Ärztemangel verschärft sich: Studien beleuchten dramatische Entwicklungen
Wer in ländlichen Regionen lebt, kennt die Situation: Ärzte sind kaum auffindbar, Termine schwer zu bekommen. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland zeigt sich dasselbe Bild. Neue Studien zeichnen ein bedrückendes Bild der Gesundheitssysteme.
Laut einer neuen Untersuchung von Bertelsmann Stiftung und dem Barmer-Institut für Gesundheitssystemforschung wird sich diese Lage in den kommenden Jahren vor allem in Deutschland massiv zuspitzen. Bis 2040 könnte ein gravierender Mangel an Hausärzten entstehen – besonders in Kleinstädten und abgelegenen Gegenden. Schon jetzt sind bundesweit mehr als 5000 Hausarztsitze nicht besetzt.
Ruhestand und Teilzeit treiben die Lücken
Die Gründe liegen vor allem in einer bevorstehenden Pensionierungswelle. Rund ein Viertel aller derzeit praktizierenden Hausärzte will laut Studie innerhalb der kommenden fünf Jahre aufhören – größtenteils altersbedingt. „92 Prozent dieser Gruppe werden bis 2030 älter als 60 Jahre sein“, heißt es in der Analyse. Gleichzeitig wollen viele Ärzte ihre Arbeitszeit reduzieren, im Schnitt um zweieinhalb Stunden pro Woche bis zum Jahr 2030.
Hinzu kommt, dass die junge Ärztegeneration nur bedingt einspringt. Viele Nachwuchsmediziner arbeiten in Teilzeit oder bevorzugen eine Anstellung statt einer eigenen Praxis. Die Folge: In den nächsten fünf Jahren könnte sich die Zahl fehlender Hausärzte verdoppeln.
„Es besteht Handlungsbedarf“
Die Studienautoren betonen, dass sich die drohende Lücke nicht zwangsläufig in eine bundesweite Unterversorgung übersetzen müsse. Mit gezielten Maßnahmen ließe sich der Trend abfedern. Wenn jährlich nur zehn Prozent des medizinischen Nachwuchses – also rund 160 junge Ärzte – in Regionen mit schlechter Versorgung gelenkt würden, könnte das Problem spürbar entschärft werden.
Auch digitale Anwendungen, mehr Unterstützung durch nichtärztliches Fachpersonal und der Aufbau von Gesundheitszentren könnten die Belastung reduzieren. „Es besteht Handlungsbedarf“, mahnte Barmer-Chef Christoph Straub gegenüber dem Spiegel.
Österreich im gleichen Dilemma
Auch in Österreich wächst der Unmut über das öffentliche Gesundheitssystem. Laut einer aktuellen Gallup-Umfrage ist nur noch die Hälfte der Bevölkerung mit der medizinischen Versorgung zufrieden, lediglich elf Prozent äußerten sich „sehr zufrieden“. 45 Prozent dagegen gaben an, die Versorgung habe sich im letzten Jahr verschlechtert. Nur acht Prozent sprachen von Verbesserungen.
Besonders kritisiert wird der Mangel an Kassenärzten. „56 Prozent finden, dass es in diesem Bereich zu wenige Allgemeinmediziner gibt, sogar 70 Prozent konstatieren einen Mangel bei anderen Fachrichtungen“, heißt es in der Studie. Die Folgen beschreibt Sonja Brandtmayer, stellvertretende Generaldirektorin der Wiener Städtischen: „Wenige Tage“ wartet die Mehrheit nur auf einen Termin bei einem kassenfinanzierten Allgemeinmediziner. „Bei einem Facharzt mit Kassenvertrag müsse man sich hingegen oft mehr als zwei Monate gedulden“, erklärten 35 Prozent der Befragten.
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