenannte 505er bzw. 515er, so nennen sich syrische bzw. arabische Nationalisten. Die Zahlencodes stehen für die arabische Revolution gegen das osmanische Reich und sind auch in den islamischen Schriften zu finden.

Intensive Präventionsprogramme wären dringend nötig

Es gibt also derzeit vor allem vier ethnisch und nationalistisch geprägte Gruppen Jugendlicher, die sich gegenseitig auflauern und verprügeln oder sich Treffpunkte für organisierte Kämpfe ausmachen. Während uns für derartige Vorgänge jegliches Verständnis fehlt, ist die Verteidigung der Familienehre, der Ehre des eigenen Volks, der eigenen Ethnie für Jugendliche aus den genannten Herkunftsländern Normalität. Fast jeder Konflikt, jeder Kampf in der Schule wird mit „Er hat meine Ehre beleidigt“, „Er hat meine Familie beleidigt“ oder „Er hat mein Volk beleidigt“ mit dem Nachsatz „Also musste ich ihn schlagen“ gerechtfertigt. Manchmal kommt noch die Beleidigung der eigenen Religion als zusätzliche Erklärung hinzu, wobei die meisten Mitglieder dieser Gruppen Muslime sind.

Da man diese Ausschreitungen nicht wie bei Demonstrationen oder Fußballspielen vorhersehen kann, kann die Polizei erst aktiv werden, wenn sie zu einem Einsatz gerufen wird. Also hofft man derzeit auf die jeweiligen „Clanchefs“, die bei diesen Jugendlichen viel Macht und Einfluss haben und bereits miteinander über Frieden verhandeln, denn diese haben kein Interesse an Gewalteskalationen. Aber ist das eine anzustrebende Lösung? Ist es richtig, sich auf einen von Clanchefs verhandelten Frieden zu verlassen und diesen damit die eigentlich staatliche Verantwortung für sozialen Frieden zu übertragen?

Ich denke, intensive Präventionsprogramme, aber auch klare diesbezügliche Wertehaltungen unserer westlichen Gesellschaft in der Schule und allen anderen Bildungs- und Sozialeinrichtungen mit eindeutigen Vorgaben sind dringend nötig.

INFO

Christian Klar (61) ist Schuldirektor in Wien

– Lehrer in verschiedenen Schulen
(Hauptschule, jüdische Privatmittelschule, Polytechnische Schule, Pädagogische Hochschule)

– Seit elf Jahren Schulleiter einer öffentlichen Wiener Mittelschule („Brennpunktschule“)