Die SPÖ sah sich immer als Vertreter des Arbeiters mit dem bescheidenen Kleinwagen, der durch Fleiß und Bildung nach oben steigen solle, um den gleichen Wohlstand genießen zu können wie der Direktor mit dem größeren Mercedes. Im „Lied der Arbeit“ heißt es: „Wer schuf den segensreichen Pflug? Die Arbeit, die nie schafft genug. Die Arbeit hoch!“ Die ideologische Kehrtwende weg von der Arbeit hin zum Arbeitsleid war der Beginn des kontinuierlichen Abstiegs der SPÖ.

Die SPÖ mit ihrem kleinkarierten Arbeitsleidthema hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht, und der Wirt war und bleibt das störrische Volk. Die Menschen sind nämlich von Natur aus verschieden – neudeutsch: „divers“. Die Intelligenten und Fleißigen wissen, dass die Geschichte vom Arbeitsleid nichts als weichliches Jammern ist, denn aus nichts wird nichts, und vom Neid allein kann man sich nichts kaufen. Neid sieht die Blumen im Nachbargarten, nicht aber den Spaten. Die Arbeitsleid-Ideologie übersieht die Blumen und sieht nur den grauen Spaten. Daraus folgt der Schluss, dass der Spaten Leid erzeuge, daher weg mit dem Spaten, was natürlich auch ein Verschwinden der Blumen zur Folge hätte. Dieser erste Versuch einer allumfassenden Niveausenkung funktionierte nicht und führte zu einer intellektuellen Ausdünnung der SPÖ. Ein Blick auf die aktuellen Führungsfiguren genügt.

Bildungsleid

Die achtklassige Volksschule war einmal eine Gesamtschule. Wer sie verließ, konnte lesen und schreiben und beherrschte die Grundrechnungsarten. Die besonders aufgeweckten Buben und Mädchen wurden nach erfolgreicher Aufnahmsprüfung auf ein Gymnasium geschickt. Irgendwann kamen Bildungs“experten“ auf die Idee, das Gymnasium – ohne Aufnahmsprüfung – für alle zugänglich zu machen. Da sich die natürliche Begabungsverteilung der Bevölkerung nicht so ohne weiteres manipulieren lässt, ließen sich die Gymnasien nur durch allmähliche Niveausenkung füllen. Wer Maturaaufgaben aus dem letzten Jahrhundert mit denen von heute vergleicht, weiß, was gemeint ist.

„Experten“

Am allerschlimmsten ging es mit dem sprachlichen Niveau bergab. Universitätsprofessoren beklagen eine wachsende Zahl an Studenten, die Probleme mit dem sinnerfassenden Lesen haben. „Schule verharrt im Mittelmaß“ titelte eine Tageszeitung Ende Juni dieses Jahres. Im Text hieß es: „Es gebe etwas, das anstelle einer Reform von oben getan werden müsse – eine sanfte Schulrevolution von unten. Schritt für Schritt, Klasse für Klasse, Schule für Schule.“ An anderer Stelle fordert ein „Experte“ mehr „coole Lehrer“, ein anderer sieht unsere Schulen noch „in der Steinzeit“. Solche nutzlosen Phrasen kennen wir zur Genüge.

„Coole“ Lehrer gibt es. Ihr Problem liegt in der außerordentlich komplizierten gesetzlichen Lage. Es ist kaum noch möglich, alle Schulgesetze und -erlässe einzuhalten, die längst nach Kilos zu bemessen sind und einen zweckdienlichen Schulbetrieb eher behindern. Zusätzlich hat man die Zahl der Schultage drastisch reduziert. Kein einziger Schüler ist heute öfter als an der Hälfte aller Tage (!) im Jahr in der Schule. Auch Ganztagsschulen ändern an diesem Missverhältnis nichts.

Entstauben und entlasten

Es gibt noch ein Problem, das konsequent verheimlicht wird. Zwei internationale Studien (PIRLS – Progress in International Reading Literacy Study und TIMSS – Trends in International Mathematics and Science Study) werden regelmäßig durchgeführt. Sie zeigten in den letzten Jahren hinsichtlich Lesefähigkeiten und Sachkenntnisse in Summe durchschnittliche Ergebnisse für Österreichs Volksschüler. Das eigentlich Erschreckende an den Studien sind aber die enormen regionalen Unterschiede. Unsere Volksschulen bilden eine Gesamtschule, es wären also ähnliche Resultate zu erwarten gewesen. Tatsächlich gibt es zwischen unseren schlechtesten und besten Volksschulen größere Unterschiede als zwischen den schlechtesten und besten Bildungsniveaus der einzelnen Staaten. Die Schrecksekunde der überrumpelten Bildungs“experten“ dauert bereits knapp zwei Jahrzehnte, denn bis heute hat es niemand gewagt, diesem Skandal auf den Grund zu gehen. Das Thema wird totgeschwiegen.

Das endlose Herumbasteln an Schulstrukturen, das „Entstauben“ von Lehrplänen, das ständige Kürzen der Unterrichtszeit, das nicht enden wollende weitere „Entlasten“ bereits mehrfach entlasteter Schüler – all das hat nicht nur zu einer Niveausenkung geführt. Es hat die Verschiedenheit gefördert. Es gibt nicht wenige Privatinitiativen wie ehrenamtliche „Lesepaten“ und Familienmitglieder als Mentoren, die sich schulbegleitend um Kinder und Jugendliche kümmern. Nicht geförderte lernschwache Kinder bleiben auf der Strecke.

Chancengleichheit (neudeutsch „Bildungsgerechtigkeit“) wird propagiert, Ergebnisgleichheit wird insgeheim angestrebt. Diese Form von Nivellierungspolitik kann nicht funktionieren, solange leistungsstärkere Zeitgenossen beim kleinkarierten Beweinen des Arbeits- und Bildungsleids nicht mitmachen. Den Bildungsverlierern bleibt als Trost zumindest die Einstiegsmöglichkeit in den Vorstand gewisser Parteien.