Wahl-Analyse: Erstmals sechs Parteien im OÖ Landtag?
Die bisher im oberösterreichischen Landtag vertretenen Parteien treten zum Großteil mit altbekannten Kandidaten an. Sicherheit ist im pandemiegeprägten Wahlkampf ein dominierendes Thema. Elf Listen kämpfen um 56 Mandate. Eine Analyse von Gerald Weilbuchner.
Nur die ÖVP schafft es, in allen 438 Gemeinden mit eigenen Listen anzutreten. Dies war in den letzten Wochen gerade bei Hausbesuchen eine immense Stärke. Landeshauptmann Thomas Stelzer ist beruflich bereits seit 1992 in verschiedenen Positionen politisch tätig, jedoch ist es sein erster Wahlkampf als Spitzenkandidat. Um die Kampagne voll auf seine Person zu fokussieren, wurde das Vorzugsstimmensystem, das regionalen Wettbewerb zwischen den Kandidaten ermöglichen sollte, de facto außer Kraft gesetzt. Damit gibt es zwar weniger bündische Grabenkämpfe, jedoch fehlt auch etwas Dynamik. 2015 saß der Schock tief, als die Volkspartei von 46,8 auf 36,4 Prozent abgestürzte. Nun will man wieder deutlich zulegen und es soll auch die Mehrheit in der Landesregierung zurückgewonnen werden. Mein Tipp: 43 %
2015 haben die Blauen das Kunststück vollbracht sich auf 30,4 % zu verdoppeln. Das war hauptsächlich der Flüchtlingskrise geschuldet. Nun haben sie als Wahlziel ausgegeben, jedenfalls über der 20-Prozent-Marke liegen zu wollen. Ein Fünftel der Oberösterreicher verortet sich in der Ecke der Impfverweigerer. Das ist ein großer Pool, in dem die FPÖ abseits des gängigen Ausländerthemas fischt. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass Herbert Kickl sehr oft im Land ob der Enns zu sehen war. Spitzenkandidat Manfred Haimbuchner wirbt bewusst mit Schlagworten wie Vernunft und Sicherheit, was durchaus ein Angebot an (mit der Bundesebene) unzufriedene ÖVPler sein kann. Mein Tipp: 19 %.
SPÖ tritt auf der Stelle
In Oberösterreich als Industrieland sollten die Roten nach dem Rumoren auf Bundesebene eigentlich fruchtbaren Boden vorfinden, jedoch ziehen die klassenkämpferischen Parolen nicht mehr und die wenigen noch verbliebenen Bastionen ermöglichen es Spitzenkandidatin Birgit Gerstorfer nur auf der Stelle zu treten. Linz spielt als Landeshauptstadt mit einem starken SPÖ-Bürgermeister traditionell eine bedeutende Rolle. Mein Tipp: 17 %
Erst 1997 schafften die Grünen den Sprung in den OÖ Landtag. Schon 2003 konnten sie in die bundesweit erste schwarz-grüne Landesregierung eintreten. Spitzenkandidat Stefan Kaineder hat zwar bereits einiges an Erfahrung gesammelt, jedoch ist er weiten Teilen der Bevölkerung noch unbekannt. Mein Tipp: 11 %
2015 sind die Pinken mit 3,5 % nur knapp an der Einzugshürde vorbeigeschrammt. Rein personell wäre es sicher eine Herausforderung die 13 Ausschüsse, in denen Vorberatungen zu eingelangten Anträgen durchgeführt werden, so zu besetzen, dass man dem inhaltlichen Anspruch gerecht wird. Es wird sich zeigen, ob die Pinken den Großen im Sinne von Transparenz und Kontrolle tatsächlich auf die Finger klopfen können oder ob sie als entzaubertes Fliegengewicht dahinsiechen. Mein Tipp: 5 %
Für MFG wird es nicht reichen
Im Finale des Wahlkampfs bekam die Partei „Menschen, Freiheit, Grundrechte“ vor allem auf Social Media immer mehr Fahrtwind. Der Erfolg in den Umfragen fußt auf renitenten Impfverweigerern. Verärgerte Eltern, die ihre Kinder erst kürzlich in großer Zahl von der Schule abgemeldet haben, sind auch ein Faktor. Es stellt sich die Frage, worum sich die politisch vollkommen unerfahrene Bewegung kümmern will, wenn die Pandemie vorbei ist und es darum geht, als kleines Exportland im globalen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Mein Tipp gemeinsam mit den restlichen Parteien und damit kein Landtagseinzug: 5 %
Zum Autor: Der Oberösterreicher Gerald Weilbuchner war von 2009 bis 2019 in unterschiedlichen Funktionen politisch aktiv – zuletzt als Landtagsabgeordneter. Seither führt er die Coram Publico Kommunikation & Vernetzung GmbH in Wien.
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