Am Freitag einigte sich die Europäische Union auf ein weiteres großes Hilfspaket für die Ukraine. Rund 90 Milliarden Euro sollen Kiew in den Jahren 2026 und 2027 finanziell absichern – um laufende Staatsausgaben, soziale Leistungen und kriegsbedingte Kosten zu decken. Es ist ein gewaltiger Betrag, beschlossen in einer Phase, in der Europas Staaten selbst unter hohem Budgetdruck stehen.

Der Deal wird politisch gern vereinfacht dargestellt

Kanzler Christian Stocker (ÖVP) erklärte nach dem EU-Gipfel, es gebe „keine unmittelbare Belastung für den österreichischen Steuerzahler aus dem nationalen Budget“. Diese Aussage ist präzise formuliert – und genau darin liegt das Problem. Denn sie ist formal korrekt, aber inhaltlich unvollständig.

Was wurde tatsächlich beschlossen? Die 90 Milliarden Euro sind keine direkten Zuschüsse, sondern ein gemeinsames EU-Darlehen. Die Ukraine erhält das Geld zinslos, die Europäische Union beschafft es sich über Anleihen am Kapitalmarkt. Investoren stellen das Kapital zur Verfügung, die EU zahlt dafür Zinsen.

Die Rückzahlung dieser Kredite ist über den EU-Haushalt abgesichert. Das heißt: Die Ukraine zahlt vorerst nichts zurück – die finanzielle Verantwortung liegt bei der EU.

Wer zahlt die Zinsen – und wer haftet?

Die Zinsen trägt nicht die Ukraine, sondern die Europäische Union. Und damit letztlich jene Mitgliedstaaten, die den Kredit mittragen – über ihre Beiträge zum EU-Haushalt. Hinzu kommt das Rückzahlungsrisiko. Politisch wird häufig auf eingefrorene russische Vermögenswerte verwiesen, die eines Tages zur Tilgung herangezogen werden könnten. Doch dafür gibt es bislang keine rechtlich gesicherte Lösung. Sollten diese Gelder nicht genutzt werden können – oder Russland keine Reparationen leisten –, bleibt die Haftung bei der EU-Gemeinschaft.

Kurz: Österreich zahlt nicht sofort, nicht direkt, aber mittelbar und langfristig.

Warum manche Staaten tatsächlich nichts zahlen

Was überdies nicht verschwiegen werden soll: Nicht alle EU-Staaten beteiligen sich an diesem Deal. Länder wie Ungarn, aber auch die Slowakei und Tschechien, haben sich nicht angeschlossen. Möglich ist das, weil es sich nicht um ein klassisches EU-Pflichtprogramm, sondern um eine Koalition der Willigen handelt, die außerhalb des regulären EU-Haushaltsrahmens organisiert ist.

Die Konsequenz ist klar und politisch brisant: Diese Staaten zahlen keine Zinsen, haften nicht und tragen kein Rückzahlungsrisiko aus diesem Ukraine-Kredit.

Österreich hingegen ist Teil der Haftungsgemeinschaft. Während manche Regierungen ihren Bürgern tatsächlich sagen können, dass sie keinen finanziellen Beitrag leisten, gilt das für Wien nicht – auch wenn die Belastung zeitlich nach hinten verschoben ist.

Warum diese Unterscheidung wichtig ist

Politik arbeitet mit präzisen Formulierungen. „Keine unmittelbare Budgetbelastung“ ist etwas anderes als „kostenlos“. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung verschwimmt dieser Unterschied schnell – und genau hier entsteht Misstrauen.

Die Bürger wissen, dass Solidarität Geld kostet. Was sie zunehmend irritiert, ist nicht die Entscheidung selbst, sondern ihre sprachliche Verpackung. Wenn Milliardenpakete so dargestellt werden, als lösten sie sich finanziell in Luft auf, fühlen sich viele zu Recht nicht ernst genommen.

Ehrlichkeit statt Schönfärberei

Man hätte es auch anders sagen können. Zum Beispiel so:
„Ja, die EU unterstützt die Ukraine weiter. Ja, das geschieht über gemeinsame Schulden. Und ja, damit sind Zinsen und Risiken verbunden, die wir politisch bewusst in Kauf nehmen – während andere Staaten sich dieser Verantwortung entziehen.“

Das wäre keine Schwäche gewesen, sondern ein Zeichen von politischer Ehrlichkeit. Demokratie lebt nicht davon, dass man unangenehme Aspekte ausspart, sondern davon, dass man sie erklärt.

Der alte Grundsatz gilt noch immer

Wie auch immer man zum Ukraine-Deal steht: Gemeinsame Schulden verschwinden nicht, nur weil man sie gemeinsam macht.

Politik, die Vertrauen erhalten will, sollte deshalb weniger beschwichtigen und mehr erklären. Denn ein alter Grundsatz gilt auch in Zeiten großer Krisen unverändert: Ehrlich währt am längsten