Raphael Suchomel: Europas nächste Abhängigkeit
Europa redet über Künstliche Intelligenz, aber vergisst ihre Basis: Chips. Fast alle Hochleistungsprozessoren, auf denen KI läuft, kommen aus Taiwan oder den USA. Wenn dort etwas stoppt, steht hier alles still. Wir liefern die Werkzeuge für die Welt, aber nicht die Maschinen, auf denen unsere eigene Zukunft läuft.
Bei Künstlicher Intelligenz denkt man sofort an Software, Code und Daten. Aber ohne Hardware läuft nichts. Jedes KI-Modell rechnet auf spezialisierten Prozessoren, sogenannten Beschleuniger-Chips. Damit diese Chips überhaupt so schnell arbeiten können, brauchen sie HBM-Speicher(High Bandwidth Memory). Das sind extrem schnelle Kurzzeitspeicher direkt neben dem Chip. Zusammengefügt wird das Ganze im Advanced Packaging: winzige Schichten werden wie ein Mikroturm übereinander verbunden, damit die Wege zwischen Chip und Speicher ultrakurz bleiben. Fehlt eines dieser Bauteile, steht die gesamte KI-Fabrik. Genau hier ist Europa abhängig.
Die modernsten Chips kommen von TSMC in Taiwan
Auch amerikanische Firmen wie NVIDIA, Google oder Microsoft lassen dort fertigen. Zwar hat TSMC in Arizona eine erste Fabrik gestartet und zwei weitere im Bau, doch der entscheidende letzte Schritt – das Packaging – bleibt in Taiwan. Selbst amerikanische Chips müssen also dorthin zurück, um fertig zu werden. Europa hängt doppelt: technologisch an den USA, produktionstechnisch an Asien. Und trotzdem läuft auch ohne Europa nichts, denn ohne ASML in den Niederlanden oder ZEISS in Deutschland könnte TSMC gar keine Chips herstellen. Das Thema Hardware steht sinnbildlich für die aktuelle europäische Situation rund um KI: Wir sind stark in der Grundlage, aber schwach in der Weiterverwertung. Während wir das Werkzeug liefern, liefern andere das Produkt.
Zwischen Aufbruch und Aufholbedarf
In Dresden entsteht gerade ein neues Werk von TSMC gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP. Ein wichtiger Schritt, aber eben keiner, der die KI-Fertigung nach Europa bringt. Es werden dort Chips für Autos und Industrie entstehen, keine Hochleistungsprozessoren für neuronale Netze. Das geplante Intel-Werk in Magdeburg? 2025 endgültig abgesagt. Während Europa über Förderprogramme diskutiert, sichern sich die großen Player längst ihre eigene Rechenleistung.
OpenAI arbeitet direkt mit NVIDIA und AMD zusammen. Gemeinsam mit NVIDIA baut OpenAI Rechenzentren mit bis zu zehn Gigawatt Leistung. Damit verbrauchen sie mehr Strom als ganze Staaten. Parallel läuft der zweite Vertrag mit AMD. Das zeigt: In der KI-Welt ist Rechenleistung keine technische Nebensache mehr, sondern strategische Macht. Wer Chips hat, entscheidet, wie schnell er forscht, entwickelt und wächst.
Vom Wissen zur Anwendung
Eine komplette 2-Nanometer-Fabrik in Europa zu bauen wäre zwar schön, aber dauert zu lange. Wir müssen dort handeln, wo es schnell Wirkung zeigt: bei Packaging, Speicherintegration und Rechenzentren. In Leoben hat AT&S 2025 Europas erste IC-Substrat-Fabrik eröffnet. Dort entsteht die Grundlage, auf der Chips montiert werden. Wenn wir diesen Bereich ausbauen, haben wir in drei Jahren ein eigenes Packaging-Zentrum. Dazu müssen wir langfristige Lieferrechte für HBM-Speicher sichern. Das ist aktuell ein echter Engpass. Nur drei Hersteller weltweit produzieren ihn: SK hynix, Micron und Samsung. Wichtig ist es zudem, Rechenleistung zentral einzukaufen, also europäische Compute-Cluster unter EU-Recht zu schaffen, statt dass jede Universität einzeln mit NVIDIA verhandelt. Europa hat das Wissen, die Köpfe und die Grundlagen. Jetzt müssen wir lernen, unsere eigene Technologie konsequent einzusetzen und in die Anwendung zu bringen.
Oberösterreich zeigt, wie es geht
Gerade in Oberösterreich sieht man, wie stark die KI-Forschung in Europa tatsächlich ist.Mit der Johannes Kepler Universität Linz, der IT:U und der FH Hagenberg, wo ich selbst Artificial Intelligence Solutions studiere, haben wir gleich mehrere Hochschulen, die zeigen, wie gut Forschung und Praxis hier zusammenspielen. Mit Forschern wie Sepp Hochreiter, Ulrich Bodenhofer und Günter Klambauer und vielen weiteren, die in Linz und Hagenberg an modernster KI arbeiten, hat Oberösterreich einige der führenden Köpfe der europäischen KI-Forschung. Sie zeigen, dass Weltklasseforschung nicht nur im Silicon Valley passiert, sondern auch hier, mitten in Österreich.
Auch die Ergebnisse sprechen für sich:
Beispielsweise hat das Linzer Unternehmen NXAI mit Ti-Rex das aktuell beste Modell für Zeitreihenanalyse entwickelt und lässt damit alle hinter sich. Solche Modelle sind entscheidend, weil sie Trends und Entwicklungen in Daten früh erkennen, von Energieverbrauch bis Aktienkurs, und damit den Vorsprung schaffen, den Europa in der KI braucht.
Europa hat alles, was es braucht: starke Hochschulen, mutige Forscher und Unternehmen, die zeigen, was möglich ist. Jetzt müssen wir diese Stärken auch ausspielen, mit eigener Rechenleistung, eigener Infrastruktur und dem Mut, Dinge selbst zu bauen. Wenn wir das schaffen, bleibt Europa nicht Beobachter der KI-Revolution, sondern wird einer ihrer Treiber.
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