Österreich übertragen bedeutet das, dass mindestens dreihundert Dissertationen jährlich Plagiate sind.

Plagiate sind nicht immer zu erkennen. Es gibt zwar jede Menge Plagiatssoftware, mit der man ein Schriftstück untersuchen kann, doch diese Programme können Texte nur mit anderen Texten vergleichen, die im Internet ohne Passwörter abrufbar sind. Wird eine wissenschaftliche Arbeit abgeschrieben, die nirgendwo elektronisch erfasst wurde, ist ein Nachweis schwierig, es sei denn, jemand kommt zufällig hinter den Betrug und erstattet Anzeige. Ein Professor der Rechtsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat beispielsweise in seiner Doktorarbeit große Teile einer rumänischen Publikation ohne Quellenangaben übernommen. Er hat offenbar damit gerechnet, dass die abgekupferte Arbeit nirgendwo auftauchen würde, doch 1982 erschien das kopierte Original in einem Sammelband in der DDR. Ein bis heute anonym gebliebener Wissenschaftler entdeckte das zufällig und meldete den Fund. Dumm gelaufen!

VroniPlag

Privatpersonen kommen mit Anzeigen bei Universitäten selten durch. Sie werden nicht ernst genommen, in der Regel sogar ignoriert. Medien haben mehr Schlagkraft. Aus diesem Grund wurde die Plattform VroniPlag Wiki gegründet. Diese Internetseite wird vom Hostingdienst Fandom (USA) angeboten, der sich über Werbung finanziert. VroniPlag Wiki hatte ursprünglich das Ziel, Plagiate in der Dissertation der Juristin Veronica Saß zu dokumentieren, deren Doktorgrad im Mai 2011 aberkannt worden war. „Vroni“ Saß ist die Tochter von Edmund Stoiber, dem damaligen CSU Ministerpräsidenten von Bayern. VroniPlag Wiki dokumentiert seit dem Jahr 2011 Doktorarbeiten, deren Verfasser besser nicht promoviert worden wären. Bisher sind über zweihundert Dokumentationen veröffentlicht und die entsprechenden Universitäten über die Plagiate informiert worden. Die Universitäten
haben indes keine Freude, wenn ihnen schlampiges Arbeiten und Beurteilen vorgeworfen wird.Juristisch steht an erster Stelle das Urheberrecht. Man kann im Falle eines Plagiats den Urheber des Textes informieren. Dieser kann gegen den Plagiator vorgehen, und die entsprechende Publikation wird vom Markt genommen. Der (mutmaßliche) Plagiator kann auch – wie im Fall Zadic – der Universität gemeldet werden, wenn es sich um eine
Doktorarbeit oder um eine Habilitationsschrift handelt. Die Universität kann in der Folge eine Prüfkommission einsetzen und im Extremfall die akademischen Grade entziehen.

Der Fall Zadic

Eine Doktorarbeit (Dissertation) muss nicht nur eigenständig sein, sondern auch den aktuellen Stand der Wissenschaft wiedergeben und einordnen sowie, wenn möglich, Verbindung zu eigenen Forschungen herstellen. Es ist bekannt, dass unsere Justizministerin Alma Zadic
hinsichtlich ihrer Doktorarbeit massiv unter Plagiatsverdacht steht und die Universität Wien längst darüber informiert wurde. In der Regel dauern Plagiatsverfahren ungefähr ein Jahr. Geschwindigkeitsrekorde sind selten, einen davon hält die Universität Mainz, die einem Doktor der Zahnmedizin nach einem Monat den Titel entzogen hat. Es gibt auch Fälle, da dauert ein Aberkennungsverfahren Jahre. Im Fall Zadic könnte das der Fall sein. Schneller ginge die Sache wahrscheinlich dann, wenn Frau Zadic ÖVP-Ministerin wäre. Die Doktorarbeit von Frau Zadic lautet „Transitional Justice in Former Yugoslavia“. Dieser Titel ergibt beim Portal Google knapp eine halbe Million Treffer. Die Suchmaschine Yahoo gibt gar rund zweieinhalb Millionen Treffer an. Ein wesentlicher Teil der Zadic-Arbeit betrifft das „International Criminal Tribunal“ im damaligen Jugoslawien (ICTY). Hier liefert Google über 200.000 Treffer. Ein Vergleich von Frau Zadic‘ Dissertation mit einigen der unübersehbar vielen veröffentlichten Aufsätzen, Berichten, Artikeln, „Papers“ und sonstigen Publikationen zeigt, dass es so gut wie
unmöglich ist, diesem Thema einen neuen Gesichtspunkt anzufügen. Es müssten schon geheime NATO-Akten ausgegraben werden, um die ohnehin schon umfangreiche Materie beachtenswert zu erweitern. Aus diesem Grund sind auch die zusammenfassenden und für die Gesamtbeurteilung der Dissertation wichtigen Schlussfolgerungen belanglos.

AlmaPlag

Es war gut gemeint, der jungen Studentin ein bereits hunderttausendfach durchgekautes und durchgeknetetes Thema zu geben. Da kann beim besten Willen nichts Neues ans Tageslicht
kommen. Wahrscheinlich dachten die Universitätslehrer, man könne der netten Migrantin aus Bosnien-Herzegowina kein schwieriges Thema geben. Genauso sieht die Doktorarbeit aus. Ein Satzgemenge auf dem Niveau einer vowissenschaftlichen Arbeit eines Gymnasiums. Was wird passieren? Die Rechtsanwälte von Frau Zadic und die Universität Wien werden auf Zeit spielen. Die Sache wird lange liegen bleiben, womöglich bis nach den nächsten Nationalratswahlen. Man lässt die Causa so lange verschimmeln, bis sie fast vergessen ist. Es kann auch sein, dass irgendjemand die Causa Zadic mit der seichten Begründung beenden wird, dass niemand geschädigt wurde und bei der fast unübersehbaren Fülle an älteren Publikationen irrtümlich der Eindruck entstehen musste, dass plagiiert wurde. Egal, was passiert, VroniPlag war gestern. AlmaPlag hat sich jetzt schon zu einer Blamage der Universität Wien gemausert. Ob auch eine Blamage der Grünen daraus wird, ist noch offen.

Rudolf Öller ist promovierter Genetiker der Universität Tübingen und seit Jahrzehnten sowohl als Kolumnenschreiber als auch als Buchautor publizistisch tätig. Öller ist gebürtiger Oberösterreicher, hat in AHS und BHS Naturwissenschaften und Informatik unterrichtet und war ehrenamtlicher Rettungssanitäter, Blaulichtfahrer und Lehrbeauftragter beim Roten Kreuz. Er lebt heute in Vorarlberg.