Kolumne Christian Ortner: Europa schafft sich ab
Immer mehr Menschen glauben allen Ernstes, dass Wohlstand durch Umverteilung entsteht und nicht durch Arbeit und Leistung. Wenn sich an diesem fatalen Mindset nicht grundsätzlich etwas ändert, werden wir schon bald schmerzhaft mit der Realität kollidieren, fürchtet Exxpress-Kolumnist Christian Ortner.
Wenn Unternehmer, Manager oder Wirtschaftsforscher davor warnen, dass wir in ganz Europa mehr oder weniger dabei sind, unsere Wirtschaft gegen die Wand zu fahren und damit unseren Wohlstand ernsthaft zu gefährden, werden diese Warnungen in aller Regel von der Bevölkerung, aber auch den meisten Wählern nicht so wirklich ernst genommen. Wir haben uns alle miteinander so daran gewöhnt, in einem extrem wohlhabenden Land und einer damit verbundenen Komfortzone zu leben, dass wir uns einfach nicht mehr vorstellen können, ein paar falsche politische Entscheidungen könnten diesem Wohlstand sehr schnell ein Ende setzen. Unbewusst glauben wir, unser Wohlstand sei gleichsam naturgegeben und mit einer Ewigkeitsgarantie versehen.
Das ist leider eine naive Illusion, wie etwa das Beispiel Argentinien zeigt, das innerhalb von nicht einmal einer Generation von einem der reichsten Länder der Welt zu einem riesigen Armenhaus wurde, trotz aller natürlichen Ressourcen – einfach als Konsequenz einer ruinösen linkspopulistischen Politik der peronistischen Partei.
Europa, ein Museum
Vor einer ähnlichen Entwicklung in Europa warnte jüngst, wie viele andere Wirtschaftsführer Europas, Börje Ekholm, Vorstandsvorsitzender des schwedischen Telecom-Konzerns Ericcson. Vor allem der manische Wahn der EU-Staaten, alles und jedes regulieren, staatlich kontrollieren und überwachen zu wollen, führe Europa wirtschaftlich in die “Irrelevanz”, fürchtet er und sieht uns Europäer in Zukunft in “einem Museum mit großartigem Essen, toller Architektur, guten Weinen und einer herrlichen Landschaft – aber keinen Industriebetrieben, die übriggeblieben sind” (Financial Times).
Die Flucht der Industriebetriebe
Das Problem dabei: Der Mann hat natürlich vollkommen recht, der Abzug der Industrie aus Europa ist ja mittlerweile voll im Gange, aber irgendwie scheint das niemand zu kratzen. Offenbar hat jahrzehntelange sozialistische Indoktrination eine Generation hervorgebracht, die allen Ernstes glaubt, Wohlstand entstünde durch Umverteilung – und nicht durch industrielle oder gewerbliche Betätigung.
Ganz im Gegenteil – im linksgrünen Milieu gilt ein Rückgang der industriellen Produktion unter dem Schlagwort “Degrowth” (Minuswachstum) als geradezu erstrebenswert, weil angeblich nur so der Klimawandel gestoppt werden kann.
Allgemeine Armut als politisches Ziel also – manchmal könnte man wirklich meinen, wir seien Insassen eines Irrenhauses, in dem die Patienten die Leitung der Anstalt übernommen haben.
Leider zeigen immer mehr Daten, dass dies keine miselsüchtige Fantasie, sondern schon längst bittere Realität ist.
Eine Realität, die sich zum Beispiel an der Entwicklung von ausländischen Investitionen in Fabriken, Forschungslabors und schlaue Mitarbeiter im internationalen Vergleich gut zeigt. So stiegen diese Investitionen zwischen 2012 und 2022 in den Vereinigten Staaten von rund 200 auf knapp 300 Milliarden Dollar, während sie in der Europäischen Union von 320 auf unter 200 Milliarden Dollar zurückgingen.
Mehr muss man eigentlich nicht wissen, wo Wirtschaft und Unternehmen gedeihen – und wo eher nicht.
Europa am Pannenstreifen
Deshalb haben die USA Europa – was gerne verdrängt wird – wirtschaftlich im letzten Jahrzehnt auch überholt, um nicht zu sagen deklassiert. War die Wirtschaftsleistung der Amerikaner und der Europäer noch um 2010 etwa gleich groß, so liegen die USA mittlerweile um etwa dreißig Prozent über den Europäern, Tendenz weiter steigend. Unser Abstieg hat also in Wahrheit schon längst begonnen.
Klima-Religion statt Wachstum
Dass der durchschnittliche Europäer das nicht wirklich bemerkt, hat mehrere Ursachen. Erstens, ganz trivial, dass die allermeisten Leute kaum nach New York, Miami oder Los Angeles kommen und einen direkten Vergleich anstellen können. Zweitens, dass in der EU jeder drohende Wohlstandsverlust sofort vom Nanny-Staat mit Zuwanderungen aller Art kompensiert wird, halt zulasten unserer Kinder und Enkelkinder. Und drittens, weil in Europa, zumindest im Westen, das Streben nach Wohlstand vor allem unter den Jüngeren teilweise durch irrationale Heilsversprechen der Klima-Kirchen ersetzt wurde, was auch nicht wirklich hilfreich ist.
Gutes Essen, wenig Wohlstand
Leider ist weit und breit keine ernsthafte politische Gruppierung zu sehen, die sich dieser Entwicklung ernsthaft entgegenstemmen würde; auch die konservativen Parteien sind ja schon längst von dem unterminiert, was der große österreichische Ökonom Friedrich August von Hayek “die Sozialisten in allen Parteien” nannte. Radikale wirtschaftsliberale Reformen, wie sie in Argentinien gerade umgesetzt werden, wären zwar auch in der EU längst fällig, sind aber nicht einmal annähernd denkbar.
Junge, tüchtige Menschen können sich dieser Gefahr des Abstiegs entziehen, indem sie einfach ihren Ranzen schnüren und den alten Kontinent verlassen, was ja schon genug machen, gerade die tüchtigen und leistungsbereiten.
Dem Rest bleibt, wohl früher als später, wie der Ericcson-Chef so schön gemeint hat, ein Museum mit gutem Essen, ordentlichem Wein und schöner Landschaft.
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