Gotland

Es war um das Jahr 1130 nach der Gründung Roms, als in Europa eine wirre Zeit anbrach. Das Klima hatte sich so stark verschlechtert, dass ganze Völker auf Wanderschaft gingen. Aus dem Osten kamen die Hunnen nach Europa, und mein Volk musste der Kälte und der schlechten Ernte wegen aus Gotland in den Süden ziehen. Mein Name war damals Engus aus dem Hause Fridunanth, ich war Teil eines stolzen normannischen Volkes. Meine Familie trieb in Gotland, das heute Schweden genannt wird, Handel mit Nachbarvölkern bis weit nach Osten. Kälte und Hunger zwangen uns, nach Süden zu ziehen. Meine Brüder und ich und einige andere Männer aus anderen Familien waren mit Schwertern und Schilden bewaffnet. Die meisten Frauen trugen versteckte Messer unter ihren Kleidern. Wir waren ein Tross von Bauern, Händlern und Kriegern mit ihren Frauen und Kindern und wanderten unter großer Vorsicht in Richtung Südosten. Bevor wir ein Meer erreichten, das heute das schwarze genannt wird, trafen wir auf hunnische Reiter. Es kam zu einem Kampf auf Leben und Tod. Die Hunnen waren uns auf ihren Pferden überlegen. Sie töteten mich und meine Brüder.

Tirol

Tirol war im 14. Jahrhundert ein wohlhabendes Land, denn das Klima war damals im Spätmittelalter sehr viel wärmer als heute. Die Alpenpässe waren, wie zur Römerzeit, meist frei von Eis und Schnee. Das führte zu einem regen Nord-Süd-Verkehr, wodurch Tirol einen großen Teil seines öffentlichen Haushalts aus Mauteinnahmen finanzieren konnte. Meine Gebieterin war damals Margarete von Tirol. Ich hieß Eckard von Sterrenberg und war als Söldner meiner Herzogin verpflichtet. Tirol war damals ein Zankapfel zwischen den österreichischen Habsburgern und den bayrischen Wittelsbachern. Auf dem Reichstag im Jahr 1330 in Augsburg kam es zu einer Übereinkunft, dass die Bayern den Norden Tirols erhalten und Margarete nur in Südtirol herrschen solle. Die Tiroler weigerten sich aber, unter Habsburgern und Wittelsbachern aufgeteilt zu werden, und es kam zu militärischen Auseinandersetzungen. Ich war damals bei einigen Kämpfen beteiligt. Erst sechs Jahre später kam es zu einer friedlichen Lösung, aber da lebte ich nicht mehr. Ich war während eines blutigen Scharmützels mit bayrischen Söldnern erschlagen worden.

Magdeburg

Ich weiß nicht mehr, was schlimmer war. War es der Krieg, den man später den Dreißigjährigen nannte, oder war es die furchtbare Kälte. Das Klima hatte sich dramatisch verändert. Wir haben damals befürchtet, dass die ungewöhnliche Kälte in Europa mehr Menschen das Leben nehmen würde als der furchtbare Krieg. Ich hieß damals Caspar Müller und kämpfte unter dem kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein gegen die Protestantische Union. Die Zeiten waren verworren. Die Truppen der katholischen Liga kämpften gegen die Protestanten, aber die katholischen Franzosen machten mit den Protestanten gemeinsame Sache. Meine Kameraden und ich waren der Politik überdrüssig. Wir kämpften und plünderten, denn wir wollten nur überleben. Das Massaker von Magdeburg im Jahr 1631 habe ich in übler Erinnerung. Wir haben nach der Verwüstung der Stadt drei Tage nur geplündert, gefressen und gesoffen.

Trotz der Friedensverhandlungen gingen Morden und Brennen weiter. Die Schlacht von Dachau im Oktober 1648 war eine der letzten Kampfhandlungen. Ich weiß nicht mehr, wie viele Schweden ich getötet habe. Ich weiß nur noch, dass mich meine Kameraden nach der Schlacht verwundet liegen ließen. In der folgenden Nacht bin ich erfroren.

Israel

Am 15. Mai 1948 endete nach UN-Beschluss das britische Mandat über Palästina. Am 14. Mai 1948 proklamierte David Ben-Gurion, Vorsitzender des Jüdischen Exekutivrats in Palästina, die Unabhängigkeitserklärung und rief damit den Staat Israel aus.

Ich war bei der Gründung des Staates ein Palästinenserkind. Ich hieß damals Jassir, der Familienname spielt keine Rolle. Ich habe alle Kriege gegen Israel miterlebt und viel Leid gesehen, sowohl bei den Arabern als auch bei den Juden. Während des Sechs-Tage-Krieges war ich ägyptischer Panzerkommandant. Meine Kampfmaschine wurde zerstört, ich konnte mich im letzten Augenblick schwer verwundet retten. 

In israelischer Gefangenschaft nahm ich zum ersten Mal eine Bibel zur Hand und las das Neue Testament. Ich habe danach meinen Namen auf Johannes geändert und ließ mich taufen. Es gelang mir, in Israel beruflich Fuß zu fassen und lebe heute als arabischer Christ in Nazareth wie viele andere auch. Ich habe in einer Kirche feierlich gelobt, nie wieder Menschen zu töten. Ich bin ein alter Mann, der viele Höllen auf Erden erlebt hat. Vielleicht erweist mir Gott diesmal Gnade und lässt mich nach meinem Tod endlich den ewigen Frieden finden. Zum Zeichen dafür, dass ich es ernst meine, habe ich mir die schönsten Worte der Bibel auf Arabisch, Hebräisch und Englisch auf meine Brust tätowieren lassen: „Und Friede den Menschen auf Erden!“