Laut Petition, die zum jetzigen Zeitpunkt rund 500 Unterschriften sammeln konnte, habe Atatürk ab 1923 einen modernen, säkularen Staat aufgebaut. Er führte das Frauenwahlrecht ein, ermöglichte allgemeine Bildung, trennte Religion und Staat und nahm – laut Petition – rund 1.000 Geflüchtete auf, darunter auch zahlreiche Akademiker aus Österreich. In über 50 Ländern gebe es bereits Straßen oder Denkmäler für Atatürk – in Wien dagegen nicht. Die Initiatorin schlägt deshalb vor, eine mit NS-Geschichte belastete Straße umzubenennen, um „ein Zeichen für Demokratie und Solidarität“ zu setzen.

Doch gerade dieser laizistische Kurs macht ihn heute zur Reizfigur. Präsident Erdoğan verfolgt mit seiner islamisch-konservativen Politik einen entgegengesetzten Weg – und viele seiner Anhänger in Wien sympathisieren eher mit der religiös geprägten Linie des aktuellen Staatschefs. Ob also ein Atatürk-Weg in Wien tatsächlich ein Zeichen für Integration oder nicht vielmehr ein neuer Konfliktpunkt wäre, bleibt offen. Denn auch unter türkeistämmigen Österreichern gibt es nicht nur Bewunderer des säkularen Reformators.

Was zudem wenig thematisiert wird: Sowohl Atatürk als auch Erdoğan eint ein stark nationalstaatlicher Führungsanspruch. Beide gelten als türkische Nationalisten mit regionalpolitischem Führungsanspruch. Ethnischen Minderheiten wie den Kurden wurde unter beiden Machthabern keine Autonomie gewährt. Das Bild vom reinen Demokratisierer wird so – selbst bei wohlwollender Betrachtung – zunehmend komplex.

Wien blockt ab – Entscheidung liegt beim Bezirk

Die Stadt Wien hat inzwischen auf die Petition reagiert. In einer offiziellen Stellungnahme betont Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler: Zuständig für Straßenbenennungen sind die Bezirke. Nur wenn dort ein mehrheitlicher Antrag gestellt wird, könne eine Prüfung erfolgen – inklusive Gutachten zur Biografie der vorgeschlagenen Person. Erst dann werde im Gemeinderat entschieden.

Grundsätzlich, so Kaup-Hasler, seien Umbenennungen nicht vorgesehen, da sie „weitreichende finanzielle und administrative Folgen“ für Anrainer und Betriebe mit sich bringen würden – von Meldezetteln über Bankdaten bis hin zu Firmenunterlagen.

Zudem nennt die Petition keine konkrete Straße, sondern spricht nur allgemein von einer NS-belasteten Verkehrsfläche. Zwar hatte eine Historikerkommission der Stadt Wien 2014 rund 170 problematische Straßennamen identifiziert – doch ein direkter Bezug zur Petition ist nicht erkennbar.