Berlin: Drogenmarkt wird mit digitalen "Kokstaxis" überschwemmt
Berlin ist berüchtigt für seine alteingesessenen Clan-Strukturen und für den Konsum aller möglichen Substanzen. Mittlerweile hat auch die Digitalisierung im Rauschmittelhandel Einzug gehalten. Binnen Minuten kann man über den Messaging-Dienst Telegram “Kokstaxis“ bestellen. Ermittler sind verzweifelt.
Kokain und Taxis – wie geht das zusammen? Eins verbindet sie: Beides erlebt in Berlin Hochkonjunktur. Laut einer Abwasseranalyse ist der Kokainkonsum in den vergangen fünf Jahren um 58 Prozent gestiegen.
Für das lukrative Geschäft wissen sich Dealer mittlerweile auch das Internet zunutze zu machen. Bei Kunden stieg die Zufriedenheit, seit sie schnell und unkompliziert eine Bestellung aufgeben können – binnen Minuten. Seit fünf Jahren kann man sich über Telegram delirante Vergnügen direkt nach Hause liefern lassen. Im Untergrund kursiert sogar der Mythos, dass sich der 2020 gegründete und gekrönte Lebensmittel-Lieferdienst Gorilla von der Geschäftsidee der Koks-Kuriere inspirieren ließ. Alle Produkte können garantiert innerhalb kürzester Zeit zugestellt werden.
Hoher Anstieg und noch höher die Dunkelziffer
Gemessen an dem Zuwachs solcher Dienstleistungen scheint es, als würde der analoge Handel von einer digitalen Transaktionsabwicklung allmählich verdrängt werden: 2018 wurde in Berlin in elf Fällen gegen Koks-Kuriere ermittelt, 2022 gab es laut Berliner Polizei schon 319. Von der Polizei wird die Dunkelziffer aber noch viel höher eingeschätzt. So verbreitet das Phänomen ist, so schwierig ist es auch von der Exekutive, das unter Kontrolle zu bringen.
Drogenhändler wussten schon immer akribisch ihre Spuren zu verwischen, um Ermittler auf keine Fährte zu führen. Mit neuen Technologien geht das noch viel geschmeidiger, als noch zu prä-digitalen Zeiten, als sich die Kommunikationskanäle zwischen Dealer und Konsument auf die “Straße“ beschränkten.
Die Größendimensionen lassen sich kaum beziffern, zumal Telegrams Ende-zu-Ende Verschlüsselung Ermittler im Dunkeln tappen lassen bei der Strafverfolgung. Ein ehemaliger Betreiber einer solchen Telegram-Gruppe hat angegeben, dass allein eine Gruppe 16.000 Teilnehmer beherbergt hat. Neukunden werden von den Betreibern barrierefrei in Empfang genommen und Konsumenten können leichter erschlossen werden. Das eigentliche Ausmaß lässt sich nur schwer abschätzen.
Betrifft nicht mehr nur Berlin
Carsten Pfohl – Leiter des Landeskriminalamts – bestätigt, wie schwer es sei, den Handeln in Zeiten von Telegram und Co. zu durchdringen. Mittlerweile sei dieses Novum jedoch nicht mehr nur auf die Hauptstadt beschränkt. Auch in anderen Regionen Deutschlands, vor allem Großstädten, werden illegale Machenschaften zunehmend auf digitalen Wegen abgewickelt.
Fast in jeder deutschen Stadt werden Ermittler fündig, wenn nach den entsprechenden Gruppen auf dem Messenger-Dienst gefahndet wird. Ob die Pandemie des digitalen Drogenmarkts wieder abebbt, hängt auch von neuen, digitalen Fahndungsmöglichkeiten auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden ab.
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