Brasilien trauert um ungewöhnlich hohe Anzahl an toten Corona-Babys
Experten sind in großer Sorge: 2000 Kinder zwischen 0 und 9 Jahren sind in Brasilien bislang an COVID-19 verstorben, 1300 davon im Säuglingsalter.
Erschütternde Nachrichten aus Brasilien: Das Land, das seit Monaten mit am schlimmsten von der Pandemie gebeutelt wird und eine der höchsten Corona-Todesraten der Welt aufweist, trauert um seine Jüngsten. Denn auch wenn es logisch scheint, dass in einem Land, in dem mehr Menschen an COVID-19 sterben als irgendwo anders, auch mehr Kinder sterben, so bestätigt eine aktuelle Studie, dass die auffallend hohe Zahl an Todesfällen im Kindesalter unverhältnismäßig hoch ausfällt.
Brasilien liegt aktuell mit 13,9 Millionen Infizierten bei den Corona-Hotspots auf dem dritten Platz, mit rund 373.000 Toten an zweiter Stelle weltweit. Aus diesen tragischen Zahlen geht nun eine ungewöhnlich hohe Zahl an Todesfällen in der Altersgruppe von null bis neun Jahren hervor – und die Mehrheit dieser Toten ist sogar erst im Säuglingsalter.
Kinder werden zu Opfern eines überforderten Gesundheitssystems
Wo liegen die Gründe für diese schrecklichen Kindstode? Experten bemühen sich um eine Klärung und sehen in einem Bericht der BBC als ersten Anhaltspunkt offensichtlich die schiere Masse an Infektionen in Brasilien, die das Gesundheitssystem des gebeutelten Landes mit einer betäubenden Wucht überrollt hat. “Je mehr Fälle wir haben und je mehr Krankenhausaufenthalte, desto höher ist natürlich die Zahl der Todesfälle in allen Altersgruppen, auch bei Kindern”, erklärte Renato Kfouri von der Brasilianischen Gesellschaft für Pädiatrie gegenüber BBC.
Zu dieser medizinisch-logistischen Ohnmacht hinzu komme ein akuter Mangel an Tests, wodurch die Covid-19-Diagnose für Kinder oft zu spät käme, wie die Epidemiologin Fatima Marinho von der Universität São Paulo weiter ausführt: “Wir haben ein echtes Problem, Fälle zu erkennen. Wir haben nicht genug Tests für die allgemeine Bevölkerung, noch weniger für Kinder. Weil es eine Verzögerung bei der Diagnose gibt, gibt es eine Verzögerung bei der Versorgung des Kindes”, sagt Marinho, die auch beobachtet hat, dass Symptome bei Kindern leichter übersehen oder falsch gedeutet werden.
Alarmierende Anzahl an Todesfällen bei Säuglingen
Wie problematisch die Lage ist, zeigen die Zahlen: Laut offiziellem Bericht des Gesundheitsministeriums sind in Brasilien bisher mindestens 852 Kinder zwischen 0 und 9 Jahren entweder direkt an oder an den Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben, darunter 518 Säuglinge unter einem Jahr. Diese Zahlen sind (je nach Berechnung) zwischen 70 und 170 Mal so hoch wie beispielsweise Deutschland, wo die jüngsten Auswertungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) seit Ausbruch der Pandemie 12 Todesfälle in dieser Altersgruppe verbuchen.
Womöglich könnte die Dunkelziffer der Corona-Toten in der jüngsten Bevölkerungsgruppe sogar noch deutlich höher sein, als die berichteten, wie Fatima Marinho befürchtet. Die Epidemiologin hat ihre eigenen Berechnungen angestellt und kommt auf etwa 2000 Covid-19-Todesopfer unter den Null- bis Neunjährigen kommt – darunter etwa 1300 Säuglinge.
"Müssen die Pandemie endlich unter Kontrolle bringen"
Auch die weit verbreitete Armut in Brasilien sowie der mangelnde Zugang zu medizinischer Versorgung machen die Pandemie dort umso verheerender und die nach wie vor existierenden Klassenunterschiede noch offensichtlicher: Daraus ergibt sich leider automatisch auch ein höheres Risiko für Kinder indigener, ethnisch gemischter oder ostasiatischer Abstammung, die eher Gefahr laufen sich anzustecken und am Virus zu sterben als weiße Kinder. Die selbe Studie kommt auch zu dem Schluss, dass auch Kinder durch Vorerkrankungen einem höheren Risiko ausgesetzt sind.
Trotz allem betonen die Experten, dass das Sterberisiko im Vergleich zur Restbevölkerung für Kinder zwischen null und neun Jahren auch in Brasilien immer noch “sehr gering” sei: Der Anteil der Todesfälle von Kindern unter 9 Jahren liegt bei den insgesamt 373.000 Todesfällen in Brasilien liegt der Anteil der Altersgruppe immer noch bei unter einem Prozent. Das ändert aber nichts am gemeinsamen obersten Ziel aller betroffenen Länder: Der Eindämmung der Pandemie. “Wenn die Pandemie unter Kontrolle wäre, könnte dieses Szenario minimiert werden”, so Renato Kfouri im BBC-Interview.
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