Rudolf Öller: Triumph des Irrtums
„Folge der Wissenschaft!“ Diese Parole hörten wir in den letzten Jahren manchmal von Politikern, die vom wissenschaftlichen Denken wenig Ahnung haben. Die (Natur-)Wissenschaften sind paradoxerweise deshalb erfolgreich, weil sie den Irrtum zulassen. Zudem sind die meisten Naturwissenschaftler Rebellen, denen Ideologien fremd sind.
Der Benediktinermönch Gregor Mendel wurde von den Biologen in den Elfenbeintürmen der Wissenschaft belächelt und verspottet, weil er erstmals statistische Methoden angewendet hatte, die er in Mathematikvorlesungen in Wien gehört hatte. Damit begründete Mendel eine neue Sparte der Biologie, die Genetik, die heute eine Leitwissenschaft ist. Der Engländer Joseph John Thomson bezweifelte, dass elektrischer Strom nicht durch Vakuum fließen könne. Er arbeitete scheinbar sinnlos mit luftleer gepumpten Röhren und entdeckte dabei das Elektron. Unbedarfte Regierungsbeamte hatten ihm zuvor nahegelegt, sich lieber mit sinnvollen Dingen zu beschäftigen. Albert Einstein las in seiner Freizeit das Jahrtausend-Buch „Der Dialog“ des Renaissance-Astronomen Galileo Galilei. Ein Kapitel über die Eigenbewegung der Erde machte ihn nachdenklich. Intuitiv dachte er über ruhende und bewegte Lichtquellen nach und entwickelte dabei die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie. Viele Physiker waren aufgebracht und gingen auf Einstein los. Sie vergaßen, dass wissenschaftliche Theorien nie demokratisch festgelegt werden. Sätze wie „die Mehrheit der Wissenschaftler ist der Meinung …“ sind in den Wissenschaften irrelevant. Nachdem man Einstein mitgeteilt hatte, dass dutzende namhafte Physiker seine Theorie für falsch hielten, antwortete er: „Wenn ich unrecht habe, genügt einer, um mich zu widerlegen.“
Zufall und Irrtum
Komplexe Systeme funktionieren auf Dauer dann – und nur dann, wenn Irrtum und Korrekturen erlaubt sind. Das gilt nicht nur für die relevanten Wissenschaften, sondern auch für die freie Wirtschaft und den freien Markt. Das, was Ideologen verächtlich „Kapitalismus“ nennen, ist in Wahrheit keine Ideologie, sondern eine Folge der Freiheit. Unternehmer können sich irren und aus unterschiedlichen Gründen zahlungsunfähig werden. Politiker aber, die sich in Wissenschaften und in die freie Wirtschaft einmischen, richten immer Schäden an und verhindern Fortschritt. Der oben erwähnte Nobelpreisträger J. J. Thomson brachte es auf den Punkt: „Hätten Regierungslaboratorien bereits in der Steinzeit gearbeitet, wir hätten heute fabelhafte Steinbeile, niemand hätte jedoch die Metalle entdeckt.“ Massives staatliches Eingreifen in die Wirtschaft ging immer schief, wie der unvermeidliche wirtschaftliche Zusammenbruch kommunistischer Staaten zeigt.
Fragt man Energieexperten, so erhält man immer die gleiche Auskunft. Demnach ist der weltweite Energiemarkt so kompliziert, dass jeder staatliche Eingriff zwangsläufig zu Verwerfungen und Verteuerungen führt. Ausnahme: Die vorübergehende befohlene Steigerung der Ölförderung.
Der Markt versagt nicht
Immer dann, wenn die Wirtschaft unrund läuft und die Preise steigen, beginnen „Experten“ zu jammern, dass „der Markt versagt“. Der Markt ist kein Wesen, sondern unpersönlich. Er versagt nicht, aber er teilt uns etwas mit. Ansteigende, stabile oder abnehmende Preise sind elementare Indikatoren, aus denen Politiker und Unternehmer etwas herauslesen können. Kurzfristige staatliche Eingriffe mögen manchmal sinnvoll sein, aber langfristige Eingriffe richten immer Schäden an.
Dilettantische Eingriffe
Analysemethoden in Biologie, Chemie und Medizin, Atommodelle, Blutdruckmessgeräte, Computer, Dieselmotoren, Elektromotoren, Fernrohre, Flugzeuge, das Internet, Kernspintomografen, radioaktive Elemente, Transistoren – nichts von alldem wurde durch politische oder demokratische Prozesse erfunden, entdeckt oder entwickelt. Alle diese Dinge haben wir Rebellen des Denkens und Handelns zu verdanken. Nichts von den erwähnten wissenschaftlichen Leistungen gelang auf Anhieb und ohne Irrtümer und Fehler. Denksysteme, die für sich einen Wahrheits- und Ausschließlichkeitsanspruch erheben, wie beispielsweise der Marxismus, sind gefährlich. Wer in freie Systeme massiv eingreift, die wegen des zugelassenen Irrtums mächtig sind, verschlechtert oder zerstört diese Systeme. Österreich hat eine Staatsquote von über fünfzig Prozent. Mehr als die Hälfte aller ausgegebenen Euros gibt der Staat aus, wobei Wien der Prasser Nummer eins ist. Die staatlichen Verschwendungen und hohen Steuern werden die Wirtschaft weiter drücken. Drei Jahre Rezession sind mehr als eine Warnung. Nicht der freie Markt erzeugt Inflation und Wirtschaftsrückgang, sondern viel zu hohe Staatsausgaben und zu viele Eingriffe von Politikern, die in heiliger Einfalt nach „Gerechtigkeit“ rufen. So werden Wohlstand und Fortschritt abgewürgt und der Ruf nach einer Kettensäge lauter.
Wissenschaftskontrolle
Staatliche Vorschriften zur Vermeidung von Gefahren sind sinnvoll. Im Straßenverkehr, im Flugverkehr sowie beim Hantieren mit gefährlichen Chemikalien und radioaktiven Substanzen gelten strenge Regeln. Halbgebildete, die in Strategien der Wissenschaften eingreifen, bremsen jeden Fortschritt bis hin zum Stillstand. Adolf Hitler griff in die Wissenschaft ein – Stichwort „jüdische Physik“. Davor war Deutschland das weltweit führende Land im Bereich der Quantenphysik, danach nicht mehr. Josef Stalin griff in die Biologie ein und verbot das Lehren der Mendelschen Erbgesetze. Damit ruinierte er auf Jahrzehnte die biologische Grundlagenforschung in Russland.
Zurzeit wird immer noch eine komische Religion mit mehreren Geschlechtern verkündet. Als ich vor Jahren in der genetischen Grundlagenforschung tätig war, hätten sich diese Unterleibsmystiker nicht in unsere Labors verirren dürfen. Sie wären ins sprichwörtliche offene Messer gelaufen. Ihre aufgesetzte Mikrobildung samt emotionaler und pseudomoralischer Inkontinenz hätten nur schallendes Gelächter hervorgerufen.
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