Deutschland meldet „alles im Griff“ – aber die Realität in den Speichern sieht anders aus. Laut der Plattform Gas Infrastructure Europe (GIE) lag der Speicherstand im September bei 77 Prozent – so niedrig wie seit 2011 nicht mehr. Am 27. Dezember waren es nur noch 58,7 Prozent, rund fünf Punkte unter dem EU-Durchschnitt. Das ist ein Niveau, das Deutschland sonst erst später im Winter erreicht – und die kalten Wochen haben gerade erst begonnen. Die Bundesnetzagentur beruhigt zwar: Das zentrale Ziel, mindestens 70 Prozent bis 1. November, sei erreicht und sogar um fünf Prozentpunkte übertroffen worden. Doch der Trend zeigt klar nach unten – und genau das macht die Lage politisch explosiv – berichtet Apollo News.

Deutschland ging „sparsam“ in den Winter

Im Vergleich zu Ländern wie Frankreich oder Polen hat Deutschland seine Speicher weniger aggressiv gefüllt. Gründe: gelockerte Vorgaben, die seit 2022 ausgerufene Alarmstufe wurde zurückgenommen (seit Juli gilt nur noch die Frühwarnstufe) – und im Sommer waren die Preise höher. Dazu kommt: Ohne langfristige Verträge hängen Preis und Versorgung immer stärker am Tagesgeschäft.

Norwegen, Benelux, LNG – ein Mix ohne echte Sicherheit

Nach dem Wegfall russischer Pipeline-Mengen stützt sich Deutschland auf einen Mix aus Ersatzquellen: Aus Norwegenkommen inzwischen über 40 Prozent des benötigten Gases, Belgien und die Niederlande liefern jeweils rund 20 bis 25 Prozent. Dazu wächst die Rolle von Flüssiggas (LNG), das über Nord- und Ostseehäfen importiert wird: Aktuell macht LNG etwa 14 Prozent aus, in den Wochen davor lag der Anteil aber meist eher bei rund zehn Prozent oder sogar im einstelligen Bereich.

LNG wurde als Heilsbringer verkauft – doch die deutsche Infrastruktur liefert bislang nicht das versprochene Wunder. Eine Auswertung der Deutschen Umwelthilfe für 2024 zeigt: Die Terminals sind teils deutlich unter ihren Möglichkeiten gelaufen. Mukran auf Rügen war seit Start im September 2024 nur gering ausgelastet, Wilhelmshaven lag unter Vorjahr, Brunsbüttel blieb auf Vorjahresniveau. Unterm Strich machten die drei Terminals nur einen kleinen Teil der importierten Gasmenge aus.

Katar bremst – EU-Regeln schrecken ab

Ein weiterer Teil des Plans wackelt: Ab 2026 sollten über LNG-Terminals bis zu zwei Millionen Tonnen aus Katarkommen. Doch Katar stellt sich quer – wegen strenger EU-Vorgaben aus dem Lieferkettenrecht, das Klima- und Menschenrechtsstandards absichern soll, in der Praxis aber als bürokratische Last gilt.

Das Problem: Katar ist für Europa keineswegs irrelevant. Eurostat-Zahlen zeigen, dass Katar zeitweise zu den wichtigsten LNG-Lieferanten zählt – während sich Europa gleichzeitig in eine neue Abhängigkeit manövriert.

Russland fällt weg – USA werden zur neuen Klammer

Parallel dazu beschließt die EU den nächsten Schnitt: russisches LNG soll ab 2026 gestoppt werden, spätestens Ende 2027 sollen alle Gasimporte aus Russland Geschichte sein. Was bleibt, ist teures Gas aus dem EU-Netz – und LNG aus den USA, inklusive politischer und ökologischer Debatten (Stichwort Fracking).

Und genau hier liegt die nächste Gefahr: Europa will nicht wieder „von einem Lieferanten abhängig“ werden – baut aber faktisch das nächste Abhängigkeitsverhältnis auf. Selbst die Bundesnetzagentur warnt, dass trotz stabiler Lage „Risiken verbleiben“ – und ruft zum Sparen auf.

Haushalte warm – Industrie zahlt die Rechnung

Für Privathaushalte dürfte es kurzfristig reichen: In den letzten Jahren hat Deutschland auch mit Krisen den Winter überstanden. Doch die Industrie ist das eigentliche Risiko. Sinkende Speicherstände treiben Preise – und damit Kosten für energieintensive Betriebe. Eine Uniper-Studie warnt: Bei niedrigeren Füllständen in Nordwesteuropa kann ein harter Winter volkswirtschaftliche Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe verursachen. Je leerer die Speicher, desto teurer wird es zuerst für die Wirtschaft – und am Ende für alle.