Manfred Maurer: So wird das nix mit dem Kampf gegen Antisemitismus
Schach dem Antisemitismus! Die Bundesregierung geht die Herausforderung an, erkennt die muslimische Dimension des Problems, benennt aber weiter nicht Ross und Reiter. So wird das nix!
Es ist hierzulande noch immer keine Selbstverständlichkeit, muslimischen Antisemitismus offen anzusprechen. Im Frühjahr hatte das Integrationsministerium das vom European Leadership Network (ELNET) entwickelte Projekt „Fragemauer” lanciert, das Fragen zum Thema Israel und Antisemitismus „fundiert” beantworten wollte. Die Frage: „Woher kommt der Judenhass” wird etwa mit einer ausführlichen Darstellung der christlichen – katholischen wie protestantischen – Wurzeln des Antisemitismus beantwortet, während jeder Hinweis auf den muslimischen Ursprung in Koran und Hadithen fehlt. Ein ELNET-Vertreter rechtfertigte diese Unterschlagung mit dem Hinweis, man habe „bewusst auf die historischen Ursprünge des Antisemitismus fokussiert”. Ja, aber warum nur auf die christlichen und nicht auch die muslimischen? „Eine breitere, tiefgehende Diskussion hätte den Rahmen der Kampagne gesprengt”, so der ELNET-Chef.
Lückenhaftes Lehrmaterial
Umso bemerkenswerter, dass die Bundesregierung nun auch Mohammeds hirnvergiftendes Vermächtnis in ihre Betrachtungen einschließt. Allerdings tut sie das sehr unaufdringlich. In der Basisinformation zur gerade präsentierten „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus 2.0″ auf der Homepage des Bundeskanzleramtes kommt muslimischer Antisemitismus ebenso wenig vor wie in der Presseaussendung des Bildungsministeriums zum Projekt „Antisemitismus in der Schule – Case Management Strategien und Empfehlungen für Schulmanagement und Lehrpersonen“. Auch auf der Website schule-ohne-antisemitismus.at tragen viele Links nicht dem aktuellen Geschehen Rechnung und sind einfach „links”. So wird in der Rubrik „Formen und zentrale Problemstellungen” die Hamas zwar als „islamistische Terrororganisation” benannt, was vor dem 7. Oktober 2023 in den vom Ministerium bereitgestellten Bildungsmaterialien nicht üblich war, ansonsten aber findet sich kein Islam-Bezug. Auch die verlinkte Analyse der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) über „Antisemitische Verschwörungstheorien in Geschichte und Gegenwart” befasst sich umfangreich mit den christlichen Wurzeln des Antisemitismus, erwähnt aber mit keinem Wort dessen islamische Quellen.
Empfohlen wird Lehrkräften die persönliche Weiterbildung zum Thema Antisemitismus – konkret die Seite erinnern.at. Die dafür verantwortliche Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD) bietet in der Rubrik „Erscheinungsformen des Antisemitismus” nur christliche Bezüge, auch das Kapitel „Antisemitismuskritische Bildungsarbeit” kommt ohne Hinweis auf muslimischen Judenhass aus. In einer extra erstellten Handreichung zum Hamas-Überfall auf Israel wird die islamistische Terrororganisation erst in einem Untermenü als solche eingestuft.
Post-Nazi-Gesellschaft
Karin Liebhart vom Institut für Konfliktforschung (IKF), welches federführend ist beim Antisemitismus-in-der-Schule-Projekt, betont, dass „die wissenschaftliche Analyse verschiedener Erscheinungsformen und Aspekte von Antisemitismus nicht der Zweck dieser Handreichung (ist), vielmehr geht es um konkrete Interventionsmöglichkeiten im Schulalltag”. Sie verweist zudem auf „Ergebnisse unserer Forschung, dass die Vorstellung, ein ‘neuer’ muslimischer/linker Antisemitismus hätte den ‘alten’, rechten, mit dem Erbe des Nationalsozialismus verbundenen Antisemitismus abgelöst, zu kurz greift”. Sie unterschätze nämlich die Kontinuitäten und die Bedeutung der post-nationalsozialistischen österreichischen Gesellschaft. Aktueller Antisemitismus greife auf das bestehende Repertoire des österreichischen Antisemitismus zurück und reartikuliere dieses. Also: Irgendwie ist Österreich an jedwedem Antisemitismus schuld.
