Kolumne Gerald Loacker: Lohnnebenkosten – Ein Ruf zur Sache
Die Lohnnebenkosten (LNK) sind in Österreich höher als in den meisten anderen westlichen Ländern. Damit ein Angestellter 2.500 € netto verdient, muss sein Arbeitgeber 4.684 € in die Hand nehmen, davon sind ca. 1.060 € sogenannte Lohnnebenkosten. Viele Ökonomen fordern daher eine Senkung dieser verschiedenen Lohnabgaben ein, während gleichzeitig Arbeiterkammer und das Momentum-Institut warnen, eine solche Senkung würde den Sozialstaat aushöhlen. Wer hat recht?
Nüchtern und sachlich betrachtet, betreffen manche Elemente der LNK tatsächlich den Sozialstaat, z.B. die Pensionsversicherungsbeiträge, andere berühren ihn gar nicht, z.B. Kammerumlagen. Daher erfordert dieser Themenkreis eine Betrachtung im Detail.
Wenn wir vorweg die Pensions- und die Krankenversicherung als Kernelemente des Sozialstaates ausklammern, wo wären dann noch Senkungen möglich?
Die Kammerumlage 2 für die Wirtschaftskammer könnte ersatzlos entfallen. Eigentlich müsste eine vernünftige Gewerkschaft laut protestieren, weil es keinen Sinn ergibt, mit den Arbeitslöhnen ihrer Mitglieder die Arbeitgebervertretung zu finanzieren. Mit dem Sozialstaat hat das nichts zu tun.
Der Wohnbauförderungsbeitrag, immerhin 1 % von jedem Lohn und Gehalt, geht an die Bundesländer. Die Länder verwenden aber nur 37 % davon für Wohnbau. Die anderen 63 % versickern in den Landesbudgets, wie eine Berechnung des IIBW ergibt. Eine Kürzung des WBF-Beitrages ließe den Sozialstaat völlig unberührt.
Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag, dessen 5,9 % sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Hälfte teilen, ist mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Exzessive Bildungskarenzen kosten hunderte Millionen Euro jedes Jahr. Und die geblockte Altersteilzeit, die erst 2029 endlich ausläuft, sponsert Personalabbauprogramme für Unternehmen. Mit dem Sozialstaat, also dem Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe, haben diese sozialpolitischen Wellnessprogramme nichts zu tun.
Mit 1,1 % von jedem Lohn und Gehalt für die Unfallversicherung zahlen die Erwerbstätigen in der freien Wirtschaft mehr als doppelt so viel wie der öffentliche Dienst mit seinen 0,47 %. Natürlich gibt es gefährliche Arbeiterjobs. Aber auch im öffentlichen Dienst lebt es sich nicht immer gemütlich im Ärmelschoner, man denke nur an Polizeistreifen. Die AUVA ist der Sozialversicherungsträger mit den höchsten Verwaltungskosten und Versorgungsquelle für bedürftige Wirtschaftsbündler. Da wäre Einsparungspotenzial, ohne dass die Versicherten etwas merken.
Schon komplizierter wird es mit dem Familienlastenausgleichsfonds, den 3,7 % von jedem Gehalt. Zwar finanziert der FLAF das Kinderbetreuungsgeld und die Kindererziehungszeiten in der Pensionsversicherung. Aber für die Schülerfreifahrt überweist er an die Verkehrsverbünde oft mehr, als Erwachsene für ein Jahresticket bezahlen. Ganz abgesehen davon, ist die Frage unbeantwortet, warum die Arbeiter und Angestellten die Familienleistungen für Bauern, Selbständige und Studentinnen alleine finanzieren. Das System der Familienleistungen braucht eine grundlegende Neuordnung seiner Finanzierung, möglicherweise eben nicht über Löhne und Gehälter.
So zeigen ein paar kleine Beispiele, dass lange nicht alle Teile der Lohnnebenkosten mit dem Sozialstaat verbunden sind. Daher kann auch nicht jede Reform unser Sozialwesen betreffen. Das kann man doch sachlich diskutieren, ohne das Ende der sozialen Absicherung an die Wand zu malen.
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