Manfred Maurer: Warum redet niemand vom Genozid der Hamas?
Ob Völkermord vorliegt, entscheidet laut UN die Absicht. Sie ist im Nahen Osten eindeutig – nicht bei Israel, sondern bei der Hamas: Ihre Texte lassen keinen Zweifel. Selbst in Wien wird dieser Vernichtungsaufruf verbreitet – über islamistische Schriften in einer Buchhandlung. Wo bleibt die „Null-Toleranz“ der ÖVP?
„Auch bei uns im Westen wird es jetzt endlich ausgesprochen: Das, was in Gaza passiert, ist Völkermord.“ Mit dieser Feststellung warf die Wiener Rechtsanwältin Astrid Wagner vor Kurzem ein gerade von Strafverteidigern hochgehaltenes Grundprinzip unseres Rechtsstaates über Bord. Eigentlich hatte sie das schon vor der letzten Nationalratswahl mit der Kandidatur für eine Partei getan, deren Name „Liste GAZA – Stimmen gegen den Völkermord“ eine Unschuldsvermutung für Israel negiert.
Sinnloser Krieg?
Tatsache ist: Israel führt einen Krieg, dessen Ausmaß und Sinnhaftigkeit selbst unter Israelis bezweifelt wird, obwohl den islamistischen Terrorzentren nicht nur in Gaza, sondern auch im Libanon, Iran, Jemen und letztlich im sich als Teil der Lösung gerierenden, als Hamas-Hauptfinancier aber Teil des Problems seienden Emirat Katar empfindliche Schläge zugefügt wurden.
Schon lange, bevor der Krieg dieses Ausmaß angenommen hat, brachte Südafrika elf Wochen nach dem beispiellosen Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine Völkermordklage gegen Israel ein. Und obwohl in der Folge der spanische Regierungschef Pedro Sánchez eine Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates und sogar der israelische Holocaust-Forscher Omer Bartov das Vorgehen in Gaza als Völkermord eingestuft haben, ändert dies nichts daran, dass Israel von keinem Gericht dieser Welt wegen Völkermordes verurteilt wurde.
Wer ist Völkermörder?
Dass es dazu jemals kommen wird, lässt die Definition des Begriffes Völkermord unwahrscheinlich erscheinen. Der Terminus Völkermord verleitet juristisch unbedarfte Beobachter dazu, darunter das Töten einer sehr großen Anzahl von Individuen eines Volkes, wenn nicht des ganzen Volkes zu verstehen. Tatsächlich geht es bei diesem Straftatbestand gemäß dem UN-Übereinkommen vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes um eine Handlung, „die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.
Die Zahl der Opfer ist jedoch nicht entscheidend für die juristische Definition. Ausschlaggebend ist vielmehr der dolus specialis, also die spezifische Absicht, eine Gruppe als solche zu vernichten. Auch wenn „nur“ wenige Personen getötet werden, kann es Völkermord sein, wenn dies mit der Absicht geschieht, die ganze Gruppe oder einen wesentlichen Teil von ihr zu vernichten.
Wachsendes „Opfervolk“
Ist Israel von einer solchen speziellen Absicht getrieben? Die Antwort ist eindeutig: Nein. Auch wenn der eine oder andere israelische Politiker am äußersten rechten Rand einer Vertreibung der Palästinenser aus Gaza das Wort geredet haben mag, zielen die offizielle Politik und auch das tatsächliche Handeln Israels – ungeachtet (zu) vieler ziviler und tatsächlich unschuldiger Opfer in Gaza – nicht auf eine Vernichtung der Existenz des palästinensischen Volkes.
Selbst wenn eine solche beabsichtigt gewesen wäre, hätten sich die Palästinenser einem Völkermordversuch erfolgreich widersetzt. Die Islamismusforscherin Susanne Schröter verweist etwa auf eine Verzwölffachung der Zahl der Palästinenser seit 1944. Nach Informationen des Palästinensischen Büros für Statistik aus dem Jahr 2025 gibt es weltweit 14,3 Millionen Palästinenser, davon 3,19 Millionen im Westjordanland und 2,17 Millionen in Gaza. 1945 umfasste die Gesamtbevölkerung der palästinensischen Gebiete nach Angaben der PLO 1.764.520 Personen, davon 1.179.000 Araber (die damals noch gar nicht als palästinensisches Volk wahrgenommen wurden, das nur so nebenbei).
