Laura Sachslehner: Ein unheilvolles Jubiläum – Was nach 10 Jahren Flüchtlingskrise bleibt
Seit 2015 hat sich der europäische Kontinent nachhaltig verändert – das wird heute wohl kaum jemand bestreiten. Doch die Veränderungen sind keineswegs als positiv einzustufen und die nackten Zahlen sprechen eine erschreckende aber deutliche Sprache. Über ein Jubiläum, das uns das politische Versagen Europas der letzten Jahre brutal vor Augen führt.
Wenn andere Medien anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der Flüchtlingskrise von 2015 Kommentare mit dem Titel „Wir haben es geschafft“ veröffentlichen, kann man sich nur noch fragen, in welcher Realität sich denn eben jene Autoren befinden. Diese Zustandsbeschreibung könnte nicht falscher sein. Allein schon die Tatsache, dass wir nur für das Jahr 2015 den Begriff der „Flüchtlingskrise“ gebrauchen, ist trügerisch. De facto ist nämlich alles, was wir im Migrationsbereich in Europa in den letzten 10 Jahren erlebt haben, eine einzige und fortwährende Krise. Und Europa hat bis heute keine Antworten darauf gefunden – keine Antwort auf nicht-funktionierende Abschiebungen, keine Antwort auf mangelnde Rückführungsabkommen, keine Antwort darauf, wie mit straffällig gewordenen Asylwerbern umgegangen werden soll, die man eigentlich sofort des Landes verweisen sollte.
Diese „Krise“ also nur auf einen kurzen Zeitabschnitt begrenzen und einen Haken darunter machen zu wollen, wird dem Problem nicht einmal im Ansatz gerecht. Wir haben die Flüchtlingskrise von 2015 nicht „geschafft“ bzw. gemeistert. Wir haben sie uns in Europa derart einverleibt, dass das mittlerweile seit Jahren unsere tägliche politische Realität ist.
Die nackten Zahlen
Die Folgen dieser Krise sind zum jetzigen Zeitpunkt schon so sichtbar, dass es reicht, sich hier auf einige wenigen Zahlen zu beschränken. Gemessen an der Einwohnerzahl hat Österreich seit 2015 mit Abstand am meisten Menschen aufgenommen. Unsere Gesellschaft hat sich seither in nahezu allen Bereichen verändert. Die Arbeitslosenstatistik offenbart unter anderem, dass österreichische Staatsbürger zu 5,7 % arbeitslos sind. Hingegen sind es bei Nicht-Österreichern 10,5 %. Aus Syrien, Irak und Afghanistan ist fast jeder Dritte arbeitslos. Auch in Sachen Kriminalität zeigt sich ein deutliches Bild. Von 335.000 Tatverdächtigen besitzen über 46 Prozent keinen österreichischen Pass. Auch in den heimischen Gefängnissen sind 53 Prozent aller Häftlinge keine österreichischen Staatsbürger.
In vielen Schulen und Kindergärten sind Probleme mit der deutschen Sprache mittlerweile zum neuen Standard geworden. Debatten über das Kopftuch, Zwangsehen und frauenverachtende Wertvorstellungen begleiten uns nun seit Jahren intensiv. Die ewige Frage nach der Integration der vielen Menschen, die zu uns gekommen sind, bestimmt seit Jahren den politischen Diskurs. Und kaum eine Wahl ist in den letzten Jahren ins Land gezogen, bei der nicht das Thema Migration und der Umgang mit Zuwanderern eines der wichtigsten Wahlmotive waren. Diese Situation ist keine österreichspezifische, sondern ist in vielen anderen EU-Staaten ähnlich dramatisch.
Kolossales Scheitern
Österreich hat eindeutig seinen Beitrag geleistet. Aber der Preis, den wir dafür zahlen, lässt sich schon lange nicht mehr wegdiskutieren und wird von vielen zurecht als Gefahr gesehen. Währenddessen verstrickt sich die Europäische Union seit Jahren in faulen Ausreden und schafft es nicht, in der Asylfrage auch nur einen Millimeter weiterzukommen. Egal, ob es ein neues EuGH-Urteil ist oder der Widerstand einzelner politischer Vertreter – irgendein Grund findet sich immer, wieso in der Lösung der Migrationskrise trotz mittlerweile unfassbaren gesellschaftlichen Drucks nichts weitergeht. Dieses Jubiläum ist für die Mehrheit der Menschen also keines, an dem sie irgendetwas hoffnungsvoll Revue passieren lassen möchte, was die letzten Jahre geschehen ist. Keines an dem man weitere salbungsvolle Worte aus Brüssel hören möchte, wonach sich in den nächsten zwei Jahren jetzt angeblich alles ändern werde. Und es ist sicherlich keines, das positiv zur Stimmung in der Bevölkerung beiträgt. Denn diese 10-Jahres-Marke zeigt vor allem eines auf: Wir haben es nicht geschafft. Viel mehr noch – wir sind kolossal gescheitert. Und die Europäische Union steht mehr denn je am Scheideweg.
Auch wenn Politiker wie Angela Merkel und Christian Kern nach wie vor jede Gelegenheit nutzen, um ihre falsche Politik von damals peinlichst zu rechtfertigen, so bleibt es doch offensichtlich: Das Jahr 2015 fordert bis heute seinen Tribut. Auch zehn Jahre später haben wir nach wie vor keine Kontrolle über unsere Außengrenzen und somit keine Kontrolle darüber, wer sich auf unserem Kontinent aufhält und wer nicht. Das hat nichts mehr mit staatlicher Souveränität zu tun. Schafft es die EU nicht schnellstens das zu ändern und dem Ganzen Einhalt zu gebieten, wird sie daran zerbrechen.
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