Wird Faschismus wieder zur Mode?
Es ist die Ironie unserer Zeit: Während sich die Generation ihrer Großeltern noch mit den Gräueln des Nationalsozialismus auseinandersetzte, scrollt die Generation Z heute mit einem Daumenwisch an einer aufgehübschten Version derselben Ideologie vorbei. Die American Eagle-Kampagne mit Schauspielerin Sydney Sweeney wurde in deutschen Boulevardmedien zum „PR-Skandal“ hochgejazzt, weil angeblich Nazicodes versteckt seien – und bescherte der Marke prompt eine kurzeitige Kursrallye an der Börse. Der Vorwurf ist bizarr, doch er zeigt: Wir leben in einer Epoche, in der selbst banale Jeans-Werbung zum Schlachtfeld ideologischer Deutung wird.
Was als harmlose Jeans-Werbung begann, entwickelte sich zu einem Symbol für ein viel tieferliegendes Problem: die inflationäre Verwendung des Nazi-Begriffs.
Wie ich vor kurzem in einem Podcast mit Peter Boghossian erwähnt habe, müssen wir uns fragen, was für die Linke eigentlich nicht „Nazi-Propaganda“ ist. Der Begriff wird so häufig verwendet, dass er allmählich seine Bedeutung verliert.
Aber es steckt noch mehr dahinter: Erstens, wenn man anfängt zu behaupten, dass attraktive Frauen in schicker Kleidung dem Nationalsozialismus gleichkommen, wird man überrascht sein, wie viele Menschen allein durch diese Behauptung angezogen werden. Wenn schöne Frauen zu Symbolen des Faschismus erklärt werden, entsteht ein paradoxer Effekt. Junge Menschen beginnen sich zu fragen, was der ganze Wirbel soll – und wenn das schon Nazi-Propaganda sein soll, dann kann das Original vielleicht gar nicht so schlecht sein.
Zweitens gibt es einen Trend, Sympathie für die Nazis zu einem Teil der Gegenkultur zu machen. Ich beeile mich hinzuzufügen, dass ich nicht glaube, die meisten Beteiligten seien echte Nazis oder Faschisten im Sinne der 1930er Jahre oder hätten sich wirklich mit diesen Ideologien auseinandergesetzt (da Faschismus und Nationalsozialismus nicht ganz dasselbe sind). Es ist eher wie der Student, der ein Che-Guevara-Poster in seinem Zimmer aufhängt: Ein Versuch, auf pseudopolitische Weise cool zu wirken, aber kein tiefer gehendes politisches Statement.
Dennoch, wie wir bei Kommunismus und Sozialismus sehen, sobald man die Symbole dieser Ideologien cool macht, bekommt man mehr davon – und irgendwann Politiker wie Bernie Sanders oder Zohran Mamdani, die ihre Ideologien wie ein Karnevalskostüm tragen. Langfristig kann dies jedoch reale Konsequenzen haben.
Die dritte Konsequenz ist, dass wir bei jungen Menschen, insbesondere auf Social-Media-Plattformen, das Aufkommen dessen beobachten, was ich „quasi-ästhetischen Faschismus“ nenne. Jüngste Studien zeigen, dass Inhalte, die Hitler verherrlichen, allein im Jahr 2024 über 50 Millionen Aufrufe auf X, YouTube, TikTok und Instagram erhalten haben. Das passiert nicht in irgendeiner dunklen Ecke des Internets, sondern wird zunehmend zum Mainstream.
Auf TikTok erreichen weichgezeichnete Clips von Adolf Hitler inzwischen Millionenpublikum und künstliche Intelligenz macht seine Reden Englisch-tauglich, während ein Vaporwave-Filter die Vergangenheit in Pastell taucht. Die Bundeszentrale für politische Bildung warnt, dass deutsche Nutzer in Sekunden von Kochrezepten zu antisemitischen Memes gespült werden können, verpackt in ironischem Humor, Emojis und Algorithmen-Slang wie „HTLR“ oder „Not see“.