Tatabsichtserklärung
Bleiben wir aber bei dem Begriff dolus specialis, also der speziellen Absicht, ein Volk zu vernichten, als wesentliches Kriterium für die Erfüllung des Völkermordtatbestandes. Da finden sich erdrückende Indizien, um nicht zu sagen: Beweise für das Vorliegen einer Völkermordabsicht – allerdings auf palästinensischer Seite: Zum Ausdruck gebracht wird diese nicht nur von einzelnen, vielleicht unbedeutenden Funktionären und Förderern der Hamas, sondern Schwarz auf Weiß in den Dokumenten dieser Terrororganisation. Und zwar sowohl in der „Charta” aus dem Jahr 1988 als auch in dem – aus taktischen Gründen etwas entschärften – „Grundsatzdokument“ von 2017, wobei anzumerken ist, dass die Hamas die Charta niemals für obsolet erklärt, sondern mit dem 2017er-Papier nur ergänzt hat.
Gleich in Kapitel 1 der Charta wird aus der Hadith-Sammlung Sahih al-Buchari zitiert: „Der Prophet – Gott segne ihn und schenke ihm Heil, sprach: ‚Die Stunde wird kommen, da die Muslime gegen die Juden solange kämpfen und sie töten, bis sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken. Doch die Bäume und Steine werden sprechen: ‚Oh Muslim, oh Diener Allahs, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt. Komm und töte ihn!‘ Nur der Gharkad-Baum wird dies nicht tun, denn er ist ein Baum der Juden.‘“
Völkermordaufruf in Wien
Wie sonst als ein Aufruf zum Völkermord muss dieser Text aus der wichtigsten Hadith-Sammlung des sunnitischen Islams verstanden werden?
Nur so nebenbei ein Hinweis an die gerade auf allen Kanälen eine „Null-Toleranz“-Kampagne gegen die Verbreitung radikalen Gedankengutes in Österreich pushende ÖVP: Die Milli-Görüs-Buchhandlung am Sechshausergürtel in Wien verkauft weiter unbehelligt Bücher des Muslimbrüder-Chefideologen Yusuf al-Qaradawi, der in einem dieser Hetzwerke („Fatwas über Palästina“) den erwähnten Hadith ausdrücklich in Bezug auf den heutigen Kampf um Palästina für authentisch erklärt. Der Völkermord-Aufruf wird also hierzulande unter den Augen der (informierten!) Behörden verbreitet. Von wegen: Null Toleranz!?
Auf Gandhis Spuren?
Wer wohlwollend meint, die Hamas habe sich, wenn schon nicht in aller Form, so doch stillschweigend von ihrem Terror-Manifest von 1988 verabschiedet, wird erkennen müssen, dass auch das „Grundsatzdokument“ nicht frei ist von genozidalen Zielformulierungen. So heißt es in Artikel 20: „Die Hamas lehnt jede Alternative zur vollständigen und uneingeschränkten Befreiung Palästinas vom Fluss bis zum Meer ab. … Es gibt keine Anerkennung der Legitimität des zionistischen Staates.“ Ziel der Hamas sei es, „Palästina zu befreien und dem zionistischen Projekt (gemeint ist Israel, Anm.) entgegenzutreten“.
Palästina-Träumer, welche meinen, die Hamas hätte die Absicht, die Israelis mit den Mitteln Mahatma Gandhis und durch gutes Zureden zum Verzicht auf ihr Existenzrecht zu überreden, werden mit Artikel 25 desillusioniert. Dort heißt es: „Im Mittelpunkt steht der bewaffnete Widerstand, der als die strategische Wahl zum Schutz der Grundsätze und Rechte des palästinensischen Volkes angesehen wird“.
Schöngeredete Genozidparole
Auf Gaza-Solidaritätsdemos auch in Österreich wird dennoch – wohl nicht nur aus Unwissen, sondern sehr wohl um die ursprüngliche Bedeutung wissend – mit der Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ auf den die Vernichtung Israels implizierenden Passus des Hamas-Dokumentes Bezug genommen. Weil das gemäß einem Erlass des Justizministeriums strafrechtlich relevant sein könnte, wird die Parole von Aktivisten als Eintreten für eine „Freiheit für alle“ euphemisiert. Unter anderem von der Anwältin Wagner, die die Parole so interpretiert: „Sie besagt nichts anderes, als die Idee eines freien, demokratischen Landes, in dem alle Menschen gleichberechtig leben dürfen, egal welcher Religion sie angehören.“
Da lachen ja die Hühner from the river to the sea. Freiheit, Demokratie und Gleichberechtigung haben mit der Hamas ungefähr soviel zu tun, wie Nationalsozialismus mit Judenfreundlichkeit. Das in der From-the-rover-to-the-sea-Formel ausgedrückte Ziel der Hamas und ihrer Beitragstäter von Teheran bis Doha ist klar: Völkermord.
Aber es gilt natürlich die Unschuldsvermutung…
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