Petra Steger: Ende der Diplomatie
Wien ist ein Diplomatie Hotspot, rund 50 internationale und quasi-internationale Organisationen sind hier ansässig, multilaterale Vertretungen und Botschaften finden sich sozusagen an jeder Straßenecke.
Als “weltweit bedeutende Drehscheibe der internationalen Diplomatie” bezeichnet sich unsere Hauptstadt selbst auf ihrer Website, ein echtes Aushängeschild der Republik Österreich.
Aber wenn es nach unserer Außenministerin Beate Meinl-Reisinger geht, dann dürfte es bald vorbei sein mit der stolzen Wiener Diplomatie, denn deren Kern ist seit 1955 die (bewaffnete) Neutralität. Ein Grundsatz unseres Staates, der uns die internationale Parteinahme in Konflikten per se untersagt und uns gerade deshalb als Standort für Verhandlungen, diplomatische Offensiven und als Sitz für internationale Organisationen so attraktiv macht. Die Neutralität, mit der sich auch die aktuelle Bundesregierung offiziell gern schmückt, verliert aber ihren völkerrechtlichen Wert, wenn sie nicht länger gelebt wird und genau da liegt die Crux an der Sache: Wer kann bei mittlerweile drei Besuchen der Außenministerin in Kiew, bei mitgetragenen Sanktionspaketen gegen Russland und unzähligen weiteren Verstößen gegen eben diesen Grundsatz der Neutralität, also im Wesentlichen der Nichteinmischung, noch ernsthaft davon ausgehen, dass unsere Neutralität noch mit Leben gefüllt ist?
Österreich als Zaungast
So ist es auch kein Wunder, dass als möglicher Ort für mögliche Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland, Wien längst keine Rolle mehr spielt. Die diplomatische Musik spielt nun woanders, in Istanbul etwa oder in der saudischen Hauptstadt Riad. Auch in Europa haben sich einige Staaten standhaft der Parteinahme verweigert und könnten nun zurecht die Verhandlungen in ihre Hauptstädte ziehen, etwa nach Budapest.
Für uns als Österreicher bleibt dann absehbar die Rolle als Zaungast, denn auch das gehört zur Wahrheit dazu: Ohne unsere Neutralität sind wir diplomatisch nur noch ein kleines Land in Europa. So haben die Neos mit Meinl-Reisinger nicht nur unsere Glaubwürdigkeit auf dem Gewissen, sondern ganz nebenbei auch noch jede außenpolitische Relevanz, die unsere Republik bisher hatte. Eine bittere Erkenntnis, die noch dadurch verschlimmert wird, dass diese Folge vermutlich sogar beabsichtigt war. Denn ohne Neutralität und eigene Diplomatie ist der Weg frei für die vollständige Unterordnung unter den Brüsseler EU Superstaat und damit auch das endgültige Aus für ein unabhängiges Österreich – 70 Jahre nach dem Abschluss des Staatsvertrages.
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