Alarm in Tschernobyl: Leiter warnt vor Einsturz bei russischem Angriff
Ein möglicher russischer Raketen- oder Drohnenangriff in der Nähe von Tschernobyl könnte die beschädigte Schutzhülle zum Einsturz bringen. Der Kraftwerksleiter warnt, dass bereits ein Treffer ein Mini-Erdbeben auslösen könne.
Warnung aus Tschernobyl: Ein Angriff könnte die Schutzhülle zum Einsturz bringen.GETTYIMAGES/Yevhen Borysov
Wie auch oe24 berichtet, schlägt die Leitung des havarierten Atomkraftwerks Tschernobyl Alarm. Die beschädigte Reaktor-Schutzhülle sei nach russischen Angriffen so instabil, dass bereits ein weiterer Einschlag ausreichen könnte, um sie zum Einsturz zu bringen. Besonders brisant: Laut dem Kraftwerkschef könnte bereits ein einzelner Raketen- oder Drohnenangriff ausreichen.
„Größte Gefahr“ für die Schutzhülle
Laut dem ukrainischen Kraftwerksleiter Serhij Tarakanow ist die Lage angespannt. Ein weiterer Angriff in der Nähe des Kraftwerks könnte ein Mini-Erdbeben auslösen. Niemand könne garantieren, dass die bereits beschädigte Schutzhülle „danach noch stehen bleibt“. Dies sei derzeit „die größte Gefahr“, sagte Tarakanow gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Tschernobyl liegt rund 100 Kilometer nördlich von Kiew. Dort war am 26. April 1986 ein Reaktor explodiert, was die schwerste Atomkatastrophe der Geschichte zur Folge hatte. Große Teile der Ukraine, Russlands und von Belarus wurden damals radioaktiv verseucht.
Die Überreste des Reaktors sind heute von mehreren Schutzsystemen umgeben. Der ursprünglich hastig errichtete Sarkophag aus Stahl und Beton wird von einer modernen äußeren Hülle umschlossen, dem sogenannten New Safe Confinement (NSC). Diese Konstruktion soll den zerstörten vierten Reaktorblock isolieren und ein Austreten von radioaktiver Strahlung verhindern.
Drohnenangriff riss hunderte Löcher
Doch genau diese äußere Schutzhülle wurde im Februar bei einem Drohnenangriff der Russen schwer beschädigt. Ein Großbrand zerstörte zudem Teile der Außenverkleidung. Die Folgen sind gravierend: „Unsere NSC hat mehrere ihrer Hauptfunktionen verloren. Wir gehen davon aus, dass es mindestens drei bis vier Jahre dauern wird, bis diese Funktionen wiederhergestellt sind“, erklärte Tarakanow.
Zwar seien die Strahlenwerte am Standort derzeit „stabil und innerhalb der normalen Grenzen“. Doch die Schäden sind enorm. Das größte Loch in der Außenhülle wurde inzwischen provisorisch mit einer Schutzschicht abgedeckt. Zusätzlich müssen jedoch noch rund 300 kleinere Löcher repariert werden, die bei den Löscharbeiten entstanden sind.
Die Sicherheitslage rund um ukrainische Atomkraftwerke ist seit Beginn des russischen Angriffskriegs angespannt. In den ersten Tagen der Invasion im Februar 2022 hatten russische Truppen das Gelände von Tschernobyl besetzt, sich später jedoch wieder zurückgezogen. Das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine steht hingegen seit März 2022 unter russischer Kontrolle.
Seitdem werfen sich Russland und die Ukraine gegenseitig vor, die Sicherheit der Anlage zu gefährden und das Risiko einer neuen Nuklearkatastrophe zu erhöhen.
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