Die Krisen seit 2020 haben tiefe Spuren in der österreichischen Gesellschaft hinterlassen. Besonders die lang anhaltende finanzielle Belastung vieler Haushalte wirkt sich deutlich auf die Familienplanung aus, erklärt Isabella Buber-Ennser, leitende Demografin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gegenüber Kurier. Die Teuerung der Jahre 2022 und 2023 habe viele Menschen zu einer grundlegenden Neubewertung ihrer Kinderwünsche gezwungen.

Für ihre Analyse wertete die Forscherin gemeinsam mit Kollegen die Daten einer umfangreichen Befragung von rund 7.500 Personen aus. Der Erhebungszeitraum fiel in die Phase, in der die Inflation im Spätherbst 2022 mit rund elf Prozent den höchsten Stand seit fünf Jahrzehnten erreichte.

Weniger oder keine weiteren Kinder

Die Ergebnisse sind deutlich: Viele Befragte gaben an, aufgrund der Krisen – besonders der Teuerung – weniger oder keine zusätzlichen Kinder zu wollen. Nur ein vergleichsweise kleiner Teil verschob den Kinderwunsch lediglich nach hinten. Die längerfristigen Auswirkungen lassen sich inzwischen statistisch belegen: Laut Statistik Austria sank die Gesamtfertilitätsrate 2024 auf 1,31 Kinder pro Frau – ein historischer Tiefstand.

Zum Vergleich: Nach der Pandemie kam es zwar kurz zu einem Rückgang, doch 2021 stieg die Geburtenrate mit 1,48 Kindern pro Frau sogar über das Niveau von 2019. Erst danach setzte der kontinuierliche Abwärtstrend ein.

Emotionale und finanzielle Belastung

Ein klarer Zusammenhang zwischen Teuerung und veränderten Familienplänen liegt laut Buber-Ennser auf der Hand. Elf Prozent der Befragten gaben an, ihre Familienplanung aufgrund der Krisen geändert zu haben, besonders häufig Menschen in vulnerablen Lebenssituationen – etwa Arbeitslose, Personen in prekären Jobs oder Menschen mit Migrationshintergrund. Weitere 18 Prozent sind unsicher, wie es mit der Familienplanung weitergehen soll.

Diese Werte seien „nicht zu vernachlässigen“, betont die Demografin. Sie zeigten deutlich, „dass die zukünftigen Kinderwünsche in eine negative Richtung gehen“ und aktuell keine Trendwende erkennbar sei.

Inflation als stärkster Belastungsfaktor

Die Teuerung war für viele Befragte der größte Belastungsfaktor: 55 Prozent empfanden die Preisentwicklung als erhebliche bis sehr hohe Belastung. Zum Vergleich: Bei Covid-19 lag dieser Wert bei 43 Prozent, beim Ukraine-Krieg bei nur 39 Prozent. Besonders markant ist, dass 13 Prozent angaben, sehr stark betroffen zu sein – während nur fünf Prozent keinerlei Belastung verspürten.