Muslime Spitzenreiter
Das dürfte man im Bundeskanzleramt etwas anders sehen. Zwar kommt auch dieses – wie erwähnt – in der Ankündigung der „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus 2.0″ ohne Erwähnung des Islamismus aus, das Dokument spricht aber durchaus Klartext und straft die These von der österreichischen „Post-Nazi-Gesellschaft” mit der jüngsten Erhebung der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Lügen. Demnach hatten von den 1520 im Jahr 2024 dokumentierten antisemitischen Vorfällen 453 einen muslimischen, 376 eine linken, 223 einen rechtsextremen Hintergrund (468 Vorfälle waren ideologisch nicht eindeutig bestimmbar).
Als nur logische, manchen Linken sicher nicht in den Kram passende Konsequenz lässt sich die Bundesregierung nun doch auf die breitere, tiefgehende Diskussion ein, die beim Fragemauer-Projekt noch nicht gefragt war. „Islamischer bzw. islamistischer Antisemitismus hat nicht nur in Europa, sondern auch in muslimisch geprägten Gesellschaften eine lange Tradition”, heißt es in dem Strategiepapier, „Antijudaismus ist somit nicht auf das Christentum beschränkt, sondern findet sich auch im Islam”. Verwiesen wird auf „einige Stellen” im Koran, „die Jüdinnen und Juden etwa als feige und feindlich darstellen oder mit Tiervergleichen abwerten”. Auf die Spitze treiben will man es mit dem muslimisch-antisemitischen Befund aber dann doch nicht und stellt fest: „Gleichwohl konnten Jüdinnen und Juden als Schutzbefohlene über Jahrhunderte ein relativ sicheres Leben in islamisch geprägten Ländern führen”.
Abendländische Schuld
Ganz so schlimm war’s demnach also auch wieder nicht. Den fast 900.000 vor 1948 in arabischen Ländern lebenden Juden hat es dort sogar dermaßen gefallen, dass bis auf ein paar Tausend alle das Weite gesucht haben oder suchen mussten. Aber wir wollen doch nicht rütteln am Dogma der abendländischen Schuld. Dass es schon unter Mohammed Massaker an Juden gegeben hatte und Islamisten Hitler noch heute für den Holocaust bewundern – so tiefgehen muss die Debatte dann doch nicht.
Ein Historiker- und Theologenstreit um die antisemitische Quellenforschung brächte uns im Kampf gegen den modernen Judenhass aber tatsächlich nicht weiter. Es geht um das Hier und Jetzt.
Nur eine Fußnote...
Doch der Weg, den die Bundesregierung mit Blick auf diese aktuelle Herausforderung beschreitet, hat die Anmutung einer Sackgasse. „Angesichts des zunehmenden Antisemitismus mit muslimischem Hintergrund wird verstärkt auf die aktive Einbindung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) in die Prävention und Zurückdrängung von Antisemitismus geachtet”, lautet eine zentrale Ingredienz des Anti-Antisemitismus-Rezepts. Man ist also sehr nah dran am eigentlichen Problem, traut sich aber dann doch nicht, Ross und Reiter beim Namen zu nennen. Zwar zieht die Bundesregierung aus der erkannten Tatsache, „dass antisemitische Erzählungen auch unter jungen Musliminnen und Muslimen, etwa im akademischen Umfeld, auf Zustimmung stoßen”, die durchaus richtige Schlussfolgerung, nämlich, dass dies „Fragen hinsichtlich der Rolle islamischer Organisationen, Bildungseinrichtungen und religiöser Autoritäten” aufwerfe. Doch worum es da geht, wird in der Fußnote Nummer 88 versteckt: „Im Mai 2025 unterzeichnete die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) eine Absichtserklärung zur Bildungskooperation mit der türkischen Religionsbehörde DIYANET, deren Präsident in der Vergangenheit mit umstrittenen Äußerungen aufgefallen war”.
