Laura Sachslehner: Keine Abschiebungen - Warum der EuGh unseren Kontinent gefährdet
Wieder einmal macht der Europäische Gerichtshof Politik auf dem Rücken der Nationalstaaten. Mit seinem neuen Urteil, wonach Mitgliedsstaaten genau darlegen müssen, warum sie welche Herkunftsstaaten als sicher einstufen, legt der EuGH erneut jeglichen Fortschritt in der europäischen Asylfrage lahm. Dringend benötigte Abschiebungen werden damit weiter erschwert.
Kennen Sie „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende? Dieser Roman zählt heute zwar zu den Klassikern der Kinder- und Jugendliteratur, doch für mich persönlich war die Lektüre dieses Werkes in meiner Jugend eine absolute Qual. Selten habe ich etwas derart Langatmiges und Langweiliges gelesen. Und egal, wie oft ich mir Rezensionen und Interpretationen dieses vielfach gepriesenen und angeblichen literarischen Meisterwerks durchlese, ich komme immer wieder zum gleichen Schluss: Es bleibt eine wirre und sich stets auf irritierende Art und Wiese wiederholende sinnlose Erzählung über eine Handvoll Charaktere, die einen mit jeder neuen Seite immer weiter frustrieren. Und genau dieses Bild verkörpert leider auch der Europäische Gerichtshof.
Realitätsfremde Urteile
Anstatt in seiner Rechtsprechung endlich einen Beitrag zu leisten, um die vielen gravierenden Probleme auf unserem Kontinent leichter bewältigen zu können und Klarheit in schwierigen Fragen zu schaffen, tut der Europäische Gerichtshof genau das Gegenteil. Mit nahezu jedem Urteil – vor allem in Migrationsfragen – aus den letzten Jahren, verschärft der EuGH die Situation immer weiter und gefährdet unseren Kontinent nachhaltig. Wir erinnern uns zum Beispiel an das Urteil vor einigen Monaten, das besagte, dass alle Frauen aus Afghanistan automatisch ein Recht auf Asyl in der EU hätten. Welche Folgen das für Europa haben könnte, wenn tatsächlich alle Frauen aus Afghanistan davon Gebrauch machen und – inklusive ihrer engsten Familienangehörigen – nach Europa kommen würden, scheint dabei niemand bedacht zu haben.
Ähnlich realitätsfremd gestaltet sich die Situation nun mit dem jüngsten Urteil in der Causa Abschiebungen. Hintergrund des Urteils ist das Vorhaben der italienischen Regierung unter Giorgia Meloni, Asylwerber in Albanien unterzubringen und mittels Schnellverfahren über deren Asylstatus zu urteilen und sie gegebenenfalls von dort wieder zurück in ihre Herkunftsländer zu bringen. Ein absolut berechtigtes Unterfangen – vor allem wenn man die Asylzahlen Italiens kennt, mit denen sich der Staat seit Jahren auseinandersetzen muss. Italien zählt mit Österreich, Deutschland und einigen anderen EU-Staaten zu den Ländern, die das mit Abstand größte Interesse an einer Kurskorrektur in der europäischen Asylfrage haben. Doch wie so oft macht ihnen hier nun der EuGh einen Strich durch die Rechnung.
Ein weiteres Jahr Stillstand
Denn mit diesem Urteil legt der EuGH neue Hürden für die Einstufung sicherer Herkunftsländer fest. Mitgliedsstaaten müssen in Zukunft nicht nur genau belegen, warum sie einzelne Staaten als sicher einstufen, sondern auch noch sicherstellen, dass wirklich alle Menschen im jeweiligen Land sicher sind. Was jetzt auf den ersten Blick etwas sperrig klingt, bedeutet in der Praxis: Noch mehr Bürokratie und mehr Hindernisse in Sachen Abschiebungen. Und das obwohl hier die Europäische Union ohnehin schon massiven Aufholbedarf hat. Vor einigen Wochen erst hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eingestanden, dass man bei Abschiebungen einen nach wie vor ungelöst hohen Bedarf habe und gelobte in dieser Hinsicht rasche Besserung und neue Maßnahmen, um das Ganze schnellstmöglich zu vereinfachen. Jetzt ist nun erneut das genaue Gegenteil eingetreten. Anstatt sie zu vereinfachen werden Abschiebungen nun noch komplizierter und damit mit Sicherheit auch wieder seltener.
Für aufmerksame Beobachter der europäischen Asylpolitik wird das wohl kaum eine Überraschung sein, frustrierend ist es dennoch. Da hilft auch nicht die vielerorts nun getrommelte Beschwichtigungsstrategie, dass in einem Jahr doch ohnehin der Asyl- und Migrationspakt in Kraft treten würde, der neue Regeln für sichere Herkunftsstaaten mit sich bringen würde. Denn ein Jahr ohne effektive Abschiebungen ist für Europa mit dessen migrationspolitischen Herausforderungen schlichtweg verheerend. Ein weiteres Jahr Stillstand können wir uns definitiv nicht leisten. Die unendliche Geschichte europäischen Versagens in der Asylpolitik geht also weiter und vollzieht somit erneut eine Wendung in die falsche Richtung. All das ist ähnlich sinnlos zu lesen und zu verfolgen wie Michael Endes Klassiker für Kinder.
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