Das alles geschieht ohne Hakenkreuz und ohne Blut-und-Boden-Pathos, sondern beispielsweise mit der Umdeuting Eva Brauns zur Lifestyle-Ikone. Die Wiener Zeitung dokumentierte Videos, in denen Hitlers Geliebte in Zeitlupen über Alpenwiesen läuft, unterlegt mit Lana-Del-Rey-Balladen; Kommentare preisen sie als „perfekte Hausfrau“. Wichtig dabei ist vor allem wieder die Ästhetik: Retro-Filter, Soft-Girl-Look, vermeintliche Romantik.
Hier wird deutlich, dass der Kampf nicht mehr um Argumente, sondern um Sehnsüchte geführt wird. Wer Identität anbietet – sei sie auch noch so toxisch – gewinnt Klicks, Follower, und möglicherweise am Ende Wählerstimmen.
Warum die Linke beim Thema Nazis versagt
Oskar Panizza schrieb: „Der Wahnsinn, wenn er epidemisch wird, heißt Vernunft.“ Ich zitiere diese Warnung gern, um den moralischen Relativismus unserer Tage hervorzuheben. Statt konsequent zwischen demokratischem Pluralismus und totalitärer Ideologie zu unterscheiden, vernebelt ein Teil des linken Milieus jede Debatte mit inflationären Nazi-Vergleichen.
Wer alles für „faschistoid“ erklärt – Gender-Debatten, SUV-Fahrer, Papst-Kritiker – desensibilisiert das Publikum. Das Ergebnis: Hitler wird zum Meme. Gleichzeitig greift die Cancel-Culture-Logik des progressiven Establishments nicht wirklich: Wenn Berliner Behörden Vorträge über „Remigration“ verbieten und österreichische Förderstellen versuchen konservative Medien wie den Exxpress ausbluten zu lassen, werden die Themen ja nicht weniger, sondern umso intensiver diskutiert.
Ein TikTok-Star verkaufte jüngst ein angebliches „Symbol der Einheit“, das sich als verharmloste Nazi Symbol entpuppte. Etliche Follower ließen es sich tätowieren, bevor der Irrtum aufflog. Solche Anekdoten sind Symptome größerer Trends: Generation Z entdeckt Tracht, Tradition und Heimatromantik. Aber nicht nur als Folklore, sondern als Protestpose gegen globalistische Beliebigkeit.
Unterdessen scheinen etablierte Institutionen durch ihre eigenen Widersprüche gelähmt zu sein, und sie haben erheblich zu diesem Phänomen beigetragen. Dieselben Medien, die atemlos über „Nazi-Propaganda“ in Jeans-Werbungen berichten und hinter jeder leicht rechts der Mitte stehenden politischen Ansicht einen Faschisten sehen, haben Jahre damit verbracht, Extremismus durch ihre Obsession mit dem „Nazi von nebenan“ zu normalisieren.
Das schafft einen perfekten Sturm im Zeitgeist: Wenn alles zur „Nazi-Propaganda“ wird, dann verliert dieses Etikett jegliche Bedeutung. Wenn attraktive Frauen zu Symbolen des Faschismus werden, beginnen auch echte faschistische Ästhetiken im Vergleich vernünftig zu wirken.
Die Ironie ist greifbar: In unseren verzweifelten Versuchen, die Normalisierung des Nationalsozialismus zu verhindern, könnten wir genau das Gegenteil erreicht haben. Wenn Sydney Sweeney beim Verkauf von Jeans zu einem faschistischen Symbol wird, sollten wir uns nicht wundern, wenn junge Menschen anfangen, die Nazi Obsession innerhalb der Gesellschaft zu hinterfragen.
In seinem unverzichtbaren Buch „Dominion“ argumentiert der Historiker Tom Holland, dass Hitler in der westlichen Imagination effektiv die Hölle ersetzt hat: Er ist nicht nur eine historische Figur, sondern der Referenzpunkt, an dem alles Böse gemessen wird, der neue symbolische „Teufel“ für ein Zeitalter, das nicht mehr an Himmel oder Hölle glaubt.
Solche rhetorische Allgegenwart verwandelt Hitler von einer historischen Warnung in eine pervertierte Form eines Popkultur-Antihelden, was paradoxerweise den Horror seiner Verbrechen mindert, statt ihn zu verstärken. Das ist die gefährlichste Konsequenz von allen – und eine, die wir uns ganz allein selbst zuzuschreiben haben.
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