Missionar Erdogan
„Umstrittene Äußerungen”? Was für ein Euphemismus. DIYANET-Präsident Ali Erbaş hatte Israel nach dem Hamas-Terrorangriff in einer Freitagspredigt als „rostigen Dolch im Herzen der islamischen Geografie“ bezeichnet. Erbaş wurde zwar im September – sicher nicht wegen seiner judenfeindlichen Sprüche – durch Safi Arpaguş abgelöst, eine Richtungsänderung der Präsident Recep Tayyip Erdogan direkt unterstehenden Religionsbehörde ist jedoch weder erkennbar, noch zu erwarten. Unverändert kann jeder Interessierte auf der DIYANET-Homepage eine Analyse zum Vers 51 der Koransure Al-Ma’ida nachlesen, die Muslime dazu auffordert, keine Freundschaft mit Christen und Juden zu pflegen. In einer ausführlichen Erläuterung werden Muslime gewarnt, „dass Freundschaft mit Juden und Christen mehr Schaden als Nutzen anrichten wird”. Ein ebenfalls dort nachzulesender Kommentar zur Sure 4:34, die Männern in letzter Konsequenz das Schlagen aufsässiger Ehefrauen erlaubt, eiert theologisch herum zwischen eigentlich doch verboten aber unter Umständen schon zulässig, anstatt in einem kurzen Satz jegliche Gewalt gegen Frauen als absolutes No-Go zu qualifizieren. Nicht zufällig ist hat Erdogan vor vier Jahren – auch unter dem Beifall hiesiger Fundis – den Austritt aus der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen verfügt.
Bildungsoffensive
Der Präsident und DIYANET verfolgen ihren missionarischen Anspruch auch außerhalb der Türkei. Erst am vorigen Wochenende haben in St. Johann im Pongau 250 Mitglieder der ATIB-Union eine fünfmonatige Ausbildung abgeschlossen. Diese Damen (ausschließlich Kopftuchträgerinnen) und Herrn werden nun in 62 ATIB-Moscheen über ganz Österreich verteilt Erdogans muslimbruderschaftliche Islam-Version verbreiten, was zwar säkulare Muslime unter den Austro-Türken auf die Palme bringt, aber von Politik und Medien nicht einmal wahrgenommen wird. Organisiert hatte diese Ausbildung die ATIB-Union in Kooperation mit DIYANET, die damit ihren – hierzulande bislang ebenfalls ignorierten – „Stratejik Plan 2024-28″ zur Intensivierung der türkischen Islamisierungsoffensive auch im Ausland umsetzt.
Ehrenwerte Terroristen
Festredner bei der Übergabe der Abschlusszertifikate war neben Religionsattaché Nasuh Aydemir von der türkischen Botschaft in Wien der hochrangige DIYANET-Funktionär Fatih Okumuş. Dessen privaten Instagram-Account „ziert” ein Bild des im Juli 2024 in Teheran getöteten Hamas-Führers Ismail Haniye mit dem darunter getippten Text: „Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Märtyrertum, ehrenwerter Mann von Gaza.”
Das war nicht der einzige Vorfall dieser Art in letzter Zeit. Mitte Oktober hatte ATIB, die größte Kultusgemeinde der IGGÖ, ein Webinar mit einem anderen DIYNAET-Oberen organisiert, der in sozialen Medien den ebenfalls von den Israelis eliminierten Organisator der Hamas-Überfalles, Yahya Sinwar, mit einem Gedenkbild und dem Zusatz „Ich bin Sinwar” gewürdigt hatte. Eine vor zwei Wochen bei DIYANET in Mauthausen aufgetretene türkische Predigerin lobpreist in einem DIYANET-Magazin den palästinensischen „Geist des Dschihad” und verkündet, dass Jerusalem den Muslimen gehört.
