Kolumne Rudolf Öller: Befreiendes Lachen
Der großartige Roman “Der Name der Rose” enthält eine Schlüsselszene, in der es um das Lachen geht. Ein verbitterter alter Mönch ist entschlossen, die letzte noch erhaltene Abschrift eines Buches des Philosophen Aristoteles zu vernichten. Es geht um die Philosophie des Lachens, und das hasst der Mönch so sehr, dass er dem aufgeschlossenen Franziskanermönch William erklärt, warum das Buch vernichtet werden muss.
“Das Lachen vertreibt dem Bauern für ein paar Momente die Angst. Doch das Gesetz verschafft sich Geltung mit Hilfe der Angst, deren wahrer Name Gottesfurcht ist. Und aus diesem Buch könnte leicht der teuflische Funke aufspringen, der die ganze Welt in einen neuen Brand stecken würde, und dann würde das Lachen zu einer neuen Kunst, die selbst dem Prometheus noch unbekannt war: zur Kunst der Vernichtung von Angst! Der lachende Bauer fürchtet sich nicht vor dem Tod, solange er lacht. … Einst sagte ein griechischer Philosoph, man müsse die Ernsthaftigkeit der Gegner durch Lachen zersetzen. Wohlan, die Weisheit unserer Väter hat ihre Wahl getroffen: Wenn das Lachen das Vergnügen des niederen Volkes ist, so muss die Freiheit des niederen Volkes in engen Grenzen gehalten, muss erniedrigt und eingeschüchtert werden durch Ernst.”
An anderer Stelle heißt es: “Gewiss ist das Lachen dem Menschen eigentümlich, es ist das Zeichen unserer Beschränktheit als Sünder. … Aus diesem Buch ließe sich der Gedanke ableiten, dass der Mensch auf Erden … den Überfluss des Schlaraffenlandes genießen könnte. Genau das aber ist es, was wir nicht anstreben dürfen …”
Rinderwahnsinn
Nichts fürchten totalitäre Herrscher so sehr wie ein lachendes Volk ohne Angst. Auch bei uns im Westen neigen Politiker und Journalisten dazu, uns Angst zu machen und uns den täglichen Weltuntergang auf das Frühstücksbrot zu schmieren. Früher haben Sekten die Welt in Endlosschleife untergehen lassen, heute sind es Medien.
Das Waldsterben war ein beobachtbares Phänomen, aber das Ausmaß wurde in den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts so aufgebläht, dass es in Europa heute gar keine Bäume mehr geben dürfte, wenn die Prognosen eingetroffen wären. Wer erinnert sich noch an BSE zur gleichen Zeit? Man sprach allgemein vom “Rinderwahnsinn”. Alles vergessen!
H1N1 und H5N1
In der Grippesaison 2002/03 sorgte SARS für Panik. Es handelte sich um eine virale Lungeninfektion. Das Virus breitete sich von China kommend weltweit aus. Die gesamten Todeszahlen entsprachen ungefähr den Verkehrstoten eines Jahres in Österreich. Monatelang wurden die Menschen mit Bildern gefährlich aussehender Menschen in Schutzanzügen mit Maske und Schutzbrille traktiert. Diese Bilder verschwanden gleichzeitig mit SARS. Von der Schweinegrippe (Virustyp H1N1) wird alle paar Jahre gewarnt, wenn uns sonst nichts Angst macht. In den Jahren 2005/06 bedrohten uns nicht die Schweine, sondern die Vögel. Die Vogelgrippe H5N1 verbreitete durch aufgesetzte Panikmache Angst und Schrecken. Tote Vögel wurden manchmal behandelt wie radioaktiv verseuchte Kadaver. Daunendecken und Brathühner kamen in Verruf. Nach dem Ende der Grippesaison 2005/06 verschwand die Vogelgrippe über Nacht aus den Medien.
Die politischen Maßnahmen während der Coronazeit werden uns noch lange beschäftigen. Die Coronakrise samt den bisweilen übertriebenen Maßnahmen ist zum Glück vorbei, aber die Affenpocken sind schon im Anrollen. So folgt eine Katastrophenwelle auf die andere.
Machtlose Bande
Der Sowjetkommunismus konnte nur mit Hilfe der Angst an der Macht bleiben. Unzählige niedergeschlagene Aufstände im Ostblock bis hin zum Einmarsch von Sowjetsoldaten in die Tschechoslowakei im Sommer 1968 erinnern uns daran, dass damals die Angst regierte. Als diese Angst gegen Ende der Achtzigerjahre schwand, war es um die Macht der Kommunisten geschehen. Einer machtlos gewordenen Bande ausgebrannter Apparatschiks stand ein befreit lachendes Volk gegenüber.
Heute versuchen in Deutschland grüne und andere linke Politiker das alte Rezept der Verbreitung von Angst wieder aus den Mottenkisten der Politik zu holen. Es geht weniger um Bildungs-, Gesundheits-, Sicherheits- und sonstige Sachpolitik. Es geht nur noch um den Kampf gegen rechts, wobei auch wir weltoffenen Bürgerlichen gemeint sind. Viele Zeitgenossen, mich eingeschlossen, halten solche Parolen für lächerliches Geschwätz, doch wir müssen vorsichtig sein. Der “cancel culture”-Terror, der die berufliche Existenz vieler Menschen ruiniert hat, ist noch nicht überwunden.
Ohne Anlass lächeln
Wie ernst es linken Gesellschaftsklempnern ist, erkennt man an einem zum Glück gescheiterten Versuch. Im April 2015 hat eine Arbeitsgruppe im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg angeregt, künftig jede Werbung zu unterbinden, in der Frauen ohne Anlass lächeln. Ferner, so die Arbeitsgruppe, seien alle Darstellungen zu unterlassen, “die vermitteln, dass Frauen hilfsbedürftig, fürsorglich, mit großer Freude im Haushalt beschäftigt …, verführerisch oder schön” seien.
Da sind sie also wieder, die übellaunigen bösen alten Mönche aus Umberto Ecos Roman, die jede Form von Freude, Optimismus und Schönheit verbieten wollen. Diesmal treiben sie nicht im Mittelalter, sondern im 21. Jahrhundert ihr Unwesen. Ihre finsteren Äbtissinen sind die deutsche Innen- und die Familienministerin, ihre Brigaden die unbrauchbaren Antidiskriminierungsbehörden.
“Unseren Hass, den könnt ihr haben” stand im Jänner 2014 in Wien auf einem Transparent von Demonstranten zu lesen. „Unser Gelächter, das könnt ihr haben, ihr Witzfiguren” sollte in jedem Fall unsere Antwort sein, “wir haben keine Angst vor euch!”
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