Seit Jahren werden in Österreich und in Deutschland Jugendstudien präsentiert, aus denen hervorgeht, dass die unter 40-Jährigen pragmatisch und nutzenorientiert sind. Idealismus ist bei den Jungen nicht sehr weit verbreitet. Wenn man will, dass sie etwas für die Gemeinschaft tun, muss man ihnen zuerst erklären, was dabei für sie persönlich herausschaut. Junge Leute sind zweckrational. Geleitet werden sie von der „instrumentellen Vernunft“. Der instrumentellen Vernunft, der es primär um Profitabilität, die Funktionalität von technischen Abläufen und Machtakkumulation geht, wirft man zu Recht vor, nihilistisch zu sein. Humanitäre Werte sind ihr fremd. Anstelle dessen zählen persönlicher Erfolg, die Ansammlung von Reichtümern und der narzisstische Genuss daran, über andere Macht zu haben und sie zu beherrschen.

Ab ins Heim mit Opa und Oma

Den Begriff der totalen Institution hat der amerikanische Soziologe Goffman geprägt. In der totalen Institution verdichtet sich die Macht über das Individuum über die Maßen, weil ihr der Einzelne schutzlos ausgeliefert ist. Das Irrenhaus, das Pflegeheim, das Krankenhaus, das katholische Internat oder das Heer kann man nicht einfach verlassen, wenn einem dort Unterdrückung und Erniedrigung zu groß werden. Man muss sich unterwerfen, weil man nicht die Freiheit oder das Vermögen hat, sich aus dem institutionellen Herrschaftsbereich zurückzuziehen. Alte Menschen sind die typischen “Kunden” der totalen Institutionen.

Aufgrund altersbedingter Erkrankungen, sind sie häufig in Krankenhäusern zu finden und können sie nicht mehr selbständig ihren Hausstand führen, dann sind sie auf ein Alters- oder Pflegeheim angewiesen. Oft werden alte Eltern in Pflegeeinrichtungen abgeschoben, weil sie ihren Kindern im Weg sind. Sie stören ihre Karrierepläne und ihre hedonistische Selbstverwirklichung. In Zeiten der transzendentalen Obdachlosigkeit, in der es weder Gott noch ein Jenseits mehr gibt, kommt dem Menschen geradezu die Pflicht zu, aus seinem Leben etwas zu machen, es zu optimieren. Nutze die Zeit, lautet die Devise der Konsumgesellschaft und das bedeutet heute, Berufserfolg um jeden Preis und die hedonistische Bewirtschaftung der Freizeit. Ein glückliches Leben heißt, um mit Nietzsche zu sprechen, „man hat sein Lüstchen am Tag und sein Lüstchen für die Nacht“. Und wenn einem Opa und Oma dabei restriktiv in die Quere kommen, dann werden sie ins Altersheim abgeschoben. Dort haben die Alten ja „die beste Pflege“, in einer Qualität, die man zu Hause niemals bewerkstelligen könnte. Das mag für medizinische Betreuung und Körperhygiene stimmen, wenn es aber um die „Seelenpflege“ geht, ist die Qualität in den unter Kostendruck stehenden Pflegeeinrichtungen oft armselig.

Ich muss mich da an meinen verstorbenen Vater erinnern, der nach einer Hüftoperation während der Coronazeit in einem renommierten Wiener Krankenhaus eingeschlossen war und dermaßen erniedrigt und vernachlässigt wurde, dass er weinend zu Hause angerufen und darum gebettelt hat, aus dieser „Folteranstalt“ herausgeholt zu werden. Man hatte den selbstbewussten, stolzen und durchsetzungsstarken Mann dort innerhalb von nur einer Woche gebrochen. Wie ich später unter der Hand erfahren habe, sind im Wiener Gesundheitssystem seit einiger Zeit auch Billigpfleger aus dem Osten am Werk, die mit gefälschten Zertifikaten ins Land kommen, keinerlei Fachqualifikationen haben und gefühlskalt sind.