IGGÖ Teil des Problems
Und genau mit dieser Truppe kooperiert die IGGÖ auf höchster Ebene. Die IGGÖ ist damit nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Das sollte in einem ernst gemeinten Strategiepapier gegen Antisemitismus nicht mit einer nebulosen Fußnote abgetan werden. Auch IGGÖ-Lippenbekenntnisse gegen Antisemitismus können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die österreichische Muslimevertretung ihr originäres Antisemitismus-Problem nicht wirklich angegangen ist. Denn die IGGÖ-Repräsentanten beziehen sich bei ihren anti-antisemitischen Aktivitäten stets auf den autochthonen Antisemitismus, also den nationalsozialistischen bzw. christlichen. Deshalb reiste IGGÖ-Präsident Ümit Vural vor zwei Jahren sehr gern mit dem Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister nach Auschwitz, um mitreisende Journalisten, aber offensichtlich auch die Israelitische Kultusgemeinde (IKG), mit seinem Mantra „Antisemitismus hat keinen Platz im Islam” zufriedenzustellen. Die Shoah solle auch Thema im islamischen Religionsunterricht werden, wurde mitgeteilt. Na klar, die Shoah, mit der Muslime nichts zu tun hatten…
Hitler und Muslime
Oder hatten sie etwa doch? Vurals Besuch in Auschwitz hätte tatsächlich ein historisches Ereignis sein können, hätte er dort nicht allgemein der Millionen Nazi-Opfer gedacht, sondern ganz konkret jener mehr als 6000 jüdischer Kinder aus Rumänien und Ungarn, die 1942 entgegen Adolf Eichmanns urspünglichem Plan nicht gegen ein Kopfgeld nach Palästina, sondern in die Gaskammern von Auschwitz geschickt worden waren. Die Kinder verdankten ihren Tod einer Intervention des Großmuftis von Jerusalem, Amin al-Husseini, bei seinen Berliner Nazi-Freunden. Wird diese „Großtat” des geistigen Vaters der Hamas im islamischen Religionsunterricht ebenso gewürdigt wie der von Husseini orchestrierte Aufbau muslimischer SS-Divisionen am Balkan? Fragen dazu lässt die IGGÖ lieber unbeantwortet. Schließlich ist al-Husseini ein Säulenheiliger der Muslimbrüder.
Vorbildliche Kirchen
Natürlich wäre es naheliegend, eine muslimische Interessensvertretung als logischen Partner im Kampf gegen muslimischen Antisemitismus zu betrachten. So wie die katholische und die protestantischen Kirche beim Austrocknen des christlichen Nährbodens für Judenhass. Aber während die christlichen Kirchen in dieser Hinsicht ihre Hausaufgaben längst erledigt und Asche aufs Haupt gestreut haben, bleibt die IGGÖ den Nachweis ihrer Glaubwürdigkeit durch Aufarbeitung der islamischen Antisemitismusgeschichte bislang schuldig. Sie kann kein ernstzunehmender Partner sein, solange sie die Kooperation mit Organisationen wie DIYANET forciert, die neben einem ewiggestrigen Islam-Verständnis Antisemitismus in Reinkultur verbreiten. Sie kann kein ernstzunehmender Partner sein, solange die zur Milli-Görüs-Gemeinschaft zählende Islamische Föderation zu ihren Veranstaltungen türkische Stargäste nach Österreich holt, die im Internet von Allah die Vernichtung Israels erbeten und Terroristen huldigen. Sie kann kein ernstzunehmender Partner sein, solange die Islamische Föderation, aus der auch Präsident Vural kommt, sich nicht ohne Wenn und Aber vom Gründer der Milli-Görüs-Bewegung, dem Islamisten und Antisemiten Necmettin Erbakan, distanziert anstatt ihn als „großen Lehrer” zu würdigen.
Solange die Bundesregierung glaubt, in dieser IGGÖ einen ernstzunehmenden Partner gefunden zu haben, wird das nichts mit der „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus 2.0″.
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