Dänische Analyse schockiert: Beliebtes Schmerzmittel erhöht Herzinfarkt-Risiko
Die Autoren gehen nicht so weit, Behörden zur Aufhebung der Zulassung aufzufordern. Aber sie richten eine klare Botschaft an die Praxis: Ärzte sollten die Verschreibung „überdenken“ und das Schmerzmittel durch „sicherere Alternativen“ ersetzen.
Tramadol Pillen. Grün-gelbe Kapselpillen auf blauem Hintergrund. Tramadol ist ein starkes Schmerzmittel zur Behandlung von mittelschweren bis starken Schmerzen. Hintergrund für Tramadol-Missbrauchsthemen.GETTYIMAGES/Fahroni
Tramadol gilt seit Jahrzehnten als „milderes“ Opioid. Es wird weltweit sehr häufig verschrieben – allein in den USA gab es 2023 über 16 Millionen Rezepte. Der Grund: In der klinischen Praxis hielt sich lange die Vorstellung, Tramadol habe ein geringeres Suchtpotenzial als stärkere Opioide wie Oxycodon oder Fentanyl.
Doch wie die Daily Mail berichtete, stellt eine neue dänische Analyse dieses Sicherheitsgefühl infrage – und sie trifft Tramadol an einer besonders sensiblen Stelle: beim Verhältnis von Nutzen und Risiko.
Was die Auswertung untersucht hat
Die Forscher werteten 19 klinische Studien aus, in denen insgesamt mehr als 6.500 Personen entweder Tramadol oder ein Placebo (also ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff) erhielten. Es ging um chronische Schmerzen – darunter:
-Nervenschmerzen (5 Studien)
-Arthrose (9 Studien)
-chronische Kreuzschmerzen (4 Studien)
-Fibromyalgie (1 Studie)
Das zentrale Ergebnis: Tramadol zeigte nur eine geringe Wirkung auf chronische Schmerzen – gleichzeitig traten deutlich mehr Nebenwirkungen auf.
Die Autoren formulieren es so: „Tramadol könnte einen leichten Effekt auf die Reduktion chronischer Schmerzen haben (geringe Evidenzsicherheit), erhöht aber wahrscheinlich das Risiko sowohl schwerer als auch nicht schwerer Nebenwirkungen.“
In der Auswertung hatten Personen mit Tramadol im Vergleich zum Placebo eine um 113 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, ein schweres unerwünschtes Ereignis zu erleiden.
Herzereignisse im Fokus
Die Forscher wollten wissen, welche Arten schwerer Ereignisse diesen deutlichen Anstieg erklären. Laut ihrer Analyse wurde der Risikoanstieg „hauptsächlich durch einen höheren Anteil an kardialen Ereignissen und Neoplasien [Tumoren]“ getrieben.
Zu den „kardialen Ereignissen“ (also Herzereignissen) zählten in den ausgewerteten Studien einzelne Meldungen wie:
-Herzinfarkt
-Brustschmerz
-Herzschwäche/Herzinsuffizienz
Warum das Alter der Patienten brisant ist
Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer lag bei 58 Jahren. Das ist ein Alter, in dem Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufiger werden – und in dem auch unerkannte Risiken (wie eine noch nicht diagnostizierte koronare Herzkrankheit) eine Rolle spielen können.
Genau hier liegt die Sorge der Forscher: Tramadol könnte bei manchen Menschen eine bestehende Anfälligkeit verstärken oder ein Ereignis auslösen.
Tramadol in der Praxis: beliebt – weil „weniger gefährlich“?
Tramadol wird sowohl im Krankenhaus als auch für die Einnahme zuhause verschrieben. Wie jedes Opioid hat es ein Suchtpotenzial, gilt aber im Vergleich zu stärkeren Opioiden als weniger suchterzeugend. In den USA wird es deshalb als Schedule-IV-Medikament eingestuft – also als Substanz mit geringerem Missbrauchsrisiko im Vergleich zu stärker regulierten Opioiden.
Gerade weil Tramadol als „vernünftige“ Option erschien, ist die neue Bewertung so heikel: Wenn der Nutzen gering ist, wiegen selbst „wahrscheinliche“ Risiken schwerer.
Die Studie wurde im BMJ veröffentlicht.
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