Zu langes Leben ist kontraproduktiv

Wir werden heute überwiegend von unfähigen Politikern regiert. Sie zeichnen sich durch einen Mangel an praktischer Vernunft bei einem Übermaß an kommunikativen und manipulativen Fähigkeiten aus. Als perfekte Sophisten gelingt es ihnen immer wieder, die desolate gesellschaftliche Realität so umzudeuten, dass dem Volk am Ende gesellschaftliche Katastrophen als Wendepunkte zu einem besseren Leben erscheinen. So steht das Pensionssystem kurz vor dem Kollaps. Es funktioniert nur mehr bei einem jährlichen Staatszuschuss von 35 Milliarden Euro. Trotzdem wird von Sozialpolitikern immer wieder wortreich beteuert, dass die Pensionen gesichert sind, bis in alle Ewigkeit. Ähnlich das Gesundheitssystem. In Österreich ist die Gesundheitskasse dramatisch überschuldet. Während auch hier der Untergang am Horizont steht, loben Leute wie der Wiener Gesundheitsstadtrat das österreichische Gesundheitssystem als bestes in Europa. Und das, obwohl Menschen ohne Zusatzkrankenkasse für orthopädische Eingriffe nicht selten bis zu zwei Jahren warten müssen. Offenbar kalkuliert man damit, dass viele vor den Operationsterminen sterben und so Spareffekte erzielt werden können.

Enteignung und Arbeitsdienst für die Alten

Aus der Geschichte haben wir gelernt, dass der Irrsinn immer in Deutschland beginnt, sich von dort nach Österreich ausbreitet und danach die ganze Welt ergreift. So hat unlängst die deutsche „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer vorgeschlagen, den Alten ihre Eigenheime abzunehmen, um mit den Erträgen aus ihnen ihre Pflege zu finanzieren. Und der „Ökonom“ Marcel Fratzscher, auch ein Deutscher, treibt den Irrsinn mit dem Vorschlag auf die Spitze, die noch geh- und denkfähigen Alten zur verpflichtenden Gemeinschaftsarbeit heranzuziehen. Wenn ich da an meine Eltern denke, die beide fünfundvierzig Jahre gearbeitet, gespart, sich abgerackert haben, mit eigenen Händen ein Haus bauten und jeden Schilling, der noch übrig war, in meine Ausbildung gesteckt haben, kommt in mir der Eindruck auf, dass all diese, aus dem universitären Leben kommenden, „Experten“ weltabgewandte Eigenbrötler sind, die aus ihren komfortablen Elfenbeintürmen auf uns niederblicken und dann und wann völlig skurrile und menschenfeindliche Ideen hervorbringen, die sie dann zur Eigenprofilierung in die erschütterte Welt hinausposaunen.

Mit „Klimaleugner-Opa“ und „Umweltsau-Oma“ an die Front?

Den Alten macht man heute ihr gutes Leben zum Vorwurf, obwohl sie sich dieses selbst hart erarbeitet haben. Während sich die „alten weißen Männer und Frauen“ von damals um jede Überstunde gestritten haben und nach der Arbeit am Bau ihres Eigenheimes weiter schufteten, muss man heute schon von einem Glücksfall sprechen, wenn man einen Jungakademiker findet, der bereit ist, Vollzeit zu arbeiten. Leisten können sie sich ihre Arbeitsabstinenz durch ein fettes Erbe, das ihnen ihre „alte Umweltsau“ hinterlassen hat oder durch Transferzahlungen ihrer „sexistischen und migrationsfeindlichen Boomer-Eltern“. Jedes Konsumobjekt und jede kulturindustrielle Vergnügung ist den narzisstischen Warenfetischisten wichtiger als Staat, Gesellschaft und Gemeinwesen. Fragt man die Generation Z, die 16- bis 29-Jährigen, ob sie im Falle eines Angriffes ihr Land mit der Waffe verteidigen würden, findet man nicht mehr als 20 %, die sich das vorstellen könnten. Offenbar haben diese keine Zeit dafür, weil sie für ihre LGBTQ-Opfergruppe oder in ihrer postkolonialistischen Selbstbesteuerungsgruppe unabkömmlich sind. Und so wird man wohl auch in dieser Causa der „alten Umweltsau“ und dem grauhaarigen „Klimaleugner“ den Stahlhelm aufsetzen und sie an die Front schicken. Wahrscheinlich besser so, denn die jungen, woken Gesellschaftsretter würden sich, noch vor Beginn der Kämpfe, mit ihren zwei linken Händen ins eigene Knie schießen und im Lazarett landen. Die Seniorenarmee kann zwar Putin auch nicht stoppen, aber sie wird zumindest einen respektablen Gegner abgeben.