Seit einigen Monaten, in denen Deutschland genau das macht, was die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel – übrigens genauso wie damals ihr österreichischer Amtskollege Werner Faymann (SPÖ) – für unmöglich erklärt hat, nämlich die Grenzen zu den Nachbarländern von der Polizei kontrollieren zu lassen, ist die Zahl der illegalen Zuwanderer nicht gerade dramatisch, aber durchaus merkbar zurückgegangen. Allein die 66.000 stichprobenartigen Kontrollen an der Grenze zur Schweiz während der Fußball-EM führten zu mehr als tausend Zurückweisungen. Um diesen Zusammenhang zu kapieren, genügt eigentlich eine Portion gesunder Menschenverstand, aber der ist offenbar nicht allen in der Politik handelnden Personen gegeben.

Das Arbeitsleid der Schlepper

Weshalb nun eine Gruppe deutscher EU-, Bundestags- und Landtagsabgeordneter prompt und allen Ernstes eine Petition verfasst haben, in der sie fordern, die Kontrollen an der deutschen Außengrenze wieder abzuschaffen. Offenbar ist das mit diesen Checks verbundene Arbeitsleid der Schlepper und Schleuser für die Grünen eine Art menschenverachtende neoliberale Zumutung, die es zu beseitigen gilt, damit Afghanen, Syrer oder Afrikaner wieder unbehelligt in den deutschen Sozialstaat einreisen können.

Nun stimmt schon, dass die grenzenlose Reisefreiheit in der EU ein Wert ist, den man nicht einfach so zur Seite kehren sollte, weil es politisch opportun ist.

Nur: Wenn die massiven Probleme mit der Migration und manchen Migranten derart eskalieren, wie das sowohl in Deutschland als auch in Österreich derzeit der Fall ist, dann wird die erforderliche Güterabwägung dazu führen müssen, dass Grenzkontrollen weniger schädlich sind als das Hinnehmen ungebremster Zuwanderung aus Problemgegenden. “Wer weniger Asylmigration will, muss dafür sorgen, dass weniger Asylanträge gestellt werden. So einfach ist das, schrieb dazu jüngst die Neue Zürcher Zeitung in der dort üblichen Klarheit: “Ein verschärftes Grenzregime ist deutlich effizienter als die Methode Merkel, erst alle ins Land zu lassen und dann wenige abzuschieben.”

Prokrastination und Politik

Das Problem dabei ist, dass die heute (noch) regierenden Parteien in Deutschland wie in Österreich in der Praxis dem jeweils aktuellen und akzeptierten Erkenntnisstand um mindestens zwei Schritte hinterherhinken.

Bis vor nicht allzu langer Zeit galt ja jeder als ausländerfeindlicher Rechtsextremist, der die massiven Probleme der Migration aus der arabisch/muslimischen Welt auch nur beim Namen nannte.

Diese Phase der Verdrängung scheint nun mehr oder weniger vorbei zu sein. Wenn etwa im Kurier jüngst in einem Leitartikel völlig korrekterweise zu lesen ist, dass wir eine “schleichende Unterwerfung” unter den Islam erleben, wenn Schweinefleisch aus Kindergärten und Schulen verschwindet, immer mehr verhüllte Frauen das Stadtbild verunstalten und die sexuelle Revolution der 1968er Geschichte wird, dann ist das schon ein ziemlicher Erkenntnissprung nach vorne gegenüber dem Stand von 2015 und der damaligen “Willkommenskultur”.

Wer damals eine “schleichende Unterwerfung” unter den Islam prophezeit hatte, wurde als rechter Spinner denunziert; heute setzt sich die Erkenntnis, dass es wirklich so ist, langsam durch, langsam, aber eben doch.

Was aber noch immer weitestgehend fehlt, ist die Umsetzung dieser Erkenntnisse in politisches Handeln. Davon, dass der deutsche Bundeskanzler ankündigt, dass endlich mehr abgeschoben wird, verschwindet nämlich bedauerlicherweise kein Einziger jener, die kein Recht auf Aufenthalt bei uns haben.

Was jetzt dringend nötig wäre, um das Problem wenigstens halbwegs in den Griff zu bekommen, ist hinlänglich bekannt und beschrieben: ein wesentlich robusterer Schutz der Außengrenzen der EU samt Zurückweisung von Migranten gleich dort; permanente Kontrollen an den Binnengrenzen, wo dies zweckmäßig ist; die Verlagerung der Asylverfahren in Staaten außerhalb der Union, wie das etwa Italien in Albanien plant; die deutliche Reduktion von Sozialleistungen für Personen, die vorher nie in das Sozialsystem eingezahlt haben; großflächige Abschiebeflüge für Straftäter, auch in Richtung Syrien oder Afghanistan, und schließlich eine Politik der “Zero Tolerance” gegenüber all jenen Migranten, die meinen, unsere Art des Zusammenlebens anspucken zu können.

Die Präpotenz des Herrn Hacker

All das wäre innerhalb weniger Monate umsetzbar, gäbe es so etwas wie einen politischen Konsens über die Notwendigkeit derartiger Schritte.

In der Bevölkerung gibt es diesen Konsens nicht völlig, aber weitgehend. In der Politik leider – noch – nicht, weder in Deutschland noch in Österreich. Die dreiste und anmaßende Präpotenz, mit der etwa der Wiener SPÖ-Politiker Peter Hacker die Kritik an der 4600-Euro-Sozial-Gage für eine große syrische Familie wegbürstete, zeigt augenfällig, wie weit die Politik hinter dem herhinkt, was Sache ist, genauso wie die Petition der deutschen Grünen, die Grenzen doch bitte nicht zu kontrollieren.

Sehr lange wird diese Verdrängung freilich nicht funktionieren – von Tag zu Tag erleben und begreifen immer mehr Menschen, wie hier ihre Lebensqualität leidet und Zustände zur Normalität geworden sind, die noch vor wenigen Jahren als völlig inakzeptabel gegolten hätten, nicht nur am Reumannplatz oder am Yppenmarkt.

In England, wo seit Wochen bürgerkriegsähnliche Unruhen aufflackern, kann man recht gut beobachten, was passieren wird, wenn weiter nichts geschieht. Eine Politik, die trotzdem prokrastinierend das Notwendige verweigert, wird sich die Mitschuld an einer derartigen Katastrophe zurechnen lassen müssen.