Im Rahmen des MCC Budapest Summit zur globalen Drogenepidemie hat exxpress mit Kevin Sabet gesprochen. Er ist Präsident von Smart Approaches to Marijuana, langjähriger Berater mehrerer US-Regierungen und einer der bekanntesten Experten für Drogenpolitik. Direkt nach seiner Keynote, in der er die weltweite Lage als „neue Ära der Hochrisikosubstanzen“ beschrieb, haben wir nachgefragt, warum Cannabis heute gefährlicher ist als je zuvor – und welche politischen Akteure diese Entwicklung ermöglichen.

Der ehemalige Berater des Weißen Hauses für nationale Drogenpolitik, Kevin Sabet, spricht während einer Pressekonferenz in Vancouver, Kanada, am Montag, dem 16. September 2024.MCC/

„Cannabis ist heute eine genetisch veränderte Industriepflanze“

Sabet macht gleich zu Beginn klar, dass die Vorstellung eines natürlichen, milden Cannabisproduktes längst der Vergangenheit angehört. Wörtlich sagt er: Bei den THC-Produkte am Markt hat keiner eine Ahnung, was die tun oder nicht. Sie sind genetisch verändert und kommerzialisiert.“

Diese Entwicklung sei kein Zufall, sondern eine Folge massiver Industrialisierung. In seiner Keynote zeigte er eine Folie, die die Auswirkungen der Legalisierung zusammenfasst: Stärkere Produkte, mehr Abhängigkeit, mehr psychische Erkrankungen.

Auch der historische Vergleich mit dem Tabaksektor ist zentral: „Seit 100 Jahren sind Zigaretten tödlich, weil sie von der Tabakbranche kommerzialisiert wurden. Genau das passiert jetzt bei Cannabis.“ Die Pflanze werde auf maximale Wirkung gezüchtet. Kapitalinteressen würden systematisch darüber hinweggehen, wie diese Produkte langfristig auf Gesellschaft und Gesundheit wirken.

Kevin Sabet und exxpress Redakteurin Anna-Sophie Prosquill,exxpress/

Legalisierung stärken nur den Markt, nicht die Sicherheit

Legalisierung löst aus seiner Sicht kein einziges strukturelles Problem. „Der Kapitalismus hat es ermöglicht, dass die Potenz durch die Decke geht. Die Mafia ist größer denn je. Für sie ist Legalisierung ideal, weil der Markt offiziell wird.“

In seiner Folie zur „Schadensminderung als Spektrum“ betont er außerdem, dass viele staatliche Programme nicht schadenreduzierend, sondern schadenverstärkend seien. Auch Europa kritisiert er scharf: „In Europa wird die Messlatte gesenkt. Es wird mit dem sicheren Konsum gerechtfertigt.“ Ein gefährlicher Irrtum, denn für ihn sei klar: Sicherheit gebe es bei diesen Substanzen nicht mehr.

Für ihn müssen Maßnahmen zur Schadensminderung darauf abzielen, drogenbedingte Risiken tatsächlich zu reduzieren – nicht dazu dienen, einen langfristigen Konsum zu stabilisieren oder zu begleiten. Die derzeitigen Programme würden jedoch oft genau das tun. „Holen wir die Menschen dort ab, wo sie sind, aber lassen wir sie nicht dort.“ Programme, die den Konsum begleiten, statt den Ausstieg zu fördern, hält er für kontraproduktiv. Besonders kritisch sieht er europäische Modelle, die Konsumgruppen empfehlen und dadurch den Einstieg erleichtern.

Das sind unter anderem Maßnahmen, die Sabet und viele weitere Experten beim MCC-Summit kritisieren.Suchthilfe Wien/Screenshot

Soros, globale Netzwerke und warum die Europäer „die Latte immer weiter absenken“

Sabet erklärt, dass politische Allianzen und Stiftungen, seit Jahren, aktiv an einer globalen Liberalisierungsstrategie arbeiten: „Politiker bekommen viel Geld, damit sie in globalen Kommissionen sitzen, die nach außen wie Experten wirken, obwohl ihre Politik nicht effizient ist.“

Er nennt Soros als zentralen Unterstützer jener Bewegungen, die weltweit auf Legalisierung drängen. Für Sabet sind diese Netzwerke entscheidend dafür, dass Länder wie Deutschland, Kanada oder Teile der USA extreme Liberalisierungen umsetzen, obwohl die Datenlage dagegen spricht.

Ein Beispiel sind die Niederlande. Dort habe man jahrzehntelang auf ein liberalisiertes Modell gesetzt – mit der Erwartung, dass es Kontrolle schafft und Kriminalität eindämmt. Doch genau das Gegenteil sei eingetreten. Er verweist auf Aussagen niederländischer Behörden, die ihren Weg mittlerweile selbst als „Desaster“ bezeichnen. Und er stellt die zentrale Frage: Wenn dieses Modell so gut funktioniert hat, warum übernehmen es dann nicht die Länder rundherum?“ Für ihn zeigt die ausbleibende Nachahmung, dass die Realität hinter den politischen Erzählungen eine andere ist.

Er spricht u.a. gloable Organisationen wie diese an.Global Commission on Drug Policy/Screenshot

„Sucht ist so viel mehr als eine Krankheit“

Immer wieder wird hervorgehoben, dass Drogensucht eine schwere Erkrankung ist und wie andere Krankheiten behandelt werden müsse. Für Sabet greift diese Sichtweise jedoch zu kurz. Anders als bei vielen chronischen Leiden gebe es bei Sucht eine realistische Chance auf vollständige Genesung – vorausgesetzt, Verhalten, Umfeld und Motivation werden konsequent verändert. Genau hier sieht er den entscheidenden Unterschied zu medizinischen Krankheitsbildern, die lebenslang begleitet werden müssen.

„Sucht ist so viel mehr als eine Krankheit, sie hat eine starke Verhaltenskomponente“, erklärt er. Seine Argumentation lautet: Wenn Verhalten ein wesentlicher Teil der Erkrankung ist, dann kann auch Veränderung ein wesentlicher Teil der Heilung sein. Diese Sichtweise führt ihn zu einer kontrovers diskutierten Forderung. Er hält es für notwendig, Menschen, die straffällig geworden sind und gleichzeitig abhängig sind, vor eine klare Entscheidung zu stellen: Entweder Haftstrafe oder Entzug mit echter therapeutischer Begleitung.